# taz.de -- Präsidentschaftswahlen in Frankreich: Linkskandidatin wider Willen
> Eigentlich wollte sie Premierministerin unter Dominique Strauss-Kahn
> werden. Nun muss Martine Aubry aber doch ins Rennen um die
> Präsidentschaft einsteigen.
(IMG) Bild: Auf dem Weg ins Präsidentenamt: Die Chefin der Sozialistischen Partei Martine Aubry.
Die Rollenverteilung war perfekt eingefädelt: Dominique Strauss-Kahn würde
2012 nach seinem Sieg als Kandidat der französischen Linken die jetzige
Parteichefin Martine Aubry als Dank für die von ihr geleitete Wahlkampagne
zu seiner Premierministerin machen.
Dann kam es wegen der Verhaftung von DSK in New York ganz anders. Aubry,
die darauf verzichtet hatte, bei den Präsidentschaftswahlen anzutreten,
muss auf Wunsch ihrer sozialistischen ParteikollegInnen doch in die Arena
der Vorwahlen zur Nominierung des Kandidaten des Parti Socialiste (PS)
steigen. Die Art und Weise, wie sie 2008 ihrer Freundin und [1][Rivalin
Ségolène Royal die Parteiführung vor der Nase weggeschnappt] hatte, gibt
ihren Konkurrenten einen Vorgeschmack von ihrem Sinn für das richtige
"Timing".
Aubry ist von der Sorte Politikerinnen, die in Frankreich vor allem von
ihren männlichen Kollegen und Gegnern unterschätzt und mit ironischer
Nachsicht behandelt werden. In einem Land, in dem oft gutes Aussehen und
Machtstreben mehr zählen als brillante Ideen, schrieb man ihre Karriere
zunächst der Tatsache zu, dass sie die Tochter des
Ex-EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors ist.
## Erfahrungen auch als Spitzenmanagerin
Ihr christlich-sozial geprägtes Elternhaus hat sicher ihr politisches
Engagement beeinflusst. Den Rest lernte sie in den Eliteschulen der
Republik und in der Praxis: Nach ihrem Diplom in Politikwissenschaften
absolvierte sie die exklusive Kaderschmiede der Verwaltungshochschule ENA,
durchlief verschiedene Ministerien und sammelte auch Erfahrung als
Spitzenmanagerin eines Großkonzerns.
Jetzt ist sie 60 und politisch seit langem mündig. In Frankreich ist sie
"Madame 35 heures", die 1998 für die Linksregierung von Jospin auch das
Gesetz der Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden durchgesetzt hat.
In Nordfrankreich, wo Aubry seit 2000 Bürgermeisterin und Abgeordnete von
Lille ist, wird sie von der Rechten respektvoll "Pitbull" genannt. Als
Kompliment war es gemeint, dass sie in der französischen Presse wegen ihrer
"Realpolitik" die französische "Merkel" getauft wurde, was ihr übrigens
nicht gefiel. Denn das klang wie eine Waschmittelreklame!
29 Jun 2011
## LINKS
(DIR) [1] /1/politik/europa/artikel/1/%5Calles-nur-nicht-segolene%5C/
## AUTOREN
(DIR) Rudolf Balmer
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