# taz.de -- FDP-Parteitag in Rostock: Ein Chef der Herzen
> Philipp Rösler umarmt in seiner ersten Rede als Parteichef alle: die
> vielen Wirtschaftsliberalen, die wenigen Bürgerrechtsliberalen und die
> Steuersenkungsfans.
(IMG) Bild: Die neue Hoffnung der FDP: Philipp Rösler auf dem Bundesparteitag in Rostock.
ROSTOCK taz | War es nicht niedlich? Der neue Vorsitzende der FDP hatte
nicht nur Ehefrau und Zwillingstöchter zu seiner ersten Rede als Parteichef
mitgebracht. Auch Mutter und Großmutter seiner Gattin waren dabei. Sie alle
fanden Erwähnung in Philipp Röslers einstündiger Parteitagsrede.
Der 38-Jährige begann seine Amtszeit als FDP-Vorsitzender mit einer
Charmeoffensive. Alle, wirklich alle sollen sich künftig vorstellen können,
die Freien Demokraten zu wählen. Es wird ja auch höchste Zeit.
In seiner gut einstündigen Rede mühte sich der tags zuvor mit 95 Prozent
der Stimmen gewählte Parteichef alles anders zu machen als sein
Amtsvorgänger. Wo Guido Westerwelle laut wurde, ließ Rösler seine Stimme
sinken. Wo der Ex-Vorsitzende schneidenden Witz offenbart hätte, zeigte
Rösler Selbstironie. Und wo Westerwelle „Mehr Netto vom Brutto“ forderte,
da sprach der Parteiliebling immer wieder von der Freiheit, die
scheibchenweise sterbe.
Das war ein Zitat des 1973 verstorbenen, linksliberalen FDP-Vordenkers und
Generalsekretärs Karl-Hermann Flach. Röslers neuer Kurs, sollte das heißen,
soll nicht bloß mithilfe eines sympathisch daher kommenden Frontmanns
verloren gegangene Sympathien zurückgewinnen. Sondern er steht auch in
einer langen freidemokratischen Tradition.
Dabei besteht der Wandel kaum in neuen Inhalten. Nur kurz gestand Rösler
ein, was Hauptgrund ist für die miserablen Umfragewerte unter 5 Prozent.
„Auch auf Druck des Koalitionspartners“, aber ebenso wegen anstehender
Landtagswahlen habe die FDP im vergangenen Jahr wichtige Entscheidungen
verzögert. Die Koalition habe so jene „enttäuscht, die von einer
bürgerlichen Koalition auch bürgerliche Politik erwartet haben“. Rösler
versprach: „Ab heute wird die FDP liefern.“
## Keinen Kurswechsel
Doch inhaltlich ändert sich am Kurs der FDP vorerst wenig. Auch der neue
Parteichef erklärte, zwar sei es „richtig, Steuermehreinnahmen zuerst in
die Haushaltskonsolidierung zu stecken“. Denn seine Partei habe aus dem
geplatzten Steuersenkungsversprechen gelernt: „Der richtige Zeitpunkt ist
entscheidend.“
Doch dank des wirtschaftlichen Aufschwungs würden „die wirtschaftlichen
Spielräume größer“. „Wir warten jetzt nur auf unseren Koalitionspartner.“
Rösler macht also nicht alles anders als Westerwelle. Er will aber weg vom
Image der FDP als Hort des fröhlichen Egoismus. Neben das lange
dominierende Steuerthema stellt der neue Frontmann daher auch in seiner
Rede die Bereiche Bildung, Pflege und Bürokratieabbau.
Die Partei werde sich künftig „konzentrieren auf die Alltagssorgen ganz
normaler Menschen in Deutschland“: Die „Durchlässigkeit zwischen den
Bundesländern“ beim Schulwechsel solle besser werden, Kleingewerblern
müssten unnötige bürokratische Hürden aus dem Weg geräumt werden.
## Mit Grün nichts am Hut
Beim Atomausstieg müssten die Freidemokraten die „Stimme der Vernunft“
sein, die die Kosten der verschiedenen Ausstiegsszenarien benennen. Die
Delegierten stritten später über einen Antrag, der festlegen sollte, wie
schnell die Partei die Atomenergie hinter sich lassen will.
Am Sonntag wollen die Delegierten einen Leitantrag verabschieden, der es
Bund und Ländern wieder erlauben soll, bei der Finanzierung von
Bildungsangeboten zusammen zu arbeiten. Das ist seit einer
Grundgesetzänderung vor wenigen Jahren verboten.
Mit einigen Seitenhieben versah der Redner die ärgste politische
Konkurrenz: „Manch einer behauptet ja, die Grünen wären liberal“, sagte
Rösler. Das stimme nicht. Im Gegenteil wollten „Gutmenschen“ wie die
Grünen-Vorsitzende Claudia Roth, den Bürgern sogar vorzuschreiben, was
diese zu essen hätten. Niemand sei im Besitz der letzten, reinen Wahrheit,
auch nicht die Grünen. Die FDP wolle „niemals eine grüne Partei sein“.
## Ein "Ja" zur EU
Antieuropäische Ressentiments werde die FDP, anders als viele sich liberal
nennende Parteien in Europa, nicht bedienen: „Solange ich
Bundesvorsitzender bin gibt es ein Bekenntnis der Freien Demokratischen
Partei zum großen Projekt Europa.“
Liberale müssten Bürger nicht nur vor dem Staat, sondern auch vor der Macht
global agierender Konzerne wie Apple, Sony oder Facebook schützen, die
gezielt Benutzerdaten sammelten. Auch sei die Wiedereinführung von
Grenzkontrollen, wie sie Dänemark einführen will und die auch Bayerns CSU
fordert, mit der FDP nicht zu machen.
Die Rede bedachten die Delegierten schließlich mit minutenlangem Applaus im
Stehen. Die gesamte Führungsriege versammelte sich auf dem Podium zum
fotogerechten Gruppenbild inklusive Klatschen, Lächeln und Umarmung. Rösler
stand ganz vorne, Westerwelle am Rand.
14 May 2011
## AUTOREN
(DIR) Matthias Lohre
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