# taz.de -- Autonome über die Legitimität von Gewalt: "Militanz muss vermittelbar sein"
       
       > Autos anzünden ist legitimer Widerstand, sagen Mitorganisatoren des
       > "Kongress für Autonome Politik". In Nischen will man aber nicht verharren
       > – man will sich wieder mehr in Bündnisse einbringen.
       
 (IMG) Bild: Klarer Dresscode: Autonome, hier als Teil der Gegendemo zum Dresdner Naziaufmarsch im Februar.
       
       taz: Köln gilt nicht gerade als Mekka der autonomen Szene. Was hat Sie
       bewogen, ausgerechnet hier Ihren [1]["Kongress für Autonome Politik"]
       stattfinden zu lassen? 
       
       Lutz: Es stimmt schon, dass Köln jetzt nicht einen so starken Zulauf in der
       autonomen Szene hat. Aber wir haben uns ganz bewusst dazu entschieden, das
       mal nicht in Hamburg oder Berlin zu machen. Nachdem Ende März die Räumung
       des Autonomen Zentrums verhindert werden konnte, kam die Idee, hier die
       KölnerInnen auch mit einem größeren Kongress ein bisschen zu unterstützen.
       
       Im Kongressaufruf heißt es, es bedürfte "eines Abgleichs unserer
       Lebensverhältnisse und unserer häufig als unzureichend empfundenen
       politischen Denkmuster und Auseinandersetzungsformen" mit den bestehenden
       Verhältnissen. Soll jetzt Schluss sein mit militantem Gehabe im schwarzen
       Vermummungschick? 
       
       Nadja: Das ist eine Fehlinterpretation. Die schwarze Kleidung hat ja einen
       konkreten Zweck, der nicht plötzlich weggebrochen ist. Auf Demonstrationen,
       wo alles von der Polizei abgefilmt wird, schützt eine einheitliche
       Kleidung.
       
       Die Autonome Szene wird also nicht endlich bunter? 
       
       Lutz: Wir sind uns durchaus bewusst, dass ein eher ähnliches Aussehen nicht
       für jede Situation sinnvoll ist. Das muss ein zielgerichtetes Mittel sein.
       Natürlich wäre es unsinnig, auf einer Mieterversammlung als schwarzer Block
       aufzutauchen und sich dadurch künstlich von anderen abzugrenzen.
       
       Okay, das Erscheinungsbild ist es nicht. Was empfinden Sie dann alles als
       unzureichend an sich? 
       
       Lutz: Unsere Reaktionsmuster auf das, was an sehr aggressivem Umbauprozess
       gerade stattfindet, empfinde ich als nicht ausreichend. Ich glaube,
       Autonome müssen sich stärker ins Spiel einmischen, anstatt häufig eine
       Politik vom "Spielfeldrand" aus zu betreiben. Freiräume sind wichtig, aber
       eine ganz dringende Forderung an die autonome Bewegung ist: Raus aus den
       Nischen! Sie muss sich auf die Suche nach einer neuen Form der
       Kollektivität machen, die notwendig ist, um gesellschaftliche
       Kräfteverhältnisse zu verändern.
       
       Peter: Es geht darum, dass wir mehr auf die Problematiken eingehen, die in
       der Gesellschaft relevant sind, und uns in radikal bestimmten Bündnissen
       stärker in soziale Kämpfe einbringen.
       
       Wollen Sie bald auch bei Protesten wie gegen Stuttgart 21 mitmischen? 
       
       Lutz: Ich finde es tatsächlich interessant, zu schauen, wo beim Protest
       gegen Stuttgart 21 Schnittstellen für eine gemeinsame Kritik sind. Da
       können sich sehr wohl Leute aus dem linksradikalen Spektrum einmischen, und
       einige tun das ja auch bereits. Das ist jedenfalls kein Thema, wo man sich
       raushalten sollte, weil es vermeintlich bürgerlich besetzt ist.
       
