# taz.de -- Einwanderung: Nicht rotierende Gastarbeiter
       
       > 1961 wurde der Anwerbevertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
       > der Türkei geschlossen. 50 Jahre danach bedankt Berlin sich bei den
       > EinwanderInnen
       
 (IMG) Bild: 50 Jahre Anwerbeverträge: Remzi Kaplan, hier beim Tanz mit seiner Tochter, ist einer von Berlins führenden Döner-Produzenten
       
       Was Migration bedeutet, darüber lassen sich in dieser Stadt so viele
       Geschichten erzählen, wie es EinwanderInnen gibt. Einige davon gab es am
       Donnerstag im Roten Rathaus zu hören: Etwa die, wie junge Frauen, die als
       ArbeiterInnen für Telefunken aus der Türkei gekommen waren, im Wohnheim von
       älteren das Kochen lernten, um nicht immer nur Bratkartoffeln und Spiegelei
       essen zu müssen - etwas anderes konnten sie aus den deutschen Lebensmittel
       nicht zubereiten.
       
       Oder wie sich der Jungunternehmer Burhan Gözüakca, Inhaber der Werbeagentur
       "Beys", an seinen Vater erinnerte. Als einer der ersten türkeistämmigen
       Geschäftsleute transportierte der nachts Waren, stand tagsüber im Laden -
       und starb mit nicht einmal 50 Jahren an zu viel Arbeit.
       
       Da floss manche Träne auch bei den deutschstämmigen Gästen der
       Festveranstaltung, mit der sich Berlin 50 Jahre nach Abschluss des
       Abkommens über die Anwerbung von Arbeitskräften zwischen der Bundesrepublik
       Deutschland und der Türkei bei den ehemaligen GastarbeiterInnen und ihren
       Nachkommen bedanken wollte.
       
       Deren Leistung "für den Aufbau der Stadt" werde "viel zu wenig gewürdigt",
       sagte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) im Festsaal des
       Rotes Rathauses, wo das Gemälde "Der Berliner Kongreß von 1878" an viel
       ältere deutsch-türkische Beziehungen erinnert. "Sie haben das Land
       bereichert, im wahrsten Sinne des Wortes. Berlin bedankt sich dafür",
       wandte sich Wowereit an die etwa 300 geladenen Gäste, zu denen viele
       VertreterInnen der ersten Generation türkischer EinwanderInnen gehörten.
       
       Er habe "großen Respekt" vor deren Lebenswegen, so der Bürgermeister: "Sie
       haben alles verlassen, was Ihnen lieb und teuer war, um für sich und die
       nächsten Generationen eine bessere Zukunft aufzubauen." Auch Fehler und
       Versäumnisse der Politik räumte Wowereit ein: Zu lange habe sich
       Deutschland nicht als Einwanderungsland gesehen. Man habe erwartet, dass
       die Gastarbeiter "rotieren", Zuwanderung sei nur unter ökonomischen und
       nicht unter sozialen Aspekten betrachtet worden. EinwanderInnen "mangelnden
       Integrationswillen vorzuwerfen", sei vor diesem Hintergrund falsch, so
       Wowereit: "Millionenfach gelungene Integration spricht dagegen."
       
       Dass auf Seiten der Politik die Freude über die Einwanderer auch in der SPD
       nicht immer so groß wie heute war, stellte bei dem Festakt am deutlichsten
       ein Vertreter der Firmen dar, die auf die Arbeitskräfte aus dem Ausland
       dringend angewiesen waren. "Am 14. August 1961 fehlten uns auf einen Schlag
       4.300 Arbeitskräfte", erzählte der ehemalige Siemens-Manager Joachim
       Putzmann. Am Tag davor war die Mauer hochgezogen worden. Westdeutsche
       Arbeitskräfte wollten aus Angst vor dem unsicheren Status der Stadt nicht
       nach Westberlin, so Putzmann. Per Bus machten Siemens-Leute sich seinerzeit
       zunächst ins damalige Jugoslawien auf, um Mitarbeiter zu suchen - "illegal"
       sei das eigentlich gewesen: Der Senat - Bürgermeister war damals Willy
       Brandt - wollte nicht, "dass wir Ausländer in die Stadt holen", erinnert
       sich Putzmann.
       
       Genau 284 Türken lebten 1961 in Berlin. Erst 1963 übernahm die Stadt das
       deutsch-türkische Anwerbeabkommen - Siemens hatte bis dahin erst 10 Prozent
       der fehlenden MitarbeiterInnen ersetzen können. 1966 waren es knapp 6.000
       türkische EinwohnerInnen, ab 1973 bildeten sie mit etwa 80.000 die größte
       Einwanderergruppe. Heute gibt es etwa 180.000 türkeistämmige BerlinerInnen,
       ein Drittel davon hat den deutschen Pass.
       
       Wie Jungunternehmer Gözüakca. Den stört es nicht, dass auch Wowereit in
       seiner Dankesrede immer wieder den ökonomischen Nutzen der Einwanderer
       hervorhob: "Viele sind eben doch nur durch Zahlen und Gewinne zu
       überzeugen", sagt der 38-Jährige unsentimental.
       
       24 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dena Kelishadi
 (DIR) Alke Wierth
       
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