# taz.de -- Fußball-Communities: Spieler shoppen ohne Reue
       
       > Podolski und Robben bei "Hinter Mailand" – in Online-Fußball-Communities
       > zocken Hunderttausende um den Titel. Solche Spiele stärken Kommunikation
       > und Beziehungen.
       
 (IMG) Bild: Millionen für teure Fußballspieler ausgeben – in der Simulation kostet das nichts.
       
       BERLIN taz | Plötzlich ist er mittendrin. Links und rechts preschen die
       pfeilschnellen Außen Lukas Podolski und Jefferson Farfan vorbei, in seinem
       Rücken dirigiert WM-Held Bastian Schweinsteiger als Stratege.
       
       Endlich tut sich die Gelegenheit auf, die Tony Janschke nicht bekommen hat,
       seitdem er im Spätherbst in einer Nacht-und-Nebel-Aktion von "Hellas
       Corona" zu "Hinter Mailand" transferiert worden war. Moment, Moment!
       "Hinter Hailand"? "Hellas Corona"? Und überhaupt: Podolski, Farfan und
       Schweinsteiger in einem Trikot?
       
       Da mag sich der geneigte Sportschau-Seher ungläubig die Augen reiben oder
       Janschke, die durchaus talentierte Mittelfeldhoffnung von Borussia
       Mönchengladbach, sich morgens im Bett verwundert schütteln, nachdem ihm
       Podolski & Co. als Mitspieler im Traum erschienen sind. In der virtuellen
       Welt sind solche Szenarien noch nicht einmal eine müde Randnotiz wert –
       genauer gesagt: in der Welt des Online-Fußball-Managers Comunio.
       
       Für Fabian Loschek sind solche Spielereien mittlerweile längst zum Alltag
       geworden. Sie sind sein Job. Vor elf Jahren hat der Münchener Comunio
       gegründet. Eine Plattform, auf der sich neben "Hinter Mailand" noch einige
       hunderttausend andere begeisterte User tummeln. Ihre Mission: das
       Management einer Fußball-Mannschaft. Aus dem Pool aller Bundesliga-Spieler
       eine imaginäre Mannschaft zu formen, die in einer selbst zusammengestellten
       Liga den größtmöglichen Erfolg verspricht – die Meisterschaft.
       
       ## Vorbild Baseball-Manager
       
       Täglich ist der An- und Verkauf der Robbens, Kloses und Podolskis möglich.
       Deren bewertete Einzelleistungen vom aktuellen Bundesliga-Wochenende bilden
       die Grundlage für das Online-Spiel. Eine simple Idee, auf die Loschek im
       Land der unbegrenzten Möglichkeiten gestoßen war: "Ich habe mitbekommen,
       dass Freunde von mir nach einem Amerika-Besuch über einen Baseball-Manager
       im Internet in Kontakt geblieben sind." Der Informatiker machte aus
       Baseball Fußball – und sich umgehend an die Arbeit. Spielkonzept,
       Regelwerk, Lizenzen, Aufmachung. Nach nur einem Monat ging Loschek mit
       einer Testversion zur Europameisterschaft im Sommer 2000 online.
       
       Seitdem hat sich eine rasend schnelle Entwicklung vollzogen. "Ich bin schon
       davon ausgegangen, dass es Anhänger findet", sagt der 33-Jährige, "aber mit
       so einer Popularität habe ich nicht gerechnet". Zwar veröffentlicht
       Comunio, mittlerweile ein Unternehmen mit zwei Dutzend Angestellten, keine
       Nutzerzahlen, dafür aber die Informationsgemeinschaft zur Feststellung der
       Verbreitung von Werbeträgern (IVW) Zugriffszahlen: Zum Start der laufenden
       Bundesliga-Saison wurde comunio.de über 231 Millionen Mal [1][aufgerufen] –
       allein im Monat September. [2][bundesliga.de], die offizielle Seite der
       Deutschen Fußball-Liga, hatte im April 2011 mit 152 Millionen Page
       Impressions [3][weniger Aufrufe].
       
