# taz.de -- Lebensgefährlicher Erreger: 17. Todesfall durch Ehec
       
       > In der Nacht zum Donnerstag starb eine 81-jährige Frau an den Folgen der
       > Infektion mit dem Ehec-Erreger. Damit steigt die Zahl der Todesfälle in
       > Deutschland auf 17.
       
 (IMG) Bild: Waffe im Kampf gegen den Ehec-Erreger: Desinfektionsmittel.
       
       BERLIN/HAMBURG dapd/dpa | Einen Monat nach dem Ehec-Ausbruch gibt es immer
       noch keinerlei Hinweise auf die Übertragungswege des gefährlichen
       Darmkeims. Die Weltgesundheitsorganisation erklärte am Donnerstag,
       verantwortlich für die Erkrankungen sei ein ganz neuer Stamm von E.
       coli-Bakterien. Die Zahl der Ehec-Fälle steigt derweil rapide. Bundesweit
       starben mittlerweile 17 Menschen; an dem Hämolytisch-Urämischen Syndrom
       (HUS) sind fast 500 Personen erkrankt. Politiker bezeichneten die Situation
       als besorgniserregend. Die EU-Kommission hob unterdessen die europaweite
       Warnung vor spanischen Gurken auf. Russland verbot indes die Einfuhr von
       Gemüse aus der gesamten EU.
       
       Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) sagte in Berlin, leider sei
       die Botschaft weiterhin, dass "die genaue Ursache des Geschehens noch nicht
       eingegrenzt werden konnte". Bei Patientenbefragungen seien Tomaten, Gurken
       und Blattsalate, die in Norddeutschland verzehrt wurden, "auffällig in der
       Schnittmenge" gewesen.
       
       Die spanischen Gurken trügen "nicht den eigentlichen Erreger", erklärte
       Aigner - nämlich das Bakterium vom Stamm O104:H4. Nach Hunderten von Proben
       seien sich die Experten noch nicht einmal sicher, ob überhaupt ein
       Agrarprodukt für die Infektionen verantwortlich gemacht werden könne. Denn
       der Erreger kann auch bei Transport, Verladung und Verpackung auf die Ware
       gelangt sein.
       
       Anfang Mai war nach Angaben des Robert-Koch-Instituts der erste HUS-Fall
       registriert worden. Mittlerweile verzeichnen einzelne Bundesländer wie
       Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen eine rasante Zunahme der
       Infektionsfälle. Die anfängliche Vermutung, dass Salatgurken vom Hamburger
       Großmarkt für die Erkrankungen verantwortlich sind, bestätigte sich nicht.
       Der Stamm sei bei keiner der vier untersuchten Gurken nachgewiesen worden,
       sagte ein Sprecher des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR).
       
       ## Extrem schwerer Verlauf der Erkrankungen
       
       Andreas Samann vom Institut für Hygiene und Umwelt in Hamburg machte wenig
       Hoffnung, dass die Quelle des Darmkeims rasch entdeckt werde. In fast 80
       Prozent aller Fälle weltweit finde man den Erreger nicht, erklärte er bei
       einer öffentlichen Sitzung im Ernährungsausschuss des Bundestages. Ähnlich
       sieht das auch BfR-Präsident Andreas Hensel: "In der Mehrzahl aller
       Ausbruchsgeschehen wird das Agens nicht isoliert", sagte er.
       
       Sorgen bereitete Medizinern der schwere Verlauf, den die Infektion bei
       einigen Patienten nimmt. Der Direktor der Medizinischen Klinik I am UKSH-
       Standort Lübeck, Hendrik Lehnert, sagte, bei der Hälfte aller HUS-Patienten
       am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein träten neurologische
       Komplikationen auf. "Wir beobachten unerwartete Krankheitsverläufe, die wir
       bisher nicht kannten", sagte Lehnert in Kiel. Die Störungen auf der Ebene
       des Gehirns würden etwa drei bis vier Tage nach Beginn des HU-Syndroms
       auftreten. Sie reichten von milderen Symptomen wie Kopfschmerzen bis hin zu
       Sprachstörungen und Epilepsien.
       
