# taz.de -- die wahrheit: Knut bin Laden
       
       > Erst Knut und nun Osama bin Laden. Ich glaube, ich hab echt bald keine
       > Tränen mehr. Direkt vor unseren Augen hat sich Gott in einen blindwütigen
       > Teufel verwandelt,...
       
 (IMG) Bild: Haben mit al-Quaida nicht viel gemein: Taliban-Kämpfer geben ihre Waffen ab.
       
       ... der erst der gesamten Menschheit in die Fresse tritt, um anschließend
       noch weiter auf die am Boden Liegenden einzuprügeln. "W-A-R-U-M?", brennen
       sich fünf glühende Buchstaben, einem verspäteten Menetekel gleich, in vor
       Kummer schwarz gewordene Seelen. Der Maienhimmel verdüstert sich, plötzlich
       regnet und stürmt es bei weniger als dreizehn Grad. Unser aller Leben
       scheint schlagartig sinnlos geworden zu sein, der Frühling weicht der
       Nacht, die Liebe der Verzweiflung.
       
       "Wen will man uns jetzt noch nehmen?", fragen wir uns nach dem Verlust
       unserer Lieblinge, deren Ende so viele Ähnlichkeiten aufwies, dass es
       praktisch nur von einer Hand geplant und verursacht worden sein kann: So
       wurde der eine unter Verstoß gegen jegliches Völkerrecht von oben herab
       heimtückisch gekillt, der andere in seinem pakistanischen Gehege von
       eingeflogenen Wärtern erschossen. Die jeweiligen Treffer im Kopf waren am
       Ende tödlich.
       
       Auch schon zu Lebzeiten gab es jede Menge Parallelen zwischen den beiden
       fluffigen Graubärten. So planschten beide gern im Wasser, teilten eine
       Vorliebe für frischen Fisch und hatten eine fast schon pathologisch zu
       nennende Scheu vor dem weiblichen Geschlecht. Darüber hinaus einte sie eine
       tiefe Religiosität - oft meditierten sie stundenlang, auf einem Felsen in
       der Sonne liegend, brummend vor sich hin.
       
       Wie so oft hat das Böse gewonnen, und das Böse versteht bekanntlich zu
       feiern wie kein Zweiter: Im Fernsehen sieht man jubelnde Menschen in den
       Straßen von New York und Washington. Es sind exakt dieselben Szenen wie
       nach dem Tod des Eisbären, als hupende Konvois den Times Square
       verstopften. In wilder Freude verzerrte Fratzen tanzten da mit der
       Landesfahne in der Hand um ihre Autos herum, nur weil der deutschen Oma mit
       Dauerkarte für den Zoo der symbolische Todesstoß verpasst war. Dass dafür
       ein unschuldiger junger Bär sterben musste, der mit den Kriegsgräueln der
       Nazis wenig bis nichts am Hut hatte - Schwamm drüber! Dresden hat ihnen
       offenbar nicht genügt.
       
       Und Bagdad ebenfalls nicht. Nie hat man dem gemütlichen Zausel Osama die
       Zerstörung der Twin Towers vergessen, obwohl dieser die Aktion wenn auch
       nicht bereut, so doch immerhin längst zugegeben hat. Außerdem war er es gar
       nicht selber, sondern hat die Tat nur angeordnet. Das Land der unbegrenzten
       Möglichkeiten scheint vor allem auch das Land des unbegrenzten Nachtragens
       zu sein. Beleidigte Leberwurst an Schmollrand ist und bleibt der Renner im
       Restaurant von Uncle Sam.
       
       Nun sind sie beide tot: der freundliche Islamist wie der unfreundliche
       Eisbär. Es ist so ungerecht. Immer sind es die Besten, die früh gehen
       müssen. Als einziger Trost bleibt wohl nur die Vorstellung, wie sich Osama
       bin Laden auf einer Bank vor dem paradiesischen Eisbärengehege am Spiel der
       72 jungfräulichen Eisbären erfreut. Einer von ihnen ist selbstverständlich
       Knut.
       
       4 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uli Hannemann
       
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