# taz.de -- Integrationsprogramm vorgestellt: Das neue Wir in Mitte
> Der Bezirk Mitte will mit einem "experimentellem" Konzept einen
> Perspektivwechsel und Vielfalt fördern. Im Zentrum: die Sprachförderung.
(IMG) Bild: Sprachförderung soll an Schulen künftig wichtiger sein - nicht nur im Deutschen.
"Experimentell" nennt Christian Hanke (SPD), Bürgermeister von Mitte, das
neue Integrationsprogramm, das sein Bezirk am Montag vorstellte. "Neue
Standards" würde es setzen, statt bloßer Absichtserklärungen klare Ziele
definieren und diese überprüfen.
Nun ist das mit Integrationskonzepten so wie mit den meisten
Behördenpublikationen: Sie sind ziemlich unsexy, ihr Reiz erschließt sich
auf den ersten Blick nur Leuten, die es für verwegen halten, anders als in
blauem Pullover und grauer Bundfaltenhose zur Arbeit zu kommen. Deshalb ist
auch den 127 Seiten, die Hanke und seine bezirkliche
Integrationsbeauftragte Maryam Stibenz vorlegten, nur schwer zu entlocken,
was sie Anderes als andere Integrationskonzepte zu bieten haben. Da wimmelt
es von den üblichen Insider-Formeln wie "Teilziele der OE QPK", die einen
glauben machen, dass vor allem die Verwaltung Integrationshilfe und
Deutschkurse braucht.
Nun ist ein bezirkliches Integrationskonzept tatsächlich zunächst eine
Handlungsanleitung für die Verwaltung. Für Außenstehende interessant ist
deshalb vor allem, auf welchen Grundannahmen es fußt.
Die erklärt Maryam Stibenz so: "Statt zu fragen, wie wir mit Migranten
umgehen, lautet unsere Frage: Wie gehen wir mit Vielfalt um?" Durch diesen
Perspektivwechsel bekäme das "Wir" eine andere Bedeutung - eine inklusive
statt einer exklusiven.
In einem Bezirk wie Mitte sei nicht mehr zu übersehen, dass "die
Unterscheidung zwischen Deutschen und Einwanderern" an Bedeutung verliere,
so der Sozialdemokrat: "Sie beschreibt unsere Problemlagen nicht."
So sei mit der Feststellung, wie viele Kinder nichtdeutscher
Herkunftssprache eine Schule besuchten, nichts über deren Bildungsniveau
oder Deutschkenntnisse gesagt: "Die auf Herkunftskultur bezogenen Begriffe
verlieren an Aussagekraft."
Sprachförderung soll deshalb an allen Schulen künftig massiv verstärkt und
professionalisiert werden: "Und mit Sprachförderung meinen wir nicht nur
Deutschförderung", sagt Maryam Stibenz: "Wir kämpfen gegen Spracharmut."
Integration bedeute für ihn "lebendige Vielfalt, in der aber niemand seine
Identität aufgeben muss", sagt Hanke. Aufgabe des Staates sei es, dabei
Hilfsangbote zu machen und Chancengleichheit herzustellen. Überraschende
Sätze für einen, der bisher mit dem Neuköllner Bürgermeister Heinz
Buschkowsky und anderen Parteigenossen vom konservativen SPD-Flügel
"Aufbruch" durchaus Herkunftskultur als Ursache für Probleme und Druck als
deren Lösung betrachtet hat.
Von einem Umdenken will Hanke aber nichts wissen: Er sei schließlich schon
lange für die doppelte Staatsbürgerschaft und das kommunale Wahlrecht für
alle AusländerInnen eingetreten. "Wir müssen akzeptieren, dass ein Mensch
mehrere Identitäten haben kann", sagt er. Da müsse sich die
Einwanderungsgesellschaft "nicht nur mental, sondern auch juristisch" noch
bewegen.
4 Jul 2011
## AUTOREN
(DIR) Alke Wierth
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