# taz.de -- Physiker über Atomanlagen in USA: "Das große Feuer ist ein Risiko"
       
       > Naturgewalten wie Feuer und Fluten machen derzeit einigen Atomanlagen in
       > den USA zu schaffen. Der atomkritische Physiker Edwin Lyman über die
       > möglichen Folgen der Probleme.
       
 (IMG) Bild: Brände und Löschversuche nahe der Atomanlage in Los Alamos.
       
       taz: Wie gefährlich sind die Wald- und Buschbrände in New Mexico für das
       Atomlabor in Los Alamos? 
       
       Edwin Lyman: Das Labor arbeitet seit 1944 mit radioaktivem Material,
       inklusive Plutonium. Das Material wird sowohl verkapselt als auch offen
       gelagert. Insofern könnte ein großes Feuer ein Risiko darstellen.
       
       Im Jahr 2000 hat der Wald am Rand der Anlage schon einmal gebrannt. Welche
       Konsequenzen hatte das? 
       
       Jener Brand war zwar sehr viel kleiner als der jetzige, aber er ist beinahe
       in die Anlage hereingekommen. Anschließend hat Los Alamos verschiedene
       Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. Das Material wird heute verstärkt in
       unterirdischen Strukturen aufbewahrt, die als Flammenhemmer wirken sollen.
       Aber es kann Feuer geben, die so heiß werden, dass sie einige dieser
       Materialien gefährden. Hinzu kommt das offene radioaktive Material.
       Jahrzehntelang ist in Los Alamos radioaktiver Müll in die Canyons gekippt
       worden. Hinzu kommt der sogenannte transuranische Müll.
       
       Was ist das? 
       
       Das ist leicht strahlender Müll - Werkzeuge, Decken und Bauschutt -, der
       mit Plutonium kontaminiert ist. Er wird regelmäßig zu einer Spezialdeponie
       im Südosten von New Mexico transportiert. Wenn dieser Müll für den
       Transport vorbereitet ist, wird er vorübergehend draußen zwischengelagert.
       Auch das ist besorgniserregend. Er hat zwar nur ein relativ niedriges
       Strahlenniveau, aber in der Umwelt ist keine Menge von Plutonium gut.
       
       Finden Sie die Erklärungen des Atomlabors überzeugend? 
       
       Die Offiziellen sagen, alles sei mit feuerhemmendem Material geschützt. Es
       sieht aber wie eine ziemlich verzweifelte Maßnahmen aus, wenn sie Schaum
       über alles spritzen müssen. Ich bin auf jeden Fall beunruhigt.
       
       Zugleich gibt es im Mittleren Westen der USA ein Hochwasser, das zwei
       Atomkraftwerke am Ufer des Missouri in Nebraska erreicht hat. Wie schätzen
       Sie da die Lage ein? 
       
       Feuer und Flut. Noch scheint die Lage stabil zu sein. Und sie könnte im
       Übrigen noch schlimmer sein. Eine der beiden Anlagen, der Reaktor in Fort
       Calhoun, war schon vor der Flut abgeschaltet worden, um ihn neu zu beladen.
       Der Brennstoff hatte daher einige Zeit zur Abkühlung.
       
       Aber das AKW Cooper - das ist das zweite gefährdete Atomkraftwerk in
       Nebraska - läuft einfach weiter. 
       
       Ich halte das für eine fragwürdige Entscheidung des Managements. Es sieht
       so aus, als würde das Hochwasser nicht so hoch steigen, dass es die
       Möglichkeiten der Anlagen überschreitet. Aber die Sache wirft Fragen auf.
       
       War das Hochwasser vorhersehbar? 
       
       Dies ist tatsächlich eine historische Flut. Aber sie ist nicht beispiellos.
       Es kann sein, dass der Sicherheitsspielraum für Naturkatastrophen nicht
       groß genug ist. Für Feuer, Fluten, Tornados. Und - das gilt für manche
       Atomkraftwerke an der Westküste der USA - auch Tsunamis. Die meisten
       Atomanlagen stehen nah am Wasser. An der Küste oder an Seen und Flüssen.
       Bei der Planung müssen historische Fluten und Naturkatastrophen, die es an
       diesen Standorten gegeben hat, berücksichtigt werden. Es stellt sich immer
       die Frage, auf welche seltenen Ereignisse man sich vorbereitet.
       
       Welche Rolle spielt der Klimawandel? 
       
       Es gibt definitiv ein extremes Wetter. Und es gibt die Debatte, ob es mit
       Klimawandel zusammenhängt. Wir haben eine Kombination von extremem Wetter
       und die Erkenntnis, dass Atomkraftwerke nicht so unverwüstlich sind, wie
       die Industrie behauptet. Deswegen muss man mit mehr Nachdruck Prävention
       betreiben. Bislang hat die Industrie gesagt, sie habe die seismischen
       Risiken bei ihren Standorten mit einberechnet. Aber dann ist die
       Katastrophe in Fukushima geschehen.
       
       30 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Mindestens 12 Tornado-Tote in den USA: Fussballfeldgroße Trümmerschneisen
       
       Eine Wirbelsturm-Serie im Mittleren Westen der USA hat 12 Menschen das
       Leben gekostet. Hunderte wurden verletzt. Die Aufräumarbeiten haben bereits
       begonnen.
       
 (DIR) Stresstests für japanische AKW: Feuer in Müllentsorgungsanlage
       
       Die japanische Regierung plant alle 54 Atomkraftwerke einem Stresstest zu
       unterziehen. Noch sind 35 AKWs abgeschaltet. Die Regierung will sie
       möglichst schnell wieder hochfahren.
       
 (DIR) AKW-Laufzeit verlängert: Zehn Jahre mehr für Fessenheim
       
       Die Strahlenschutzbehörde verlängert die Laufzeit für Frankreichs ältestes
       AKW – wenn die Betreiber den Betonboden verdoppeln. Gegner fordern die
       Schließung.
       
 (DIR) Energiewende-Gesetze erklärt: Der Weg zum Ausstieg
       
       Abschied vom Atomstrom, Elektrizität aus Wind und Sonne, die Zukunft von
       Strom und Kohle? Fragen und Antworten zu den international einzigartigen
       Gesetzen.
       
 (DIR) Atomanlagen in den USA: Gefahr durch Feuer und Wasser
       
       Im Süden der USA bedroht ein Brand eine Atom-Forschungsanlage. Und im
       Norden ist das AKW Fort Calhoun weiter vom Hochwasser des Missouri
       betroffen.
       
 (DIR) Missouri-Hochwasser bei Fort Calhoun: Ein Akw als Wasserburg
       
       Seit einigen Tagen ist das Akw Fort Calhoun von Wasser umspült. Anfang Juni
       war im Kraftwerk ein Feuer ausgebrochen – 90 Minuten lang fiel die Kühlung
       aus.