# taz.de -- Kohlendioxid-Lager vor Berlin möglich: Ein Endlager unter der Stadtgrenze
       
       > Vor den Toren Berlins könnte CO2 aus Kohlekraftwerken verpresst werden.
       > Bei den Anwohnern erwacht nun Widerstand, ein Gutachten warnt vor Folgen
       > für das Berliner Trinkwasser.
       
 (IMG) Bild: Greenpeace hat auch was gegen CCS: Aktion vorm Bundestag am Donnerstag.
       
       Eines der potenziellen Endlager für den Klimakiller Kohlendioxid liegt
       direkt vor den Toren Berlins. Ganz am nordöstlichen Rand, dort, wo die
       Gegend ländlich wird und die Häuser kleiner, liegt Lindenberg. Auf einer
       von Greenpeace herausgegebenen Karte, die bundesweit über 400 mögliche
       Endlager zeigt, ist hier nur ein kleiner orangefarbener Punkt zu sehen.
       Maximal 77,27 Millionen Tonnen CO2 könnte man hier im Erdboden lagern. Doch
       für die Lindenberger wäre jede Tonne eine zu viel.
       
       Carbon Dioxide Capture and Storage (CCS) heißt die Technologie, gegen die
       Anwohner in den Brandenburger Orten Beeskow und Neutrebbin schon seit
       Jahren protestieren. Das bei der Verstromung von Kohle entstehende
       Kohlendioxid soll abgetrennt und unterirdisch verpresst werden.
       Energiekonzerne wie Vattenfall hoffen, so die klimaschädliche
       Kohleverstromung etwas ökologischer zu machen.
       
       Doch das Konzept hat Haken. Zunächst einmal sinkt mit CCS der Wirkungsgrad
       eines Kraftwerks. Denn es muss mehr Energie produzieren, um das
       Kohlendioxid abzuscheiden und zu verpressen. Wodurch wiederum mehr CO2
       entsteht. Vor allem aber ist unklar, ob einmal verpresstes CO2 tatsächlich
       ewig im Gestein bleibt, wo es eingelagert wurde. Sollte es austreten, wäre
       das gefährlich: Das Gas ist geruchlos, aber in höheren Konzentrationen
       tödlich.
       
       Befürchtungen dieser Art sind es, die Gabriela Beege Ende April ins
       Lindenberger Rathaus trieben. Eine von den Brandenburger Grünen initiierte
       Bürgerversammlung hatte zum Protest gegen CCS aufgerufen. Obwohl die Karte
       der potenziellen Standorte seit Februar bekannt ist, erfuhr Beege erst
       durch die Einladung zur Versammlung, dass unter ihrem Haus CO2 verpresst
       werden könnte. Und die Nachbarn erfuhren es, weil Beege von Tür zu Tür ging
       und ihnen erzählte, dass Lindenberg auf der Liste steht.
       
       "Ich hoffe, dass wir die Technologie stoppen können, nicht nur für
       Lindenberg", sagt Beege. Sie wohnt rund 50 Meter von der Berliner
       Stadtgrenze entfernt, und wenn sie über die Gefahren spricht, nennt sie
       immer auch die Großstadt mit. Auch für die Bürgerinitiative, die sich
       mittlerweile gegründet hat, hofft Beege auf Unterstützer aus Berlin, etwa
       aus dem benachbarten Karow.
       
       "Es ist nicht auszuschließen, dass ein CO2-Speicher bis unter Berlin
       reicht", sagt Andreas Jarfe, Geschäftsführer des Umweltverband BUND Berlin.
       Denn anders als etwa ein Kornspeicher lasse sich im Gestein Gespeichertes
       nicht einfach so begrenzen.
       
       Doch auch sonst, sagt Jarfe, könne eine Speicherung Auswirkungen auf Berlin
       haben. Das geht auch aus einem Gutachten im Auftrag des Amts
       Barnim-Oderbruch hervor, das sich mit einer möglichen Speicherung am
       Standort Neutrebbin befasst. Durch die Verpressung könne Salzwasser aus
       tieferen Schichten hochgedrückt werden und ins Grundwasser laufen, heißt es
       in der Studie. Daher würden "die möglichen, von Neutrebbin ausgehenden
       Grundwasserversalzungen im Westen bis über das Stadtgebiet Berlins hinaus
       und im Osten bis weit in das Hoheitsgebiet der Republik Polen reichen".
       Neutrebbin liegt mit rund 50 Kilometer deutlich weiter von Berlin entfernt
       als Lindenberg.
       
       Es sind die Brandenburger Grünen, die gerade dazu beitragen, den Protest
       anzustoßen. Die Kreisverbände organisieren Bürgerversammlungen und auch mal
       eine Demo, wie in Panketal, dem Nachbarort von Lindenberg. "Wir
       unterstützen die Bürgerinitiativen vor Ort und machen auch selber
       Informationsveranstaltungen", sagt Annalena Baerbock, Landesvorsitzende der
       Brandenburger Grünen. Man verstehe sich als Informationsvermittler und
       Netzwerker.
       
       Das Bundeskabinett hat erst im April einen Gesetzentwurf zur
       CCS-Technologie beschlossen, am gestrigen Donnerstag wurde es in erster
       Lesung im Bundestag debattiert. Nötig geworden war das Gesetz, da ohne
       gesetzliche Grundlage überhaupt kein CO2 verpresst werden dürfte. In seiner
       derzeitigen Fassung gibt es den Bundesländern Ausstiegsmöglichkeiten: Sie
       könnten festlegen, dass die Speicherung in bestimmten Gebieten unzulässig
       ist.
       
       ## Rot-Rot für CCS
       
       Darauf können die Einwohner von Lindenberg nicht hoffen. Die Brandenburger
       Regierung aus SPD und Linkspartei hat sich in der Vergangenheit nicht nur
       für Strom aus Kohle, sondern auch für CCS ausgesprochen. Kurz nach dem
       Beschluss des Bundeskabinetts erklärte die Landesregierung sogar, den
       Gesetzentwurf eben wegen der Ausstiegsklausel abzulehnen. Denn die lasse
       befürchten, so Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linkspartei), dass
       sich einzelne Länder der Verantwortung entziehen könnten, einen Beitrag zum
       Klimaschutz zu leisten. Vor ihrer Regierungsbeteiligung hatte sich die
       Brandenburger Linkspartei noch für einen Ausstieg aus der Kohleverstromung
       eingesetzt.
       
       Es gibt noch mehr Orte in Brandenburg für eventuelle Endlager, die
       Greenpeace auf der Basis von Daten der Bundesanstalt für Geowissenschaften
       und Rohstoffe nennt. In Streganz bei Königs Wusterhausen. In Ketzin im
       Havelland. Und in Strausberg im Märkisch-Oderland.
       
       Gabriela Beege, die Lindenbergerin, erhofft sich jetzt eine Dynamik wie bei
       den Protesten gegen Stuttgart 21 oder die Flugrouten vom BBI. Allerdings,
       meint Beege, müssten dann auch die Berliner aufwachen. Und sich überlegen,
       ob sie künftig auf einem CO2-Endlager leben wollten.
       
       12 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Svenja Bergt
       
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