# taz.de -- Schreibschrift-Posse: Senator steht zu Schrift-Reform
       
       > Neue Grundschrift soll Kindern das Schreibenlernen erleichtern. In den
       > Medien entbrannter Protest-Sturm lässt Schulsenator kalt: "Das bleibt
       > jetzt erst mal so".
       
 (IMG) Bild: Schreiben lernen geht auch ohne Schlaufen.
       
       Neue Stundentafel, neue Bildungspläne, neue Prüfungsordnung - er habe in
       den ersten 100 Tagen Amtszeit ganz schön viel wegarbeiten müssen, stöhnte
       SPD-Schulsenator Ties Rabe, als er vor Journalisten Bilanz zog. Allein die
       Bildungspläne hätten drei Leitz-Ordner umfasst. Er sei dabei "sehr bemüht,
       Konflikte wegzuräumen".
       
       Das ist ihm nicht ganz gelungen. In einem der Ordner verbarg sich der
       neuste Aufreger, der pünktlich zum Sommerloch den Blätterwald erschüttert.
       Hamburgs Grundschüler müssen nicht mehr Schreibschrift lernen. Stattdessen
       dürfen sie in einer verbundenen Druckschrift schreiben, die der
       Grundschulverband entwickelt hat.
       
       Den Anfang machte Walter Scheuerl. Rabe habe sich dran gemacht, in Hamburg
       die "Lateinische Schreibschrift abzuschaffen", schrieb der parteilose
       Abgeordnete in einer Rundmail. CDU und FDP wetterten daraufhin, hier gingen
       "Kultur stiftende Inhalte", gar eine "wichtige Kulturtechnik" verloren. Wie
       aus dem Nichts braue sich ein Gewitter zusammen, "das den Untergang des
       Abendlandes anzukündigen scheint", spottet GAL-Schulpolitikerin Stefanie
       von Berg.
       
       Denn was weder Scheuerl noch die CDU, in deren Rathaus-Fraktion er Mitglied
       ist, erwähnten: die lateinische Schreibschrift mit Schlaufen und Häkchen,
       wie sie die heute Erwachsenen in der Schule lernten, gibt es in Hamburg
       schon seit acht Jahren nicht mehr. Die frühere CDU-Schulsenatorin Alexandra
       Dinges-Dierig schaffte sie ab. Stattdessen lernen die Kinder die etwas
       schlichtere "Schulausgangsschrift", die in der DDR unter Margot Honecker
       entwickelt wurde.
       
       Doch auch diese Schrift bereitet vielen Kindern Schwierigkeiten. Unnötig,
       wie von Berg findet. Die Kinder lernen in der 1. Klasse zunächst
       Druckbuchstaben und müssen dann zur Schreibschrift wechseln. Doch ab der 5.
       Klasse ist die Schrift dann wieder freigegeben. Hauptsache, sie ist klar
       lesbar.
       
       "Es interessiert niemanden, wie 12- oder 14-Jährige schreiben", sagt
       Susanne Peters vom Hamburger Landesverband des Grundschulverbandes. Damit
       Kinder auf leichterem Wege eine individuelle Handschrift erlernen, hat der
       Bundesverband vor zwei Jahren eine "Grundschrift" entwickelt und erprobt,
       die aus klassischen Druckbuchstaben besteht, die teilweise am Ende mit
       leichten Bögen versehen sind. Dies soll ein einfaches Verbinden und
       flüssiges Schreiben ermöglichen. Auf Bundesebene gab es einen
       Expertenstreit um diese Neuerung, der teilweise in der taz dokumentiert
       wurde. Doch die Schulen seien "glücklich, dass sie nun die Möglichkeit
       haben", sagt Susanne Peters. "In pädagogischen Fachkreisen ist das durch."
       
       Ties Rabe betont nun, dass er die Schreibschrift nicht abgeschafft hat.
       "Die andere, neue ist nur nicht mehr verboten." Etwa 95 Prozent der Schulen
       würden beim Alten bleiben, die Praxis der übrigen, die die Grundschrift
       nutzten, werde lediglich legalisiert. Schon in der Vergangenheit hätte sich
       die Schrift vereinfacht. Er bedaure, dass das Thema die Öffentlichkeit so
       aufwühlt. Es sei aber eine in der Sache vernünftige Entwicklung. "Das
       bleibt erst mal so."
       
       30 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kaija Kutter
       
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