# taz.de -- Führungskampf bei Frankreichs Sozialisten: Ségolène Royal "hätte Lust"
       
       > Frankreichs Sozialisten müssen über eine neue Spitze entscheiden. Doch
       > die Führungsansprüche der Ex-Präsidentschaftskandidatin Royal sind
       > umstritten.
       
 (IMG) Bild: Hofft auf Comeback: Ségolène Royal
       
       Im Poker um den neuen Parteivorsitz der französischen Sozialisten ist alles
       offen. Am heutigen Freitag beginnt der dreitägige Parteitag der PS in
       Reims, und weder die künftige personelle noch die programmatische
       Marschrichtung ist absehbar. Auch eine Abstimmung der Parteimitglieder über
       insgesamt sechs verschiedene politische Plattformen der unterschiedlichen
       Strömungen vor einer Woche spiegelte die relativ heterogene Zusammensetzung
       der PS wider. Da zumindest die vier größeren Strömungen von selbstbewussten
       Persönlichkeiten repräsentiert werden, die als potenzielle
       Präsidentschaftskandidaten für 2012 eigene Ambitionen verfolgen, gestaltet
       sich die Suche nach einem politischen Kompromiss als Grundlage einer
       Einigung besonders schwierig.
       
       Das Votum der rund 120.000 PS-Mitglieder, die an der Abstimmung teilnahmen,
       entsprach nicht den Prognosen der Umfragen, die den Pariser Bürgermeister
       Bertrand Delanoë als Favoriten sahen. Obschon seine Strömung vom
       scheidenden Parteichef François Hollande und anderen Prominenten der Partei
       unterstützt wurde, bekam Delanoë nur 25 Prozent der Stimmen. Fast denselben
       Stimmenanteil erhielt die "sozialdemokratische" Gruppierung um die Martine
       Aubry, Bürgermeisterin von Lille und die "Mutter der 35-Stunden-Woche".
       Einen Achtungserfolg erzielte mit 19 Prozent der linke Parteiflügel mit
       Benoît Hamon.
       
       Für die Überraschung sorgte die ehemalige Präsidentschaftskandidatin
       Ségolène Royal, die seit ihrer Niederlage gegen Nicolas Sarkozy vor
       achtzehn Monaten von manchen Genossen bereits abgeschrieben worden war. Mit
       29 Prozent bekam sie einen genügend großen Vorsprung vor ihren Konkurrenten
       Delanoë und Aubry, um nun Führungsansprüche zu stellen.
       
       Auch ihr früherer Lebensgefährte Hollande meinte, es sei nun an Royal, ihre
       relative Mehrheit durch Verhandlungen mit den anderen Strömungen in eine
       echte Mehrheit zu verwandeln. Dieser Auftrag der parteiinternen
       "Regierungsbildung" ist, wie der scheidende und von der Basis desavouierte
       Parteichef nur zu gut weiß, ein politischer Kamikazejob. Man hat es Royal
       im Apparat nie verziehen, dass sie im Herbst 2006 ihre
       Präsidentschaftskandidatur als Außenseiterin mithilfe der Medien und der
       Sympathisanten gegen die "Elefanten" der Partei durchgesetzt hatte. Daraus
       hat sie aber auch Lehren gezogen. Royal vermied es tunlichst, vorschnell
       ihre Karten aufzudecken. Auf die Frage, ob sie nun doch ihre Kandidatur für
       Hollandes Nachfolge anmelde, wich sie aus. "Um offen zu sein, ich hätte
       Lust dazu", sagte sie als Gast bei TF1 am Mittwochabend. Sie will abwarten,
       ob sich auf dem Parteitag eine Mehrheit für sie abzeichnet. Die Wahl des
       Parteichefs oder der Parteichefin erfolgt dann am Donnerstag durch die
       Mitglieder.
       
       Offensichtlich will Royal es ihren Konkurrenten überlassen, als Erste die
       Feindseligkeiten zu eröffnen. Sonst muss sie befürchten, dass sie eine
       Abwehrfront aller bisher uneinigen Gegner nach dem Motto "Alles, nur nicht
       Ségolène" auslöst. Sie wartet also lieber auf eine Einladung ihrer Genossen
       und Genossinnen - in der Hoffnung, dass sich diese angesichts des desolaten
       Zustands der größten französischen Linkspartei damit abfinden, sie trotz
       Einwänden, Vorurteilen und Befürchtungen an der Spitze zu akzeptieren.
       
       Noch sind Alternativen denkbar: Benoît Hamon will sich mit der Strömung
       Aubry zusammenschließen, Delanoës Anhänger zögern. Die Pariser
       Vizebürgermeisterin Anne Hidalgo glaubt, dass ein reelles Risiko einer
       Spaltung existiert. Sie bezichtigte Royal am Donnerstag öffentlich, sie
       wolle eine Partei mit Fans statt Aktivmitgliedern und verfolge eine
       Bündnisstrategie mit den bürgerlichen Zentrumsdemokraten an Stelle der
       bisherigen Linksunion.
       
       Jede Hoffnung auf eine Erneuerung der PS hat Jean-Luc Mélenchon aufgegeben.
       Er ist mit anderen Mitgliedern des linken Flügels ausgetreten und will eine
       neue "kompromisslose" Partei mit einem antikapitalistischen Programm
       gründen.
       
       13 Nov 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
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