# taz.de -- Menschenrechtsverletzungen in Russland: Moskau muss Sutjagin entschädigen
       
       > Der Europäische Menschengerichtshof hält das Verfahren gegen einen
       > russischen Wissenschaftler für unrechtmäßig. Nun könnte der Fall in
       > Russland neu aufgerollt werden.
       
 (IMG) Bild: Igor Sutjagin bei der Urteilsverkündung in Moskau im April 2004.
       
       BERLIN taz | Das gesamte Verfahren gegen den 2004 in Russland wegen
       "Geheimnisverrates" zu 15 Jahren verurteilten Wissenschaftler und
       Rüstungsexperten Igor Sutjagin war nicht rechtens, das Gericht sei nicht
       unabhängig und unparteiisch gewesen.
       
       Zu diesem Urteil kam am Dienstag der Europäische Menschengerichtshof in
       Straßburg. Das Gericht forderte Russland zu einer Zahlung von 20.000 Euro
       an Sutjagin auf. Dieser war im Juli 2010 nach 11 Jahren Freiheitsentzug im
       Tausch gegen in den USA enttarnte russische Spione aus der Haft nach
       Großbritannien entlassen worden.
       
       Sutjagin hatte stets seine Unschuld beteuert. Er habe immer nur aus
       öffentlich zugänglichen Quellen zitiert, so der Wissenschaftler, den die
       Menschenrechtsorganisation Amnesty International als Gewissensgefangenen
       anerkannt hatte. Gegenüber der taz zeigte sich Sutjagin zwar erfreut,
       bedauerte jedoch, dass dieses Urteil nur ihn beträfe. "Viel wichtiger wäre
       ein derartiger Urteilspruch für Valentin Danilow" sagte er. Auch Danilows
       Klage liege dem Straßburger Gericht schon lange vor.
       
       Der herzkranke Naturwissenschaftler war 2004 wegen Geheimnisverrats zu 14
       Jahren Haft verurteilt worden, nach Auffassung der russischen
       Menschenrechtlerinnen Ludmilla Alexejewa und Elena Bonner zu Unrecht.
       Derzeit verbüßt er seine Strafe in der Region Krasnojarsk.
       
       ## 2004 verurteilt
       
       Der 1999 vom russischen Inlandsgeheimdient FSB wegen des Verdachts auf
       Weitergabe von Staatsgeheimnissen verhaftete Igor Sutjagin war erst 2004
       verurteilt worden. Die beim Europäischen Menschengerichtshof in Straßburg
       eingereichte Klage hatte zunächst die lange Dauer der Untersuchungshaft
       moniert. Im Verlauf des Prozesses hatten die Straßburger Richter jedoch
       weitere Verletzungen der Europäischen Menschenrechtskonvention, wie die
       Einschränkung des Rechts auf Meinungsfreiheit, festgestellt.
       
       Auffallend an dem Straßburger Verfahren ist der Umstand, dass das Gericht
       erst 2008, neun Jahre nach Sutjagins Verhaftung und sechs Jahre nach
       Anrufung des Gerichts, den Fall zur Verhandlung angenommen hatte. Für
       Sutjagins Anwältin Anna Stawizkaja eröffnet das Urteil die Möglichkeit, den
       Fall erneut vor ein russisches Gericht zu bringen. Sollte Russland nicht
       innerhalb von drei Monaten klagen, sei Sutjagin berechtigt, den Fall neu
       aufrollen und das Urteil aufheben zu lassen.
       
       Sutjagin, der zu seiner Familie nach Russland zurückkehren möchte, sieht
       jedoch auch nach dem Urteil keinen Grund für eine zeitnahe Heimreise. "Ob
       ich zurückkehren kann, liegt an den dortigen Bedingungen" so Sutjagin zur
       taz. Er glaube kaum, dass sich diese Bedingungen durch das Urteil
       wesentlich geändert hätten.
       
       4 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Clasen
       
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