# taz.de -- Twittereintrag von Ai WeiWei am 3. 6. 2009: Den 4. Juni nicht vergessen
       
       > Der verschleppte chinesische Künstler Ai Weiwei wird noch immer an einem
       > geheimen Ort gefangen gehalten. 2009 twitterte er zum Jahrestag des
       > Massakers auf dem Tiananmenplatz.
       
 (IMG) Bild: Tausende gedenken in Hongkong des 22. Jahrestages des Massakers auf dem Tiananmenplatz.
       
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       Lasst uns den 4. Juni vergessen, diesen Tag, der keine besondere Bedeutung
       hat. Das Leben hat uns gelehrt: In einem totalitären Regime sind alle Tage
       gleich, alle totalitären Tage sind ein einziger Tag, es gibt keinen Tag
       Zwei, kein Gestern und kein Morgen.
       
       Weil das so ist, brauchen wir nur das Kontinuum und keine speziellen
       Abschnitte der Wirklichkeit, keine Phasen der Gerechtigkeit oder
       Gleichheit.
       
       Menschen ohne Redefreiheit, ohne Pressefreiheit und ohne Wahlrecht sind
       keine Menschen und brauchen kein Gedächtnis. Wenn wir aber kein Recht auf
       ein Gedächtnis haben, wählen wir das Vergessen.
       
       Lasst uns jede Verfolgung, jede Demütigung, jedes Massaker, jede
       Vertuschung, jede Lüge, jedes Versagen und jeden Toten vergessen, alles,
       was in der Erinnerung schmerzen könnte, und lasst uns immer auch gleich
       vergessen, dass wir etwas vergessen. Alles geht mit rechten Dingen zu, so
       dass sie uns auslachen, als seien sie unbescholtene, anständige Herren.
       
       Vergessen wir die Soldaten, die auf Zivilisten geschossen haben, die
       Panzer, die mit ihren Ketten die Körper der Studenten zermalmt haben, die
       Kugeln, die durch die Straßen geflogen sind, und das Blutvergießen, die
       Stadt und den Platz, wo keine Tränen vergossen wurden. Vergessen wir die
       endlosen Lügen und die Machthaber, die auf unserem Vergessen bestehen,
       vergessen wir ihre Schwäche, ihre Tücke und ihre Unfähigkeit. Ihr werdet
       sie bestimmt vergessen, man muss sie vergessen, sie können nur existieren,
       wenn man sie vergisst. Um überleben zu können, lasst uns vergessen.
       
       ## Ai Weiweis Blog und einige seiner Tweets werden am 25. Juli diesen
       Jahres in deutscher Übersetzung unter dem Titel beim Verlag Galiani Berlin
       erscheinen. Der Text wird Teil der Ausgabe sein.
       
       6 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ai Weiwei
       
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