# taz.de -- Grün-rote Pläne für "Stuttgart 21": Der unverhoffte Verbündete
       
       > Rainer Stickelberger ist bald Justizminister unter Grün-Rot und einer der
       > wenigen "S-21"-Gegner in der SPD. Die Grünen freut es. Sie planen bereits
       > die Volksabstimmung.
       
 (IMG) Bild: Könnte eine große Rolle im Poker um "Stuttgart 21" spielen: Justizminister Rainer Stickelberger (SPD).
       
       STUTTGART taz | Die Hoheit über Stuttgart 21 war den
       baden-württembergischen Grünen in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD
       einiges wert. Der Preis für das Verkehrsministerium waren zwei
       Ministerposten und die Zuständigkeit für die Bildung. Ein Detail des
       Personaldeals wurde allerdings bisher nicht erwähnt: Ausgerechnet eine
       SPD-Personalie spielt den Grünen beim Bahnhofsstreit zusätzlich in die
       Hände.
       
       Der Sozialdemokrat Rainer Stickelberger soll im grün-roten Kabinett
       Justizminister werden. Entscheidend dabei: Er ist bekennender
       Stuttgart-21-Gegner - einer der wenigen in den Reihen der SPD-Fraktion, die
       das Projekt mehrheitlich befürwortet. Mit seiner neuen Aufgabe könnte er
       eine der zentralen Figuren im Kampf um den Bahnhof werden.
       
       Der 60-jährige Stickelberger galt von Anfang an als gesetzt für den Posten
       des Justizministers. Vor seiner Zeit als Landtagsabgeordneter war er
       Richter an Verwaltungsgerichten. In der SPD machte er sich einen Namen als
       rechtspolitischer Sprecher und Justiziar der Fraktion.
       
       ## Geplanter Dissens
       
       Als neuer Minister wird Stickelberger nicht nur derjenige sein, der
       zusammen mit dem designierten Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne)
       nach der Amtsübernahme sämtliche Verträge zu Stuttgart 21 durchleuchten
       wird. Es wird auch seine Aufgabe sein, bis spätestens Ende August das
       Ausstiegsgesetz zu formulieren. Denn über diesen Kniff soll die
       Volksabstimmung ermöglicht werden: Die grün-rote Landesregierung formuliert
       ein Ausstiegsgesetz aus Stuttgart 21, das dann mehrheitlich vom Parlament
       abgelehnt wird. Bei solch einem Dissens zwischen Regierung und Parlament
       sieht die Verfassung von Baden-Württemberg eine Volksabstimmung vor.
       
       Auch mit der Deutschen Bahn wird es noch wichtige Verhandlungen geben, bei
       denen der Justizminister mitmischen wird. Etwa wenn es um die Festlegung
       der möglichen Ausstiegskosten geht. Da gehen die Einschätzungen zwischen
       Projektgegnern und der Bahn weit auseinander.
       
       Stickelberger selbst äußert sich noch zurückhaltend zu dem brisanten Thema.
       Federführend sei bei Stuttgart 21 schließlich das Verkehrsministerium. "Ich
       habe aus meiner Position nie einen Hehl gemacht", sagte er am Freitag der
       taz. "Am Ende gilt aber: Ich bin in die Kabinettsdisziplin eingebunden."
       Wenn es um die Bewertung der Verträge und die Festlegung der
       Ausstiegskosten geht, will er gründlich vorgehen. "Da müssen belastbare
       Zahlen auf den Tisch", sagte Stickelberger.
       
       ## Stickelberger ist hoch willkommen
       
       Als am vergangenen Mittwoch das Kabinett vorgestellt wurde, traf
       Stickelberger erstmals persönlich auf seinen künftigen Ministerkollegen
       Hermann. Beide schüttelten sich die Hand und haben sich gleich
       ausgetauscht. "Ich glaube, wir kommen gut miteinander klar", so
       Stickelberger über seinen ersten Eindruck. "Uns verbindet beide eine
       gewisse Bodenhaftung."
       
       Auch Hermann begrüßt natürlich die Meinung Stickelbergers zu Stuttgart 21.
       "Es ist ein gutes Gefühl, wenn man weiß, dass der Justizminister Stuttgart
       21 nicht um jeden Preis will", sagte Hermann der taz. Dies sei wichtig für
       eine objektive Beurteilung der Verträge.
       
       Die SPD gibt sich gelassen bezüglich der Personalie. "Die Gretchenfrage,
       wie hältst dus mit Stuttgart 21, war für die Besetzung des Kabinetts nicht
       entscheidend", sagt der Generalsekretär der Landes-SPD, Peter Friedrich.
       Dass Stickelberger kein Verfechter des Tiefbahnhofs sei, "stärkt das
       Vertrauen in die Rechtschaffenheit". Und er hofft, dass es auch das
       Vertrauen der Grünen zur SPD in dieser Frage erhöhe.
       
       Unklar ist indes noch, welcher Sozialdemokrat den Platz im
       Lenkungsausschuss einnimmt. In diesem sitzen die Projektträger zusammen und
       beraten über Stuttgart 21. Anders als bisher werden darin für das Land
       nicht mehr nur der Ministerpräsident und der Verkehrsminister sitzen,
       sondern auch ein SPDler. Auch dies könnte Justizminister Stickelberger
       sein.
       
       6 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nadine Michel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Protest gegen Stuttgart 21: Alter Streit mit neuer Regierung
       
       Die Bahnhofs-Gegner rüsten zu neuen Protesten - erstmals unter der
       grün-roten Landesregierung. Neben einer Großdemonstration haben sie weitere
       Pläne.
       
 (DIR) Verzögerung beim Bau von Stuttgart 21: Ramsauer droht Grün-Rot
       
       Der Bau von Stuttgart 21 liegt weiterhin auf Eis. Das verärgert
       Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer. Er macht Grün-Rot Dampf - und
       kündigt bundesweite Streckenbauarbeiten an.
       
 (DIR) Landtag in Baden-Württemberg: CDU-Altlast wird neuer Präsident
       
       Der neue Landtag in Baden-Württemberg hat Willi Stächele zu seinem
       Präsidenten gewählt. Unter Mappus war er Finanzminister und am umstrittenen
       EnBW-Deal beteiligt.
       
 (DIR) Parteitage in Baden-Württemberg: Auf und nieder, immer wieder
       
       Die Grünen wollen auf ihrem Landesparteitag nicht diskutieren, sie wollen
       sich und ihren Frontmann feiern. Ähnlich harmonisch geht es bei der SPD zu.
       
 (DIR) Kommentar Baden-Württemberg: Die grüne Selbstbeschränkung
       
       Die Grünen haben der SPD im baden-württembergischen Kabinett alle
       Schlüsselressorts überlassen. Aber das ist keine Kapitulationserklärung.
       
 (DIR) Nach der Baden-Württemberg-Wahl: Super-Kretschmann
       
       Der Ministerpräsident in spe ist auf Bürgertour und wirbt für seine
       Politik. Doch war das Interesse an Landespolitik früher eher gering,
       steigen die Erwartungen nun rapide.
       
 (DIR) Grün-Rot in Baden-Württemberg: Meilenstein für Homopolitik
       
       Ehen auf dem Standesamt, Gleichstellung für Beamte, Aufklärung in der
       Schule. Grün-Rot holt für Schwule und Lesben nach, was die CDU versäumt
       hat.