# taz.de -- Kommentar Ai Weiwei: Politik statt Recht
       
       > Die Freilassung Ai Weiweis ist eine gute Nachricht. Jetzt ist es aber
       > dringend notwendig, genau hinzuschauen, was mit ihm weiter passiert.
       
       Ai Weiwei, der chinesische Aktionskünstler und Regierungskritiker, ist am
       Mittwochabend Pekinger Zeit freigelassen worden. Er musste, wie die
       staatlich kontrollierte Agenur Xinhua berichtete, eine Kaution hinterlegen.
       Dies sei durch sein Geständnis ermöglicht worden, Steuern hinterzogen zu
       haben.
       
       Die Entscheidung der Polizei sei auch der Tatsache zu verdanken, dass Ai
       Weiwei "sich gut geführt habe und chronisch krank" sei. Der Künstler habe
       sich bereit erklärt, Steuern nachzuzahlen, hieß es. Dies ist der vorläufige
       Höhepunkt einer rechtlichen Farce, die offenbart, wie willkürlich Chinas
       Mächtige mit dem Gesetz und mit ihren Untertanen umgehen.
       
       Ai Weiwei war am 3. April auf dem Flughafen festgenommen worden und
       verschwand zunächst spurlos. Seine Familie wurde wochenlang nicht über sein
       Schicksal informiert. Anwälte durften nicht zu ihm. Die Buchhalterin seiner
       Firma und mehrere Freunde und Mitarbeiter wurden ebenfalls an einen
       unbekannten Ort verschleppt. Die chinesische Polizei hielt sich nicht an
       gesetzliche Fristen oder interpretierte das Gesetz nach Lust und Laune um.
       
       Eine formale Anklage scheint bis Mittwoch noch nicht erhoben worden zu
       sein. Statt dessen verkündete die Polizei über die Medien, er habe ein
       Geständnis abgelegt. Die Firma "Fake Cultural Development", die er
       kontrolliere, habe "vorsätzlich Buchhaltungsunterlagen vernichtet", so
       Xinhua. Dies alles legt den Verdacht nahe, dass es nicht um Recht, sondern
       um Politik geht. Ai ist ein unbequemer Mann, der jede Gelegenheit benutzte,
       der KP unerwünschte Wahrheiten zu sagen.
       
       Chinas Image im Ausland wurde einmal mehr durch den Fall Ai Weiwei schwer
       beschädigt. Nun scheinen Mächtige in der KP zurückzurudern. Premier Wen
       Jiabao reist an diesem Wochenende nach Europa. Womöglich wollte er sich das
       ständige Nachfragen nach dem Schicksal des Künstlers ersparen. Möglich ist
       auch, dass sich Kräfte der Vernunft innerhalb der Partei gegen Hardliner
       durchsetzen konnten.
       
       Nun wird sich zeigen, ob er wirklich freikommt, oder ob sie Ai Weiwei mit
       der Entlassung auf Kaution eine Brücke bauen, ins Ausland zu gehen. Vor
       seiner Festnahme hatte Ai erklärt, er plane ein zweites Atelier in Berlin.
       
       An diesem Wochenende müsste auch der bekannte Bürgerrechtler Hu Jia nach
       über drei Jahren aus der Haft entlassen werden. Seine Frau und seine
       Freunde fürchten, dass er im Hausarrest landet, obwohl Hu Jia seine Strafe
       vollständig verbüßt hat. So erging es jedenfalls vielen anderen angeblich
       freigelassenen Aktivisten.
       
       Die Freilassung Ai Weiweis ist eine gute Nachricht. Jetzt ist es dringend
       notwendig, genau hinzuschauen, was mit ihm weiter passiert.
       
       22 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jutta Lietsch
       
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