       Unterdessen erwägt die spanische Regierung rechtliche Schritte gegen die
       Hamburger Behörden, die im Zusammenhang mit Ehec vor Gemüse aus dem Land
       gewarnt hatten. Die EU-Kommission hob ihre Warnung vor spanischen Gurken
       auf und erklärte, Tests hätten ergeben, dass diese nicht für die
       Ehec-Erkrankungen in Deutschland und anderen Ländern verantwortlich seien.
       Russland, in dem seit Montag bereits ein Einfuhrverbot für Gemüse aus
       Spanien und Deutschland galt, weitete dieses Verbot auf Gemüse aus der
       gesamten EU aus.
       
       Das Bundesverbraucherministerium hingegen verteidigte die Warnung vor
       spanischen Gurken. Die Hamburger Behörden hätten gemäß geltender
       Vorschriften gehandelt, sagte Ministeriumssprecher Holger Eichele in
       Berlin.
       
       ## Hohe Umsatz-Einbußen für deutsche Gemüsebauern
       
       Die Angst vor rohem Gemüse sorgt bei den deutschen Bauern für
       Umsatz-Einbrüche in Millionenhöhe. "Unsere Gemüsebauern haben jetzt einen
       Schaden von 30 Millionen Euro", sagte Bauernpräsident Gerd Sonnleitner dem
       Fernsehsender N24. Er kritisierte, dass sich die Experten bei der Suche
       nach dem Ehec-Keim zu einseitig auf Gemüse festgelegt hätten, anstatt auch
       an anderen Stellen danach zu suchen.
       
       Eine Forsa-Umfrage ergab, dass jeder zweite Bundesbürger wegen Ehec seine
       Ernährung umgestellt hat und derzeit auf rohe Tomaten, Salatgurken und
       Blattsalate verzichtet.
       
       ## Zahl der Todesopfer in Deutschland auf 17 gestiegen
       
       Die Zahl der am Darmbakterium Ehec gestorbenen Menschen in Deutschland ist
       auf 17 gestiegen. Eine 81 Jahre alte Frau starb in der Nacht zum Donnerstag
       im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) an den Folgen der
       Infektion, sagte der Nierenspezialist Prof. Rolf Stahl am Donnerstag. In
       Hamburg ist es der dritte Todesfall.
       
       In Berlin sind seit Mittwoch keine neuen Erkrankungsfälle mit dem Darmkeim
       Ehec bekanntgeworden. Weiterhin seien 25 Personen erkrankt, sagte die
       Sprecherin der Senatsverwaltung für Gesundheit, Regina Kneiding, am
       Donnerstag. Die Zahl der Menschen, die nachweislich oder wahrscheinlich von
       der besonders schweren Folgeerkrankung HUS betroffen sind, liegt wie am
       Mittwoch bis zwölf. In mehr als der Hälfte der Fälle gebe es eine
       Verbindung zu Norddeutschland, wo die Erreger verstärkt auftreten. "Die
       Quelle muss wohl im Norden liegen", sagte sie. Erkrankt seien überwiegend
       Frauen.
       
       Kneiding zufolge ist die Warnung vor dem Verzehr von rohem Gemüse wie
       Salate, Gurken und Tomaten immer noch gültig. In jedem Fall müsse aber das
       Gemüse gründlich gewaschen werden. Auch solle auf nicht pasteurisierte
       Rohmilch verzichtet werden.
       
       ## Ausbreitung in Europa
       
       Die Gesundheitsbehörden in Dänemark und Schweden melden rückläufige Zahlen
       bei den Infektionen mit dem Darmbakterium Ehec. Nach Angaben aus Stockholm
       von Donnerstag sind bisher 46 Schweden erkrankt. Im Krankenhaus der
       Kleinstadt Borås war eine Frau Anfang der Woche gestorben.
       
       Die Zahl der Infektionen in Dänemark gab das Kopenhagener Seruminstitut mit
       17 an. So gut wie alle Infizierten seien kurz vor ihrer Erkrankung in
       Deutschland gewesen. "Die Entwicklung ist jetzt ziemlich friedlich", sagte
       der Institutssprecher Kåre Mølbak der Nachrichenagentur Ritzau.
       
       In Norwegen hat es bis zum Donnerstag eine nachgewiesene Infektion gegeben.
       