       Nadja: Im Prinzip geht es um eine Praxis, wie sie seit Jahrzehnten im
       Wendland praktiziert wird. Da gibt es die Sitzblockaden, total gut und
       erfolgreich, aber eben auch erfolgreiche militante Aktionen wie die
       Sabotage von Gleisanlagen. Es geht nicht darum, in breiten Bündnissen zu
       propagieren, dass Militanz das Nonplusultra ist, sondern zu vermitteln,
       dass Widerstand vielfältig sein muss, um erfolgreich sein zu können.
       
       In Ihrem Kongressprogramm heißt es: "Wir stehen dazu – Militanz". Was ist
       darunter zu verstehen? 
       
       Lutz: Es geht um eine Besinnung darauf, dass Militanz dringend notwendig
       ist – nicht aus einem Fetisch oder aus einem Gestus heraus. Die aktuellen
       Auseinandersetzungen in Griechenland bestätigen unsere Erfahrung: Ohne die
       Militanz auf der Straße kann nicht genug Druck aufgebaut werden.
       
       Peter: Militanz ist für uns allerdings nicht nur eine
       Auseinandersetzungsform, sondern eine unversöhnliche Haltung auch im
       Alltag. Sich der Fahrkartenkontrolle in der Bahn zu widersetzen, kann
       beispielsweise auch eine militante Haltung zeigen.
       
       Wie weit darf die Militanz bei Ihnen denn gehen? 
       
       Nadja: Eigentlich rechtfertigt die Gewalt eines Systems, das über Leichen
       geht, jede Form von Widerstand. Es gibt allerdings die stille Übereinkunft
       der Nichtgefährdung von Unbeteiligten; wir nehmen also nicht den Tod von
       Menschen in Kauf.
       
       Warum haben Sie für Ihre Militanz-Diskussion auf dem Kongress Regeln
       aufgestellt? Es soll "im Passiv" und "im Konjunktiv" geredet sowie lieber
       im Allgemeinen geblieben werden. 
       
       Lutz: Das sind keine Regeln, sondern eher Tipps, wie man überhaupt eine
       Sache diskutierbar machen kann, die eigentlich ein hohes Maß an Anonymität
       braucht. Es ist eine schwierige Debatte. Man sollte nicht Leute, die
       vielleicht unbedarft in eine solche Diskussion hineingehen, Fehler machen
       lassen, die eine Repression zur Folge haben könnten.
       
       Nadja: Wir werden hier nicht nur unter uns sein, da braucht man sich nichts
       vorzumachen. Natürlich gibt es ein Interesse vom Verfassungsschutz oder den
       Polizeibehörden, irgendwas mitzukriegen. Entsprechend werden Leute von
       denen hier sein. Die wird man auch nicht entdecken. Damit muss man leben.
       
       Über das Autoabfackeln in Berlin wird hier also nur sehr abstrakt geredet
       werden? 
       
       Nadja: Genau.
       
       Lutz: Aber man kann das schon bewerten. Grundsätzlich würde ich sagen, dass
       das Anzünden von Autos durchaus ein legitimes Mittel ist, in der
       Gentrifizierungsdebatte einen zugespitzten Beitrag zu liefern.
       
       Peter: Allerdings gibt es auch gerechtfertigte Kritik, beispielsweise falls
       auch Kleinwagen in Mitleidenschaft gezogen werden.
       
       Ob Groß- oder Kleinwagen: Autobrände sind in der breiten Öffentlichkeit
       negativ konnotiert. Der Bündnisfähigkeit der Autonomen dürften sie nicht
       unbedingt dienlich sein. 
       
       Lutz: Militante Aktionen müssen vermittelbar sein. Autobrände, die als
       ungezielt wahrgenommen werden, sind das nicht – aber brennende
       Militärfahrzeuge durchaus.
       
       17 Jun 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://autonomepolitik.blogsport.de/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Pascal Beucker
       
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