# taz.de -- Kommentar UN-Sicherheitsrat: Was globale Verantwortung heißt
       
       > Für einen Monat hat Deutschland nun den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat. Das
       > bietet viele Möglichkeiten, globale Verantwortung wahrzunehmen.
       
       Seit Freitag sitzt Deutschland für einen Monat dem UN-Sicherheitsrat vor.
       Als Deutschland nach einer intensiven Werbekampagne der Bundesregierung im
       Herbst letzten Jahres von der UN-Generalversammlung für die Jahre 2011 und
       2012 zum nichtständigen Mitglied des höchsten UN-Gremiums gewählt wurde,
       hieß es, diese Rolle böte ganz "besondere Chancen zur Profilierung".
       
       In Deutschland feierten viele Politiker und Publizisten diese Wahl gar als
       "wichtigen Schritt" auf dem Weg zu einem ständigen Ratssitz für die
       Bundesrepublik. Begründet wird dieses Ziel, das seit 1993 alle
       Bundesregierungen eint, mit der "globalen Verantwortung" Deutschlands, die
       angeblich seit dem Ende des Kalten Krieges gewachsen sei.
       
       Die Stimmung schlug jedoch um, als sich die deutsche Regierung bei der
       Abstimmung über die militärischen Intervention in Libyen Mitte März im
       UN-Sicherheitsrat der Stimme enthielt. Die meisten Kommentatoren waren sich
       einig, dass diese Enthaltung der schwarz-gelben Regierung die Chancen
       Deutschlands auf einen ständigen Sitz deutlich geschmälert habe.
       
       Doch das ist Unsinn. Denn um Deutschland - oder jedem anderen Staat - einen
       ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu verschaffen, müsste die UN-Charta
       geändert werden.
       
       Das aber geht nur, wenn mindestens zwei Drittel aller 192 Mitgliedstaaten
       der UNO dem zustimmen - inklusive der fünf heutigen ständigen und
       vetoberechtigen Ratsmitglieder USA, China, Russland, Frankreich und
       Großbritannien. Doch dafür bestand, seit vor 18 Jahren die Debatte über
       eine Reform des Sicherheitsrats begann, nie der Hauch einer Chance. Und
       Chancen, die nie bestanden haben, können auch nicht geschmälert werden.
       
       ## Deutschlands Haltung zum Krieg in Libyen
       
       Beim Streit über die Libyen-Enthaltung handelte es sich in erster Linie um
       eine innenpolitische Debatte. Die US-Regierung, die noch 48 Stunden vor der
       Abstimmung im UN-Sicherheitsrat dieselben Bedenken wie die Bundesregierung
       vorgetragen hatte, hat dieses Thema nie mit der Frage eines ständigen
       deutschen Ratssitzes verknüpft. Und jenseits der Nato, im "Rest der Welt",
       hat die deutsche Enthaltung das "Ansehen Deutschlands" keineswegs
       beschädigt, im Gegenteil.
       
       Denn in vielen Hauptstädten Afrikas, Asiens und auch Lateinamerikas teilte
       man die Bedenken der Bundesregierung - und der Verlauf des seit fast
       dreieinhalb Monaten währenden Krieges in Libyen hat diese Bedenken leider
       weitgehend bestätigt, ein baldiges Ende des Konflikts zeichnet sich nicht
       ab.
       
       Ansonsten bietet die Agenda des Sicherheitsrats für diesen Monat
       Deutschland kaum Möglichkeiten, sich als Vorsitzender zu profilieren. Das
       gilt auch für die Debatte über den Sudan, die nach der Sezession des Südens
       am 9. Juli geführt werden soll und die Außenminister Westerwelle persönlich
       leiten will. Den entscheidenden Beschluss zur Unabhängigkeit des Südsudans
       traf der Rat bereits letzte Woche, als er entschied, eine UN-Blauhelmtruppe
       entlang der Grenze zwischen dem künftigen Nord- und Südsudan zu
       stationieren.
       
       ## Gerechtere Welthandelsregeln
       
       Doch Deutschland hätte, als drittgrößte Wirtschaftsmacht und
       Exportvizeweltmeister, viele andere Möglichkeiten, seine globale
       Verantwortung weit besser und intensiver wahrzunehmen, als dies bislang der
       Fall ist.
       
       Zum Beispiel könnte sich die Bundesregierung für gerechtere
       Welthandelsregeln zugunsten der armen Länder des Südens einsetzen. Auch
       könnte der - nach den USA und Russland - drittgrößte Waffenexporteur des
       Planeten die Ausfuhr von Instrumenten zur Kriegsführung in fast alle
       Spannungsgebiete dieser Welt endlich drosseln und sich in der
       UN-Generalversammlung aktiv für ein internationales Verbots- und
       Kontrollregime insbesonders von Kleinwaffen einsetzen.
       
       Auch im aktuellen Libyenkonflikt bitten die humanitären Organisationen der
       UNO bislang vergeblich und zunehmend verzweifelt um mehr Unterstützung der
       Versorgung von inzwischen fast einer Million Flüchtlinge. Deutschland
       könnte sich aufraffen, wenigstens ein paar Tausend dieser notleidenden
       Menschen zumindest zeitweise aufzunehmen.
       
       Für all das braucht es keinen Vorsitz und noch nicht einmal eine
       Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat - das alles geht auch als einfaches
       UNO-Mitglied.
       
       1 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Zumach
       
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