# taz.de -- Migrationsgeschichte: Die vergessenen Heldinnen
> Als selbstbewusst auf der Suche nach unabhängiger Lebensgestaltung
> porträtiert eine Ausstellung im Berliner August-Bebel-Institut
> türkeistämmige Migrantinnen der ersten Generation.
(IMG) Bild: Ein aktuelles Modell des Designers Sasa Kovacevic im Wettkampf um den "Baltic Fashion Award", der im April in Heringsdorf auf Usedom vergeben wurde.
So verschieden die Frauen auch sind, die die Fotografin Ute Langkafel auf
ihren Porträts festgehalten hat - eines verbindet sie: Alle tragen den Kopf
selbstbewusst erhoben, man sieht ihnen an, dass sie stolz auf das Erreichte
sind. Das Erreichte heißt in ihrem Fall: ein langes Leben in der Fremde
gemeistert zu haben, dabei stets zu arbeiten und Kinder zu erziehen und
sich die Wünsche, die mit der Einwanderung in ein anderes Land verbunden
waren, trotzdem wenigstens teilweise erfüllen zu können.
15 Migrantinnen der ersten Generation von EinwanderInnen aus der Türkei
porträtiert die Ausstellung "Und es kamen Frauen", die seit dem Wochenende
im August-Bebel-Institut in Wedding zu sehen ist. Biografische Texte des
Hürriyet-Journalisten Murat Tosun ergänzen die Fotos von Ute Langkafel. Die
Beschränkung auf Einwanderinnen hat Gabriele Gün Tank,
Integrationsbeauftragte des Bezirks Tempelhof-Schöneberg und Initiatorin
der Ausstellung, bewusst gewählt: "Wir riefen Arbeiter, und es kamen
Frauen", schreibt sie im Vorwort des Katalogs. Ende der 70er Jahre seien
ein Drittel der nichtdeutschen Beschäftigten in der Bundesrepublik Frauen
gewesen - ganz bewusst angeworben, so Tank. Denn ihre Arbeitskraft war noch
billiger als die der männlichen Migranten: "Frauen verdienten damals bis zu
30 Prozent weniger als Männer."
Auch Gün Tanks Mutter Azize ist unter den Porträtierten. Sie gehört zu den
Frauen, die mit der Migration die Suche nach Freiheit verbanden. Aus
Abenteuer- und Reiselust kommt die damals 20-Jährige 1972 gegen den Willen
ihrer Eltern nach Deutschland. In dem oberpfälzischen Dorf, wo sie in einer
Textilfabrik arbeitet, fällt die emanzipierte junge Frau, die aus einer
modernen Istanbuler Familie stammt, mit Miniröcken und bunten Kleidern auf.
Mit den Lebensbedingungen der Gastarbeiterinnen mag sie sich nicht
abfinden. Sobald ihr erster Arbeitsvertrag abgelaufen ist, zieht die
selbstbewusste junge Frau nach Berlin. Hier arbeitet sie fast zwei
Jahrzehnte lang selbst als Integrationsbeauftragte im Bezirks
Charlottenburg-Wilmersdorf.
Meist war es der Wunsch nach ökonomischer Unabhängigkeit oder schlicht nach
einem besseren Leben, der die Frauen in die Migration trieb. Oft bedeutete
das gerade für sie eine Mehrfachbelastung: das Kümmern um die Kinder, den
Haushalt, die Arbeit, den Mann. So stolz sie auch darauf sind, das
gemeistert zu haben - nicht alle der porträtierten Frauen lächeln in die
Kamera.
## Stolze Alleinversorgerin
Aynur Gökdemir wollte ihren Kindern eine bessere Zukunft ermöglichen und
ging deshalb nach Deutschland. Mit Beklemmung erinnert sie sich heute an
die ersten Jahre in der grauen sonnenlosen Stadt Berlin und an die Scham,
die Sprache nicht zu können. Als ihr Mann schwer erkrankt, wird die
dreifache Mutter Alleinversorgerin der Familie. Heute ist sie stolz auf
ihre Kinder, die alle studiert haben - und hat nun auch die Zeit, endlich
selbst Deutsch zu lernen.
"Die Lebenserfahrungen, die Biografien dieser Menschen sind ein Teil
unserer Geschichte", sagt der Stadtsoziologe Ingo Siebert, der das SPD-nahe
August-Bebel-Institut leitet. Um das sichtbarer zu machen, hat das Institut
begleitend zu der Ausstellung ein Programm entwickelt, das diesen Teil der
Stadtgeschichte deutlicher machen soll: etwa mit einem Stadtspaziergang,
bei dem neben der Geschichte der Gastarbeiterinnen auch die der böhmischen
Einwanderinnen als frühere Zuwanderergruppe anschaulich wird, oder einem
Gesprächsabend mit einigen der porträtierten Frauen.
Bis zum 24. Juni ist die Ausstellung im August-Bebel-Institut an der
Müllerstraße 163 zu sehen, dann kann sie - mitsamt pädagogischem
Rahmenprogramm wie Rollenspielen oder Begegnungen mit Zeitzeuginnen - von
Schulen und anderen Einrichtungen gebucht werden.
Alle Informationen unter: [1][www.august-bebel-institut.de]
29 May 2011
## LINKS
(DIR) [1] http://www.august-bebel-institut.de+
## AUTOREN
(DIR) Alke Wierth
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