       Nachdem zunächst nur Deutsche in Großbritannien betroffen waren, sind dort
       nun drei britische Staatsangehörige an Ehec erkrankt. Alle drei hätten sich
       die Infektion vermutlich in Deutschland zugezogen und sie mit nach Hause
       gebracht, teilte die britische Gesundheitsbehörde am Donnerstag in London
       mit. Insgesamt gibt es damit sieben Fälle von Ehec auf der Insel - die vier
       weiteren sind deutsche Staatsbürger. Drei der sieben Betroffenen haben den
       Behörden zufolge die lebensgefährlichen Symptome entwickelt. Sie waren alle
       zum Arzt gegangen, wo die Infektion festgestellt worden war. Die Behörde
       rät Reisenden nach Deutschland, dort keine rohen Gurken, Tomaten oder Salat
       zu essen.
       
       2 Jun 2011
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kommentar Ehec: Erste Lehren aus Ehec
       
       Auf die Einrichtung eines Krisenstabs oder wenigstens einer Hotline wartet
       man bisher vergeblich. Der Kampf gegen hartnäckige Keime ist aber ein
       Wettlauf mit der Zeit.
       
 (DIR) Hamburger Kliniken droht Notstand: "Schönes Plasma"
       
       Um einen vom HUS-Syndrom betroffenen Patienten zu therapieren, werden 100
       Plasma-SpenderInnen gebraucht. In Hamburg melden sich nach einem Aufruf
       hunderte Freiwillige.
       
 (DIR) Ehec-Erreger: Auf erfolgloser Suche
       
       Gesundheitsminister Bahr räumt Versorgungsengpässe durch den Ehec-Erreger
       ein. In Hamburg will er die Uni-Klinik Eppendorf besuchen. Für Mittwoch ist
       ein Krisengipfel geplant.
       
 (DIR) Spanische Gemüsewirtschaft nach Ehec: Zerstörte Existenzen
       
       Nach den Falschmeldungen der Hamburger Gesundheitsbehörde ist der Markt für
       spanisches Gemüse zusammengebrochen. Angeblich beträgt der Schaden 200
       Millionen Euro – pro Woche.
       
 (DIR) Russischer Importstopp wegen Ehec: Wohl Verstoß gegen WTO-Regeln
       
       Der von Russland verhängte Importstopp für europäisches Gemüse könnte den
       Regeln der Welthandelsorganisation widersprechen. Der Gurken-Falschmeldung
       könnten EU-Entschädigungen folgen.
       
 (DIR) Kommentar Ehec-Maßnahmen: Im Zweifel für den Verbraucher
       
       Die Gemüsebauern dürfen keinen Ehec-bedingten Schadenersatz bekommen –
       sonst wird in Zukunft nie wieder vor potenziell gefährlichen Produkten
       gewarnt.
       
 (DIR) Ausbreitung des Bakteriums: Ehec wird europäisches Problem
       
       Die EU warnt nicht mehr vor spanischen Gurken. Gleichzeitig schnellen die
       Ehec-Zahlen in die Höhe und der Erreger breitet sich in Europa aus. Die
       Quelle der Infektion bleibt im Dunkeln.
       
 (DIR) Vegetarierbund-Frau über Ehec: "Schuld ist wieder der Fleischkonsum"
       
       Das Problem der Ehec-Bakterien rührt aus der Tierhaltung für die
       Fleischindustrie, sagt Veganerin Silke Bott. Sie rät, weiter Obst und
       Gemüse zu essen, nachdem man es gründlich gewaschen hat.
       
 (DIR) Gefährlicher Darmkeim: Ehec-Erreger breitet sich rapide aus
       
       Die Quelle des Ehec-Erregers ist noch immer nicht gefunden und die Zahl der
       Erkrankungen steigt stark an. Experten haben wenig Hofffnungen, die Quelle
       des Darmkeims schnell zu finden.
       
 (DIR) Spanien erwägt Schadensersatzforderungen: "Das Bakterium ist nicht in Spanien"
       
       Die Ehec-Quelle liegt nun wieder völlig im Dunkeln. Die spanische Regierung
       will jetzt Schadensersatz für ihre Landwirte. Ilse Aigner nimmt die
       Hamburger Gesundheitsbehörde in Schutz.
       
 (DIR) Kolumne Meer: Salat macht schwach
       
       Männer essen Hack, Frauen essen Salat. Ob das grüne Zeug gesund ist, weiß
       kaum jemand. Salat macht schlank, schwach und zementiert
       Geschlechterrollen.