# taz.de -- Debatte Energiewende: Die 3,5-Cent-Falle
       
       > Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist der Schlüssel zum erfolgreichen
       > Atomausstieg. Doch die schwarz-gelbe Regierung stellt die Weichen in die
       > falsche Richtung.
       
 (IMG) Bild: Heftige Kürzungen: Die noch vor kurzem so heftig boomende Photovoltaik muss jetzt Einbrüche verkraften.
       
       Atom durch Kohle und Gas ersetzen, Riesen-Offshore-Parks bauen und dann
       beschleunigt Nord-Süd-Trassen aufstellen, die den Strom nach Süddeutschland
       schaffen: das scheinen die Prioritäten der Bundesregierung in Sachen
       Energiewende zu sein.
       
       Dafür sprechen die Anpassungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG): Die
       Vergütung für Wind an Land wird stärker abgesenkt als geplant, der
       Systemdienstleistungsbonus fällt ganz weg. Offshore dagegen bekommt mehr
       Geld und wird als Priorität verkauft. Wer den dezentralen und
       kostengünstigen Ausbau der Windenergie im Süden, in Baden-Württemberg,
       Bayern und Hessen als große Chance sah, reibt sich die Augen. Auch die im
       letzten Jahr boomende Photovoltaik (PV) wurde bereits so heftig gekürzt,
       dass der Zubau im ersten Halbjahr 2011 völlig eingebrochen ist.
       
       Beschleunigte Energiewende? Fehlanzeige. Schon die Vorgabe "35 Prozent
       Erneuerbare bis 2020" erstaunt, ist doch das Ausbauziel mit und ohne
       Atomenergie gleich geblieben. Noch erstaunlicher: Merkel verkündete, dass
       die EEG-Umlage nicht über 3,5 Cent steigen darf. Dabei ist die
       Ausgestaltung des EEG für das Gelingen des Atomausstiegs wesentlicher als
       alles Gerede vom epochalen Ereignis Fukushima.
       
       ## Zentral oder dezentral?
       
       Das EEG ist der Schlüssel zur Energiewende. Hier werden Preissignale
       gesetzt, die entscheiden, welche Erneuerbaren wie schnell wachsen können,
       zentral oder dezentral. Die Offshore-Strategie der Bundesregierung scheint
       dabei eine Art Kompensation für den Atomausstieg zu sein, ein Zuckerl für
       die großen Konzerne, die sich bereits die meisten Standorte und Projekte
       gesichert haben. Weite Teile der Medien finden dies schlüssig - immerhin
       wehe der Wind auf See kräftiger. Dass Windenergie in Baden-Württemberg
       wesentlich günstiger ist als in der Nordsee, hat sich noch kaum
       rumgesprochen. Noch weniger ist bekannt, dass die Photovoltaik eine Chance
       bietet für eine neue, dezentrale Netz- und Produzentenstruktur.
       
       Immerhin geht es jenseits des abstrakten Kilowattstundenpreises darum, wer
       die Märkte beherrscht. Aber die Erneuerbaren werden vor allem immer noch
       als teuer wahrgenommen, die EEG-Umlage gilt als Gradmesser: Steigt sie
       rasant an, heißen die Erneuerbaren Preistreiber. Auch in der taz las man
       schon, der Sonnenstrom fresse uns die Haare vom Kopf, 140 Euro mehr müssten
       wir zu Hause für die Erneuerbaren im Jahr hinblättern.
       
       Das ist schon deswegen falsch, weil die Kosten der Energiewende die Kosten
       der schmutzigen Energien Kohle und Atom sind. Ihre Kilowattstunden haben
       eben keinen längerfristigen ökonomischen Wert, weil sie nicht nachhaltig
       sind.
       
