# taz.de -- Gewalt gegen Frauen in Haiti: Mit der Rasierklinge durch die Zeltwand
       
       > In den nach dem Erdbeben eingerichteten Notunterkünften werden Tausende
       > Frauen vergewaltigt. Ermittlungen der Polizei haben die Täter meist nicht
       > zu fürchten.
       
 (IMG) Bild: Flüchtlinghslager in Port-au-Prince. Viele Frauen werden in solchen Notunterkünften Opfer sexueller Gewalt.
       
       KINGSTON taz | Guerline wurde von mehreren Männern vergewaltigt. Sie lebte
       bereits mehrere Wochen in einem Obdachlosenlager auf dem Place Mausolée in
       der Nähe des bei dem schweren Erdbeben im Januar vergangenen Jahres
       zusammengestürzten haitianischen Justizministeriums. Ihre 13 Jahre alte
       Tochter wurde in derselben Nacht von vier Männern missbraucht.
       
       "Das geschah um 2 Uhr. (…) Sie sagten mir, wenn ich darüber spreche, würden
       sie mich umbringen", erzählte die Frau Monate später Rechercheuren von
       Amnesty International. Hilfsorganisationen gehen davon aus, dass in den
       Übergangslagern der Erdbebenopfer in den vergangenen 16 Monaten mehrere
       tausend Vergewaltigungen stattgefunden haben.
       
       Noch immer leben fast 700.000 Menschen in der Erdbebenregion in
       provisorischen Zeltlagern. Die Methoden der Vergewaltiger sind immer wieder
       die selben. Sie zwingen die Frauen mitzukommen, oder sie zerschneiden mit
       Rasierklingen die dünnen Zeltwände, um in die Schlafräume zu gelangen, hat
       die Frauenselbsthilfeorganisation "Weibliche Opfer stehen auf"
       herausgefunden.
       
       Besonders junge Mädchen werden in den unübersichtlichen Lagern Opfer von
       sexueller Gewalt, hat die die Internationale Organisation für Migration
       (IOM) in einem jetzt in Haiti veröffentlichten Bericht über Fälle von
       "sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt" festgestellt. Grundlage sind
       Dokumentationen von Hilfsorganisationen, Polizeiberichte und Befragungen
       von Betroffenen durch Frauengruppen. Nach Informationen der Internationalen
       Organisation für Migration wurden seit Januar 2011 mindestens 400 Kinder
       verschleppt, die Hälfte davon sei sexuell missbraucht worden, betont die
       IOM.
       
       "Das Erdbeben hat die bereits bestehenden Missstände in Haiti noch
       verstärkt. Die IOM arbeitet mit seinen lokalen Partnern, um zu verhindern,
       dass es eine weitere Generation von Frauen und Mädchen gibt, die zu Opfer
       werden in einer Situation, in denen sie dicht an dicht in überfüllten,
       unhygienischen und schlecht beleuchteten Lagern leben", sagt der IOM-Chef
       in Haiti, Luca DallOglio. Unter anderem will die IOM Gelder für die bessere
       Beleuchtung der Lager zur Verfügung stellen.
       
       In vielen Zeltstädten haben haitianische Frauengruppen sich selbst
       organisiert und halten Nachtwachen. Aber die größte Schwierigkeit ist, dass
       es innerhalb der Polizei wenig Sensibilität gebe, beklagen IOM und
       Menschenrechtsorganisationen. Vergewaltigung ist in Haiti erst seit 2005
       strafbar. Immer wieder erleben Frauen, dass ihre Anzeigen nicht aufgenommen
       werden oder nach den Tätern nicht gefahndet wird.
       
       18 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hans-Ulrich Dillmann
       
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