# taz.de -- Rechter Aufmarsch in Berlin-Kreuzberg: Der Mob im Multikultikiez
       
       > Rechtsextreme sind in Kreuzberg auf Passanten losgegangen. Dabei spielte
       > die Polizei eine fragwürdige Rolle: Sie hatte den Aufmarsch geheim
       > gehalten und die Lage nicht im Griff.
       
 (IMG) Bild: Berlin empört sich über den NPD-Aufmarsch in Kreuzberg.
       
       BERLIN taz | Sitzblockierer, die von Nazigruppen überrannt, getreten und
       geschlagen wurden. Rechte, die auf unbeteiligte, migrantisch aussehende
       Passanten losgehen. Es habe regelrechte Jagdszenen gegeben, berichten
       Augenzeugen. Das alles spielte sich mitten in Berlin ab, in einem
       Stadtteil, den Touristen wegen seines Multikulti-Images ansteuern: in
       Kreuzberg. Der von der NPD angemeldete Aufmarsch von rund 120
       Rechtsextremen, die am Samstag durch Kreuzberg zogen, sorgt in der
       Hauptstadt für Empörung.
       
       Politiker der Opposition und der rot-roten Regierungskoalition fordern nun
       Aufklärung, insbesondere über die Rolle der Polizei. Denn bis zum Schluss
       hatten die Beamten den geplanten Marsch der Rechten und dessen Route geheim
       gehalten. Dennoch gelang es etwa 500 GegendemonstrantInnen, mobilisiert von
       Antifaschistischer Linken, der Ver.di-Jugend und der Vereinigung der
       Verfolgten des Naziregimes, den Aufmarsch zu blockieren. Dabei kam es zu
       den brutalen Ausschreitungen.
       
       ## "Sie schlugen uns auf Kopf, Beine und Rücken"
       
       Ursprünglich sollte der Aufmarsch der Nazis unter dem zynischen Motto
       "Wahrheit macht frei - für die Erfassung der Nationalität bei Straftaten"
       von einer zentralen Kreuzung im Kreuzberger Osten bis vor das
       Polizeipräsidium am ehemaligen Flughafen Tempelhof ziehen, wo eine
       Kundgebung stattfinden sollte. Doch die Blockade der GegendemonstrantInnen
       stoppte die Rechtsextremen an der U-Bahnhaltestelle, an der sie sich
       versammelten. Dort sei es "etwa 50 durch die Blockade extrem wütenden
       Nazis" gelungen, durch den U-Bahnhof die Polizeisperre zwischen Demo und
       Gegendemo zu umgehen und mitten unter die Blockierer zu gelangen, so Lars
       Laumeyer von der Antifaschistischen Linken Berlin.
       
       "Sie liefen über uns hinweg, traten und schlugen uns auf Kopf, Beine und
       Rücken", berichtet ein Teilnehmer der Gegendemo. Er leidet unter Prellungen
       und einer großen Platzwunde im Gesicht. Viel zu spät habe die Polizei
       eingegriffen, so der Verletzte: Trotz der Bitten einer unbeteiligten Zeugin
       hätten sich Beamte zudem geweigert, Sanitäter für Verletzte zu holen. Er
       und weitere Opfer wollen nun Anzeige erstatten - auch gegen die Polizei.
       
       600 Beamte seien bei der Demo im Einsatz gewesen, heißt es in der
       Pressemitteilung der Berliner Polizei. Bei dem Versuch, die Teilnehmer des
       "angemeldeten Aufzugs aus der rechtsextremen Szene" durch den U-Bahnhof aus
       dem Blockadebereich herauszuführen, hätten diese die Polizeikräfte an der
       Spitze des Aufzugs überrannt und "für kurze Zeit unbegleitet die
       Oberfläche" erreicht. Dort sei es zu Übergriffen gekommen, die "aber
       schnell unterbunden werden" konnten. Die Bilanz: 36 verletzte
       PolizistInnen. Über verletzte DemoteilnehmerInnen konnte die Polizei keine
       Auskunft geben.
       
       ## "Das ist nicht hinnehmbar"
       
       Die Polizei habe sich von den Rechten "reinlegen lassen", so Laumeyer: "Sie
       hatte das Geschehen nicht im Griff." Auch Dirk Behrendt, innenpolitischer
       Sprecher der Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, zeigte sich
       schockiert über das Verhalten der Polizei. Die habe mit ihrer Geheimhaltung
       "in Kauf genommen, dass Unbeteiligte verletzt wurden. Das ist nicht
       hinnehmbar", so Behrendt.
       
       Auch aus der Linkspartei, Koalitionspartnerin der SPD in der Hauptstadt,
       kommt Kritik an der Polizei: Man werde deren Vorgehen im Innenausschuss
       thematisieren, kündigte Linken-Fraktionschef Udo Wolf an. Innensenator
       Ehrhart Körting (SPD), oberster Dienstherr der Berliner Polizei,
       kritisierte "das erschreckende Maß an brutaler Gewalt" der Rechten. Eine
       solche Demonstration falle nicht mehr unter den grundrechtlichen Schutz der
       Versammlungsfreiheit.
       
       Hilmi Kaya Turan, Sprecher des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg, mahnt:
       Solange Populismus gegen MigrantInnen nicht gesellschaftlich geächtet
       werde, würde "neonazistisches Gedankengut" gestärkt werden.
       
       16 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alke Wierth
       
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