       Die EEG-Horrorrechnungen sind aber auch fachlich falsch. Die angeblichen
       Mehrkosten pro Haushalt sind nämlich plump die EEG-Umlage, multipliziert
       mit den verbrauchten Kilowattstunden. Dabei ist diese Umlage lediglich eine
       technische Berechnungsgrundlage für Netzbetreiber, aber kein präziser
       Indikator für damit verbundene Strompreiserhöhungen. Unser Strompreis zu
       Hause wäre im Jahr 2011 eben nicht 3,5 Cent billiger, wenn es die Förderung
       der Erneuerbaren nicht geben würde. Die Preisbildung auf dem deutschen
       Strommarkt ist schon etwas komplexer.
       
       ## Verbrauchsspitzen rasieren
       
       Matthias Kurth, Präsident der Netzagentur, hat immer wieder erklärt, dass
       die Steigerungen von Anfang des Jahres nicht mit der EEG-Umlage zu erklären
       waren, sondern damit, dass preisdämpfende Faktoren von den Konzernen nicht
       an Kunden weitergegeben wurden. Denn die zunehmende Menge an erneuerbarer
       Energie bewirkt zeitweise sinkende Großhandelspreise, weil teurere
       Kraftwerke aus dem Markt gedrängt werden.
       
       Selbst RWE musste vor seinen Aktionären bekennen, dass die Erlöse gesunken
       seien, weil die Börsenpreise fielen. Ausdrücklich wurde als Grund die
       Photovoltaik genannt, die zu Spitzenlastzeiten einspeist. Gerade im Mai
       2011 hat die PV eindrucksvoll gezeigt, dass sie Verbrauchsspitzen rasiert.
       
       ## Netzbetreiber haben kein Interesse an hohen Erlösen
       
       Diese Differenzierungen helfen im Mediengetöse nichts: Die Erneuerbaren
       sitzen in der 3,5-Cent-Kommunikationsfalle. Dabei bedeuten in der
       theoretischen Welt der Berechnung Preissenkungen an der Strombörse sogar
       eine höhere EEG-Umlage, weil die sogenannten Differenzkosten zur Vergütung
       höher sind. Da wird nämlich der Börsenpreis mit der Höhe der
       Einspeisevergütung verglichen. Die Netzbetreiber haben dabei kein eigenes
       Interesse an hohen Verkaufserlösen des EEG-Stroms, da sie die höheren
       Kosten über die Umlage bequem durchreichen können.
       
       Und die Konzerne haben auch kein Interesse an der Speicherung erneuerbaren
       Stroms: Noch haben diese keinen Speichervorrang. Es kann also sein, dass
       Windstrom vom Netz genommen werden muss, weil keine Pumpspeicherkapazitäten
       frei sind. Die Stromkonzerne veredeln nämlich immer noch Atom- und
       Kohlestrom, um ihn als teure Spitzenlast zu verkaufen. Deshalb bedeutet
       Speicherbau nicht automatisch Speicherung von erneuerbaren Energien.
       
       Hier steckt ein weiteres Kommunikationsproblem, da den Erneuerbaren häufig
       die hohen Kosten der Netzintegration einseitig angelastet werden. Wind- und
       Sonnenstrom seien nur mit riesigen und teuren Trassen einzubinden, da
       dezentrale Speicher zu teuer seien, heißt es. Dahinter schwelt der Streit
       zwischen zentraler und dezentraler Netz- und Speicherarchitektur. Natürlich
       können PV und Wind auch im großen Stil intelligenter in das Netz
       eingebettet werden. Oder besser gesagt: in regionale Netze. Stichworte sind
       regionale Wertschöpfung mit erneuerbaren Kombikraftwerken, dezentralen
       Speichern und solider Selbstvermarktung.
       
       Gerade diese regionale Wertschöpfung hat zahlreiche positive Effekte, die
       beim Starren auf die EEG-Umlage regelmäßig unter den Tisch fallen. Das wird
       für jede künftige Regierung zum Problem, spätestens bei der nächsten
       Vergütungsdebattte. Denn in wenigen Jahren schon wird deutlich werden, dass
       die EEG-Umlage nicht mehr als Indikator für die wahren Kosten der
       Erneuerbaren taugt; insbesondere wenn sie den Strombörsenpreis noch stärker
       drücken als schon jetzt.
       
       22 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Unfried
       
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