       ## kicker-Managerspiel mit mehr als 200.000 Nutzern
       
       Dass das Phänomen Online-Bundesliga-Manager sich nicht allein auf Loscheks
       Plattform beschränkt, beweist der Blick auf die Konkurrenz: Auch der
       Urvater aller Managerspiele, das [4][kicker-Managerspiel], kommt in der
       interaktiven Bundesliga-Variante in der laufenden Saison auf mehr als
       200.000 Nutzer. "Online-Spiele wie Comunio ziehen so viele Nutzer dauerhaft
       in ihren Bann, weil sie ganz unterschiedliche Motive ansprechen. Ein Teil
       der Spieler wird sich in seiner Fußballexpertise beweisen wollen und
       versucht, es 'besser zu machen als der Magath'.
       
       Andere sind weniger fußballbegeistert, hat aber großen Spaß an
       wirtschaftlich-strategischem Planen, und wieder andere messen dem Thema
       Fußball große Bedeutung in ihrem Freundeskreis bei, so dass auch über
       Comunio die sozialen Beziehungen gelebt und gepflegt werden", sagt
       Christoph Klimmt, Kommunikationswissenschafts-Professor an der Hochschule
       für Musik, Theater und Medien in Hannover.
       
       ## "Leistung und Erfolg für männliche Spieler wichtig"
       
       Klimmt misst dem "Als-Ob-Rahmen" der Online-Manager eine große Bedeutung
       zu: Die Spieler verlieren allenfalls symbolisch, die Verantwortung für
       einen Millionen-Transfer dürfen im Offline-Leben gerne andere übernehmen.
       "Aus Studien mit anderen Computerspielen wissen wir, dass Leistung und
       Erfolg gerade für männliche Spieler besonders zentrale Motive sind",
       erklärt Klimmt.
       
       Das weiß auch Loschek nur zu gut. "Ab und an muss man die Leute daran
       erinnern, dass es nur ein Spiel ist." Beispiel gefällig? Nicht selten sei
       es vorgekommen, dass sich besonders ehrgeizige Nutzer mit ihren
       Spielerwünschen direkt an sein Büro gewandt hatten – inklusive des in der
       Branche üblichen Handgelds.
       
       ## Auch Nationalspieler Mats Hummels zockt mit
       
       Einer seiner treusten Kunden ist Loschek selbst. "In den ersten Jahren lief
       es ziemlich gut, mittlerweile habe ich abgebaut", beschreibt er die eigene
       Comunio-Vita. In der aktuellen Saison liegt er in einer Liga mit 18
       Freunden und Bekannten auf Platz vier. Noch. "Dritter, vielleicht sogar
       Zweiter möchte ich schon werden", sagt Loschek – jetzt nicht mehr als
       Geschäftsführer eines mittelständischen IT-Unternehmens, sondern als
       fachsimpelnder Fußballexperte. Klappt es nicht mit dem Titelgewinn, könnte
       er sich noch immer waschechten Expertenrat einholen. Zum Beispiel bei Mats
       Hummels.
       
       Der Nationalspieler Hummels führt die mannschaftsinterne Comunio-Liga bei
       Borussia Dortmund an, wie sein Innenverteidiger-Kollege Neven Subotic
       unlängst im Aktuellen Sportstudio nicht frei von Neid verkündete. Auch
       Fabian Loschek hat den Auftritt der beiden Bundesliga-Topstars der
       Dortmunder Borussia verfolgt. Und sich köstlich amüsiert. "Ich find's toll,
       dass sie mitspielen", sagt Loschek. Eine kritische Nachfrage aber sei
       gestattet: Hat Hummels sich etwa selbst gekauft?
       
       13 May 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://ausweisung.ivw-online.de/i.php?s=2&a=86523
 (DIR) [2] http://www.bundesliga.de/
 (DIR) [3] http://ausweisung.ivw-online.de/i.php?s=2&a=96340
 (DIR) [4] http://www.kicker.de/games/interactive/startseite/gamesstartseite.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Lüke
       
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