# taz.de -- Indígenas klagen gegen Ölförderung: "Wir bitten das Gericht um Schutz"
       
       > Vor dem Interamerikanischen Menschenrechtsgericht findet ein wegweisender
       > Prozess statt: Die Amazonas-Urwaldgemeinde Sarayaku klagt gegen den
       > ecuadorianischen Staat.
       
 (IMG) Bild: Vielleicht hilft's ja: Kichwa-Zeremonie vor dem Gerichtstermin.
       
       PORTO ALEGRE taz | "Gutes Leben" contra fossiler Wachstumswahn,
       Amazonas-Indígenas gegen Ecuadors Linksregierung: In Costa Ricas Hauptstadt
       San José endete jetzt eine zweitägige Anhörung des Interamerikanischen
       Menschenrechtsgerichtshofs zu einem exemplarischen Konflikt.
       
       Sprecher der 1.200 Einwohner von Sarayaku in Ecuadors südlicher, weitgehend
       erhaltener Amazonasregion standen Regierungsvertretern gegenüber. Für die
       Daheimgebliebenen wurde das Ganze live per Internet übertragen.
       
       "Wir bitten das Gericht um Schutz, damit wir in Frieden leben können", so
       die Kichwa-Indianerin Patricia Gualinga. Der Staat habe die Aktivitäten
       ausländischer Erdölfirmen durch Armee abgesichert und wolle auch künftig Öl
       fördern. "Wir wollen konsultiert werden. Wenn wir Nein sagen, muss unsere
       Entscheidung respektiert werden."
       
       ## Konzessionen für Ölfirmen
       
       In den letzten 30 Jahren wurden mehreren Ölfirmen Konzessionen im
       Kichwa-Gebiet um Sarayaku erteilt, 1996 der argentinischen Firma CGC. 2002
       und 2003 kam es zu jener Aggression, die der 90-jährige Schamane Sabino
       Gualinga in San José beklagte: Ölarbeiter drangen in Begleitung von
       Soldaten auf das Gemeidegebiet vor, zestörten 260 Hektar Urwald und
       vergruben 1.450 Kilogramm Sprengstoff für seismografische Messungen im
       Boden. 2005 kam der Konflikt vor das Menschenrechtsgericht. Doch auch unter
       dem linken Präsidenten Rafael Correa argumentiert der Staat wie unter
       Vorgänger Lúcio Guitérrez. General Óscar Troya bestritt gar, dass die Armee
       auf das 137.000 Hektar große Territorium vorgedrungen sei, und warf den
       Aktivisten vor, den Dialog zu verweigern.
       
       Aus den Erdölerlösen finanziert Correa Sozialprojekte und Straßen, auch in
       Amazonien. Damit, so Patricia Gualinga, bringe die Regierung aber auch
       Nachbargemeinden gegeneinander auf. Zudem erhielt der italienische Konzern
       Agip im November eine Konzession in dem umkämpften Ölfeld, aus dem sich CGC
       zurückgezogen hat.
       
       ## Betroffene von Anfang an einbeziehen
       
       Als Gutachter war der US-Amerikaner James Anaya geladen,
       UN-Sonderberichterstatter für die Rechte indigener Völker. Entwicklung und
       Mitbestimmung seien kein Widerspruch, so Anaya. Bei der Planung von
       Großvorhaben sollten die betroffenen Gemeinschaften von Anfang an
       miteinbezogen werden.
       
       Die Pioniere von Sarayaku, die Correas früherer Mitstreiter Alberto Acosta
       als "Asterix und Obelix der Globalisierung" bezeichnet, fordern
       Entschädigungszahlungen und die Beseitigung aller Sprengkörper – bisher
       wurden gerade 14 Kilo geborgen. Für Acosta ist die Causa Sarayaku ein
       Testfall dafür, wie ernst es der Präsident mit dem Verfassungsprinzip des
       "guten Lebens" meint. Der Prozess, in dem noch in diesem Jahr ein Urteil
       erwartet wird, gilt aber auch als wegweisend für die internationale
       Rechtsprechung über das "Recht auf vorherige Konsultation" von Urvölkern
       bei Großprojekten.
       
       10 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gerhard Dilger
       
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