# taz.de -- Kommunalwahlen in Großbritannien: Liberale ohne Überzeugungskraft
       
       > Trotz Kaffee und Kuchen im Wahlkampf stehen die Liberal-Demokraten im
       > Abseits. Labour kann davon nicht profitieren, eine andere Partei schon.
       
 (IMG) Bild: Von den Wählern abgestraft: Der Chef der Liberaldemokraten Nick Clegg.
       
       DUBLIN taz | Die einen feiern, die anderen trauern. Großbritanniens
       Liberale Demokraten überlegten am Wochenende, welche Konsequenzen sie aus
       der verheerenden Niederlage bei den englischen Kommunalwahlen, den Wahlen
       zu den Regionalparlamenten in Schottland und Wales sowie beim Referendum
       zur Wahlreform ziehen müssen.
       
       Dabei hatte es Parteichef Nick Clegg noch vor einem Jahr geschafft, den
       Eindruck zu erwecken, er sei der einzige ehrliche Politiker im Land. In
       Anbetracht der Skandale um Spesen, bezahlte Lobbyarbeit und Steuerflucht,
       die vor allem die beiden großen Parteien betrafen, konnte sich der
       Liberaldemokrat überzeugend als Erneuerer präsentieren. Jetzt ist er in der
       Realität angekommen.
       
       Bei der Scottish National Party (SNP) hingegen herrscht Euphorie. Die
       separatistische Partei, die bisher mit einer Minderheit regierte, konnte am
       Donnerstag mit 69 von 129 Sitzen zum ersten Mal die absolute Mehrheit im
       schottischen Regionalparlament erreichen. Premierminister David Cameron
       versprach, der SNP keine juristischen Steine in den Weg zu legen, wenn sie
       die Wähler per Referendum über die vollständige Unabhängigkeit entscheiden
       lassen will.
       
       Er sieht die Sache gelassen: Bei Umfragen sprach sich lediglich ein Drittel
       dafür aus. Mit der absoluten Mehrheit hatten nicht mal Optimisten in der
       SNP gerechnet, denn das komplizierte schottische Wahlsystem begünstigt eine
       breite Verteilung der Sitze.
       
       Liberal-Demokrat Clegg hatte seit seinem Koalitionsbündnis mit den Tories
       vor einem Jahr eine Reihe von Fehlern gemacht. In dem Bestreben, sich als
       seriöse politische Kraft zu profilieren, vertrat er eine drastische
       Sparpolitik, die von den Tories konzipiert worden war. Damit verprellte er
       seine Wähler, denn dafür hatten sie ihn nicht gewählt.
       
       Premierminister David Cameron hat die Liberalen als Blitzableiter in die
       Koalition geholt, und sein Plan ist aufgegangen. Die Tories sind bei den
       Wahlen überaus glimpflich davongekommen. Ungeschickt war es von Clegg auch,
       der Labour Party immer wieder die Schuld für den ökonomischen Schlamassel
       zu geben. Dadurch verärgerte er die Labour-Wähler, bei denen das Verlangen,
       Clegg zu bestrafen, stärker war, als das ungerechte britische
       Mehrheitswahlrecht zu reformieren.
       
       ## Mehrheitswahlrecht bis auf weiteres festgeschrieben
       
       Mehr als zwei Drittel der Wähler stimmten im Volksentscheid gegen die
       Wahlreform, eins der Hauptanliegen der Liberalen bei den
       Koalitionsverhandlungen. So ist das Mehrheitswahlrecht bis auf weiteres
       festgeschrieben. Premierminister David Cameron kann zufrieden sein.
       
       Seine Kampagne gegen die Wahlreform - und damit gegen die Liberalen - hat
       die Atmosphäre in der Koalition vergiftet. Die Zeit der freundschaftlichen
       Beziehungen sei vorbei, sagte Clegg, das Verhältnis werde sich auf
       Geschäftliches beschränken. Er droht damit, die Reform des
       Gesundheitswesens zu blockieren, wenn die Tories nicht nachbessern. Aber
       warum sollte Cameron den Liberalen diesen Trostpreis zugestehen?
       
       Auch die Reform des Oberhauses, die sich die Liberalen wünschen, wird an
       Camerons Widerstand scheitern. Clegg hat nicht das geringste Druckmittel.
       Er kann nicht aus der Koalition aussteigen, denn bei den daraus
       resultierenden Neuwahlen würden die Liberalen ausgelöscht. Sie müssen bis
       2015 durchhalten und hoffen, dass sie sich bis dahin wieder aufrappeln.
       
       Die Chancen dafür stehen schlecht. Die Liberalen sind nicht mehr länger
       eine Partei für Proteststimmen, viele ihrer Wähler sind zu Labour
       zurückgekehrt. Doch für Labour reicht es nicht, die Regionen im Norden
       Englands zurückzugewinnen, wenn der Süden fest in Tory-Hand bleibt.
       
       Würden morgen Parlamentswahlen stattfinden, dann gewännen die Tories die
       absolute Mehrheit. Und wenn der SNP in Schottland das Kunststück gelingt,
       den Wählern die Unabhängigkeit schmackhaft zu machen, verliert Labour seine
       schottischen Abgeordneten. Damit wäre eine Tory-Regierung auf unabsehbare
       Zeit zementiert.
       
       8 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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