# taz.de -- Abstimmungsmarathon in Großbritannien: Die Liberalen werden abgestraft
       
       > In Großbritannien stehen Kommunal- und Regionalwahlen sowie ein
       > Referendum zur Wahlrechtsreform an. Die Ausgangslage ist für alle
       > Parteien prekär.
       
 (IMG) Bild: Wahlkampfhilfe für Schottland: Der britische Ex-Premier Gordon Brown besucht einen Supermarkt.
       
       DUBLIN taz | Am Donnerstag ist im Vereinigten Königreich großer Wahltag: In
       Schottland, Wales und Nordirland werden die Regionalparlamente neu gewählt,
       in Nordirland und in weiten Teilen Englands finden außerdem Kommunalwahlen
       statt, und dann ist da noch das Referendum über die Wahlreform. Das ist vor
       allem ein Votum über die Regierung.
       
       Vor allem die Liberalen Demokraten, der Juniorpartner der Tories in der
       ersten britischen Nachkriegskoalition, müssen mit dem Schlimmsten rechnen.
       Die Partei hat in den vergangenen zwölf Monaten mehrmals alle Höhen und
       Tiefen der Politik durchlitten.
       
       Als sie eine Koalition mit den Tories eingingen, bescherte ihnen das ein
       vorübergehendes Hoch. Doch nun mussten sie sich an ihren Wahlversprechen
       messen lassen, und die konnten sie nicht halten: Die Tories setzten die
       Erhöhung der Mehrwertsteuer und drastische Ausgabenkürzungen durch. Am
       meisten schadete den Liberalen jedoch die Verdreifachung der
       Studiengebühren, die sie im Wahlkampf noch kategorisch abgelehnt hatten.
       Bei den Massendemonstrationen, die mitunter in Straßenschlachten endeten,
       wurde Clegg zur Hassfigur.
       
       Bei den englischen Kommunalwahlen liegen die Liberalen laut Umfragen bei
       zehn Prozent. Vor vier Jahren waren es noch 24 Prozent. Die Tories hingegen
       scheinen glimpflich davon zu kommen, sie verlieren gerade mal vier Prozent.
       Die Liberalen-Stimmen wandern vor allem zur Labour Party, die ihren
       Stimmanteil von 26 auf 42 Prozent verbessern wird. Es ist der erste Test
       für Ed Miliband, der seit vergangenem Herbst neuer Labour-Chef ist. In
       Wales, wo das Regionalparlament gewählt wird, hat Labour zum ersten Mal
       sogar Aussichten auf die absolute Mehrheit. Bisher musste sie gemeinsam mit
       der nationalistischen Plaid Cymru regieren, die laut Umfragen diesmal
       zurückfallen wird.
       
       ## In Schottland gewinnen Nationalisten
       
       Ganz anders sieht es in Schottland aus. Zwar müssen die Liberalen auch hier
       mit dem Verlust von mindestens sechs ihrer 16 Sitze rechnen, doch ihre
       Wähler wandern nicht zu Labour, sondern mehrheitlich zur nationalistischen
       Scottish National Party (SNP). Deren Chef Alex Salmond führt seit 2007 eine
       Minderheitsregierung an, er ist der mit Abstand populärste Politiker in
       Schottland. Alles deutet darauf hin, dass er weitere vier Jahre im Amt
       bleiben wird, obwohl sich Labour noch Chancen ausrechnet. Eine Wiederwahl
       interpretiere er als Mandat für ein Referendum über die vollständige
       Unabhängigkeit, sagte Salmond.
       
       Den schottischen Liberalen ist die Koalition mit den Tories zum Verhängnis
       geworden, denn nirgendwo im Vereinigten Königreich sind die Konservativen
       so verhasst wie in Schottland. Zwei Kandidaten der schottischen Liberalen
       sind deshalb zurückgetreten und rufen zur Wahl der SNP auf.
       
       Und auch beim Referendum über die Wahlreform droht den Liberalen eine
       Niederlage. Clegg hatte die Reform, die die Ungerechtigkeiten des
       Mehrheitswahlrechts etwas abmildern soll, bei den Koalitionsverhandlungen
       zu seinem wichtigsten Anliegen gemacht. Die Tories gewährten ihm zwar den
       Volksentscheid, machten aber von Anfang an klar, dass sie für ein Nein
       werben würden. Das führte zu einem erbitterten Koalitionsstreit.
       
       Energieminister Chris Huhne von den Liberalen warf Premierminister David
       Cameron am Wochenende vor, er untergrabe systematisch seinen Vizepremier
       Clegg. Die Liberalen sind erbost, dass Cameron das Referendum nutzt, um
       seine Position innerhalb der Tories auf Cleggs Kosten zu stärken. Die
       Tories verteilen Flugblätter, auf denen Cleggs gebrochene Wahlversprechen
       aufgelistet sind.
       
       "Einen Kollegen in einer Koalition dafür anzugreifen, dass er notwendige
       Kompromisse eingegangen ist, um die Umsetzung konservativer Politikpunkte
       zu ermöglichen, ist kurzsichtig und empörend", sagte Huhne. Zwar hat sich
       der Vorsprung der Reformgegner in den letzten Tagen verringert. Da aber
       Labour bei dem Thema gespalten ist, liegt er immer noch bei zehn Prozent.
       
       4 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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