# taz.de -- Europa mauert weiter: EU-Neulinge bleiben draußen
       
       > Beim Innenministstertreffen blockieren Deutschland, Frankreich und die
       > Niederlande den Beitritt Rumäniens und Bulgariens zum Schengenraum.
       
 (IMG) Bild: Ein Posten der rumänischen Grenzpolizei kontrolliert die Grenze zur Republik Moldau.
       
       BRÜSSEL taz | Bulgarien und Rumänien bleiben EU-Länder zweiter Klasse.
       Trotz grünen Lichts aus dem Europaparlament können die beiden Balkanländer
       nicht mit einem raschen Beitritt zum Schengenraum und der damit verbundenen
       Aufhebung der Grenzkontrollen rechnen. Deutschland, Frankreich und die
       Niederlande blockierten am Donnerstag beim Treffen der EU-Innenminister in
       Luxemburg die lang ersehnte Öffnung. Sie verhinderten auch, dass ein neues
       Zieldatum für den Beitritt genannt wurde.
       
       Ursprünglich sollten die Schlagbäume in Bulgarien und Rumänien bereits im
       März fallen. Nun dürfte es wohl 2012 werden - oder noch später. Für einen
       raschen Beitritt zur Schengenzone hatte sich vor allem Ungarn starkgemacht,
       das seit Januar den halbjährlich wechselnden EU-Vorsitz führt. Auch die
       EU-Kommission setzte sich für den Beitritt ein. "Beide Länder haben sehr
       viele Fortschritte gemacht und erfüllen die technischen Kriterien", sagte
       EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström.
       
       Unterstützung erhielten die ehemaligen Ostblockländer am Mittwoch auch vom
       Europaparlament, das sich mit großer Mehrheit für einen Schengen-Beitritt
       aussprach. Die Bulgaren und Rumänen sollten als vollwertige EU-Mitglieder
       angesehen und nicht zu "Geiseln populistischer Reden" gemacht werden,
       mahnte der Berichterstatter des Parlaments, der portugiesische
       Christdemokrat Carlos Coelho. Parlamentspräsident Jerzy Buzek rief die
       EU-Staaten auf, der Empfehlung zu folgen und grünes Licht für den Beitritt
       der beiden südosteuropäischen Länder zum Schengenraum zu geben.
       
       Doch die Innenminister in Luxemburg ignorierten diesen Appell. "Wir
       brauchen für einen Beschluss Einstimmigkeit, und die haben wir heute
       nicht", sagte der belgische Staatssekretär Melchior Wathelet. Vor allem
       Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich und sein französischer Amtskollege
       Claude Guéant traten auf die Bremse. Wie bei früheren Diskussionen über
       Bulgarien und Rumänien stimmten sie ihre Positionen ab und forderten einen
       neuen Prüfbericht der EU-Kommission. Die beiden Balkanländer hätten noch
       nicht genug Fortschritte beim Kampf gegen Korruption und organisiertes
       Verbrechen gemacht, hieß es.
       
       ## Eklat beim EU-Gipfel
       
       Tatsächlich rügt die Kommission regelmäßig rechtstaatliche Defizite in
       beiden Ländern. Ursprünglich sollten diese Probleme bereits beim
       EU-Beitritt am 1. Januar 2007 gelöst sein. Wegen der schleppenden
       Fortschritte hat Kommissionschef José Manuel Barroso Reformen in beiden
       Ländern zur Chefsache gemacht.
       
       Allerdings gehören Korruptionsbekämpfung und Rechtsstaatlichkeit nicht zu
       den Kriterien für den Beitritt zum Schengenraum. Dies seien politische
       Erwägungen, betonte die sozialistische Europaabgeordnete Sylvie Guillaume.
       Sie plötzlich in die Debatte einzuführen, liefe darauf hinaus, ein
       Zweiklassensystem einzuführen. Ähnlich argumentierten Grüne und Linke im
       EU-Parlament. Ihrer Meinung nach hat die Blockade der Innenminister mehr
       mit Innenpolitik und Populismus als mit objektiver Bewertung beider Länder
       zu tun.
       
       Besonders deutlich ist dies in Frankreich und in den Niederlanden. In Den
       Haag wird die rechtsliberale Regierung vom Populisten Geert Wilders
       geduldet, der bei jeder Gelegenheit gegen Ausländer Stimmung macht. In
       Paris versuchte Präsident Nicolas Sarkozy erst vor einem Jahr, mit der
       Ausweisung von Roma nach Rumänien und Bulgarien gegen den wieder
       erstarkenden Front National zu punkten. Erst ein Eklat beim EU-Gipfel und
       eine Rüge der EU-Kommission bewegten Sarkozy zur Umkehr.
       
       In Deutschland ist die Motivlage nicht so einfach. Aber auch
       Bundesinnenminister Friedrich hört in der Ausländerpolitik gern auf "Volkes
       Stimme". In der Debatte über die Aufnahme von Bootsflüchtlingen aus Afrika
       fährt der CSU-Politiker eine harte Linie. Im Streit über die
       Wiedereinführung von Grenzkontrollen in Dänemark hingegen gibt er sich
       betont liberal. "Wir können es nicht akzeptieren, dass die
       Schengen-Reisefreiheit auf kaltem Weg und indirekt unterlaufen wird", sagte
       der Minister gestern beim Treffen der EU-Innenminister in Luxemburg. Mit
       anderen Worten: Die Dänen sollen drinnen, Bulgaren und Rumänien hingegen
       draußen bleiben.
       
       9 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gert Stuby
       
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