# taz.de -- Kommentar Linkspartei: Alte Debatte, verpasste Chance
       
       > Die aktuelle Israel-Debatte der Linkspartei offenbart die innere
       > Zerrissenheit der Partei. Das Thema wäre eine Debatte wert - allerdings
       > nicht die Art, wie sie geführt wird.
       
       Die Frage, welche Kritik an Israel aus deutscher Sichtweise legitim ist,
       ist nicht neu. Sie wurde in den letzten vierzig Jahren in der
       bundesdeutschen Linken mit heiligem Ernst debattiert. Freundschaften sind
       zerbrochen, es gab wütende Parteiaustritte, donnernde Polemiken.
       
       Die Debatte wurde so schroff geführt, weil es um Identitätsfragen geht.
       Dabei braucht man nicht viel Scharfsinn, um zu begreifen, was Deutsche
       besser lassen sollten. Weder philosemitische Überidentifikation mit Israel
       noch geschichtsvergessene Dauerkritik, die sich aus dem verstaubten Arsenal
       des Antiimperialismus bedient, sind angemessen. Die narzisstisch
       aufgeladenen linken Israel-Debatten zeigen, dass es katastrophal ist,
       ausgerechnet den Nahostkonflikt zur Projektionsfläche anderer Kämpfe zu
       machen.
       
       Diese Trennschärfe ist das Mindeste, was man verlangen muss. Insofern
       offenbart die Israel-Debatte der Linkspartei den kläglichen inneren Zustand
       der Fraktion. Vor allem der linke Flügel hat auf Gysis Versuch, die Grenzen
       der Israel-Kritik zu ziehen, mit haarsträubenden Unterstellungen reagiert.
       Die Pragmatiker würden die Schoah benutzen, um die Linkspartei
       regierungstauglich zu machen und die eigenen Reihen zu disziplinieren, hieß
       es dort. Daran ist alles falsch - vor allem von Regierungstauglichkeit kann
       bei der Linkspartei im Bund derzeit keine Rede sein.
       
       Kein Missverständnis: Blamabel ist nicht nur der sektiererhafte Auftritt
       des altlinken Flügels, blamabel ist auch die moralbewehrte Arroganz der
       Konkurrenz, die, von Union bis zu den Grünen, der Linkspartei
       Antisemitismus unterstellt. Die Linkspartei hatte die Chance, eine
       Nahost-Debatte zu führen, die auch für das Publikum interessant hätte sein
       können. Stattdessen kreist sie um sich selbst.
       
       28 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Reinecke
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Bekenntnis zur Zweistaatenlösung: Linkspartei erkennt Israel an
       
       Der Bundesvorstand einigt sich auf einen Programmentwurf und bekennt sich
       darin zum Existenzrecht Israels - als Reaktion auf Antisemitismus-Vorwürfe.
       
 (DIR) Neue Erklärung der Linkspartei: Gysis Anti-Anti-Antisemitismus
       
       Nach einer ersten Antisemitismuserklärung hat Linkspartei-Fraktionschef
       Gregor Gysi nun eine zweite formuliert. Damit will er die enttäuschten
       Parteilinken einfangen.