# taz.de -- Ausschreitungen in Belgrad: Randale für den Volkshelden
       
       > Serbische Nationalisten demonstrieren gewaltsam gegen die Festnahme des
       > mutmaßlichen Kriegsverbrechers Ratko Mladic. Dabei werden Dutzende
       > Menschen verletzt.
       
 (IMG) Bild: Proteste von serbischen Nationalisten in Belgrad.
       
       BELGRAD taz | "Hoch lebe Ratko Mladic", "Mladic ist ein Volksheld",
       "Verräter" schallte es Sonntagnacht durch das Zentrum Belgrads. Sirenen
       heulten, Sondereinheiten der Polizei, die von Hooligans mit Schlagstöcken
       und Steinen angegriffen wurden, hetzten durch die Stadt. Dutzende Menschen
       wurden verletzt - darunter 21 Polizisten - hunderte verhaftet, unter ihnen
       34 Minderjährige. Schaufenster wurden zerschlagen und Mülltonnen in Brand
       gesetzt.
       
       Randale und Straßenschlachten mit der Polizei betrachten manche serbische
       Jugendliche als eine Art Extremsport. Jeder Anlass für Krawalle ist
       willkommen, damit die jungen Menschen ihren Nationalismus austoben können.
       Diesmal war es die Kundgebung der ultranationalistischen "Serbischen
       Radikalen Partei" (SRS) gegen die Verhaftung von Ratko Mladic vor dem
       Parlament in Belgrad. Spätestens bis zum Wochenende soll Mladic an das
       UNO-Tribunal in Den Haag überstellt werden.
       
       Obwohl die serbischen Sicherheitsdienste längst national-extremistische
       Gruppen identifiziert haben, viele ihrer Mitglieder vorbestraft sind und
       ihre Anführer auch präventiv in Haft genommen werden, schafft es die
       Polizei nicht Ausschreitungen ganz zu verhindern, sondern nur in Grenzen zu
       halten. Es seien einfach zu viele, klagt die Polizei, außerdem kämen sie
       grundsätzlich mit zu milden Strafen davon.
       
       Laut einer Meinungsumfrage von vor zwei Wochen sind 51 Prozent der Bürger
       Serbiens gegen eine Verhaftung und Überstellung von Ratko Mladic an das
       UNO-Tribunal. "Ja, ja, man weiß schon, Srebrenica und Genozid. Aber
       irgendwie tut es mir leid wegen des Generals, er hat das serbische Volk
       verteidigt", ist oft zu hören. Dererlei Äusserungen sind eine Folge des
       Umstandes, dass der Prozeß der Vergangenheitsbewältigung in Serbien bislang
       nicht stattgefunden hat.
       
       Seine letzten Tage in Serbien gestaltete sich der mutmaßliche
       Kriegsverbrecher Ratko Mladic unterdessen möglichst angenehm. Während er
       auf seine Überstellung nach Den Haag wartet, kam das Sondergericht für
       Kriegsverbrechen in Belgrad einigen seiner Wünsche nach. Mladic wollte
       Erdbeeren - und bekam sie. Er wollte die Werke russischer Literaten wie
       Nikolaj Gogol lesen - sie wurden gebracht. Er wollte Frau Bosiljka und Sohn
       Darko sehen - sie kamen. Mladic will auch das Grab seine Tochter Ana
       besuchen, die sich umgebracht haben soll. Auch das wird erwogen. Und seine
       Rente soll er wieder erhalten. Serbiens Gesundheitsminister Zoran Stankovic
       besuchte Mladic im Gefängnis. Als Pathologe hatte Stankovic Mladics Tochter
       obduziert. Er gilt als einer der letzten Menschen, die offiziell Kontakt zu
       Mladic gehabt haben.
       
       Die unzähligen Glückwünsche aus aller Welt für die Festnahme von Mladic
       bringen Serbiens Präsidenten Boris Tadic und der proeuropäischen Regierung
       innenpolitisch bislang gar nichts. Im Gegenteil. "Wir werden deshalb
       wahrscheinlich die Parlamentswahlen im Frühjahr verlieren", erklärte
       Arbeits- und Sozialminister Rasim Ljajic.
       
       30 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andrej Ivanji
       
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