# taz.de -- Polen übernimmt EU-Ratspräsidentschaft: "Wir sind Europa"
       
       > Polen hat sich für in Europa viel vorgenommen: Die militärische und
       > energiepolitische Sicherheit hat Priorität. Ungarns Erbe halten Experten
       > für so schlecht nicht.
       
 (IMG) Bild: Übergabe der EU-Flagge: Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán (l.) und sein polnischer Amtskollege Donald Tusk am 1. Juli in Warschau.
       
       WARSCHAU taz | Polen feiert begeistert die Übernahme der
       EU-Ratspräsidentschaft. "Ab heute sind wir Europa!", titelt Polens
       bedeutendste Tageszeitung Gazeta Wyborcza. "Polen führt die Union" und
       "Polen regiert ab heute mit der Europäischen Union", legen die
       konservativen Blätter Rzeczpospolita und Polska nach. Der EU-Enthusiasmus
       in Polen ist mit 83 Prozent Zustimmung zur EU-Mitgliedschaft so hoch wie
       nie zuvor. Obwohl mit der Euro- und Griechenlandkrise schwer zu lösende
       Probleme anstehen, ist Polens Premier zuversichtlich, die EU in den
       nächsten sechs Monaten wieder auf Wachstumskurs bringen zu können. "Wir
       wollen zur treibenden Kraft Europas werden", kündigte Donald Tusk in
       Warschau an.
       
       "Unser Erfolg hängt aber auch von den anderen EU-Mitgliedern ab", schränkt
       Agnieszka Lada, Europa-Expertin im Warschauer Institut für Öffentliche
       Angelegenheiten, ein. Die Zeitungstitel suggerierten eine Machtfülle, die
       seit dem Lissabon-Vertrag kein Land mehr habe, das den Vorsitz im Rat der
       Europäischen Union übernehme. Mit Herman Van Rompuy habe die EU einen
       ständigen Ratspräsidenten und mit Lady Catherine Ashton eine
       Außenministerin. "Unsere Rolle wird eher die des Moderators und
       Koordinators sein", so Lada. "Je besser und verantwortungsvoller wir diese
       Aufgabe angehen, umso erfolgreicher wird unsere Präsidentschaft."
       
       Ungarns Premier Viktor Orban wirkte nervös, als er in Warschau den
       symbolischen Stab, eine Europafahne, und zur Feier des Tages auch ein
       Fässchen Tokajer übergab. "Die Ratspräsidentschaft Ungarns begann fatal mit
       dem zensurähnliche Mediengesetz", stellt Lada fest. Die ganze EU habe von
       Januar bis Juni 2011 nur noch auf die innere Entwicklung Ungarns geschaut,
       so dass die durchaus beachtlichen Ergebnisse der ungarischen
       Ratspräsidentschaft untergegangen seien.
       
       ## "Wir treten kein schlechtes Erbe an"
       
       Immerhin sei der arabische Frühling in die Zeit der ungarischen
       Präsidentschaft gefallen, die Griechenland- und Euro-Krise, die teilweise
       Aussetzung des Schengen-Abkommens und Verhaftung vieler Oppositioneller in
       Weißrussland. Darauf habe die EU reagieren müssen. "Die Konferenzen und
       Gipfel hat Budapest organisiert und geleitet. Zudem konnten die
       Beitrittsverhandlungen mit Kroatien abgeschlossen werden. Auch das ist ein
       Erfolg", wertet die EU-Expertin. "Wir treten also gar kein so schlechtes
       Erbe an."
       
       Polen hofft, die Ratifizierung des Beitrittsvertrages Kroatiens in den
       nächsten sechs Monaten beenden zu können. Zudem sollen die
       EU-Beitritts-Verhandlungen mit Island und der Türkei fortgesetzt sowie
       Beitrittsgespräche mit Serbien aufgenommen werden. Für September plant
       Polens Regierung einen Gipfel zur Östlichen Partnerschaft in Warschau.
       Diese Initiative, die Polen mit Schweden 2008 aus der Taufe hob, soll die
       Ukraine, Georgien, Moldawien, Weißrussland, Armenien und Aserbaidschan
       durch die Unterstützung demokratischer und wirtschaftlicher Reformen
       stärker an die EU binden.
       
       Neben der EU-Erweiterung und der "Östlichen Partnerschaft" steht noch die
       militärische und energiepolitische Sicherheit der EU ganz oben auf
       Prioritätenliste. So will Warschau erreichen, dass künftig nicht mehr jedes
       EU-Land mit Öl- und Gaslieferländern wie Russland verhandelt, sondern diese
       Aufgabe vom Energie-Kommissar für alle oder einen großen Teil der
       EU-Mitglieder übernommen wird. Damit soll die Öl- und Gas-Abhängigkeit von
       Russland gemindert werden. Agnieszka Lada hält diese Ziele für
       "ambitioniert, aber realistisch".
       
       Polens Regierungschef Tusk forderte die EU-Mitglieder denn auch schon am
       ersten Tag der polnischen Präsidentschaft zu mehr Solidarität auf.
       Angesichts der Wirtschaftskrise und einer erneuten und wachsenden
       Europaskepsis solle die europäische Solidarität mehr als nur ein Slogan
       sein. So sollte Griechenland nicht nur mit Geld und neuen Krediten geholfen
       werden. Vielmehr müsse die EU auch dafür sorgen, dass die griechische
       Wirtschaft eine Chance bekomme, wieder auf die Füße zu kommen.
       
       3 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gabriele Lesser
       
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