# taz.de -- Ecuadorianischer Ökonom Alberto Acosta: "Der grüne Kapitalismus ist eine Falle"
       
       > Öko-Kapitalismus kann nur der Übergang zu einer Gesellschaft mit
       > Freiheit, Gleichheit, Umweltschutz sein, sagt Acosta. Den Schrecken des
       > Klimawandels setzt er "das gute Leben" entgegen.
       
 (IMG) Bild: Sattes Grün, herbstlich verdorrt: So einfach ist es eben nicht mit dem "grünen Kapitalismus".
       
       taz: Herr Acosta, nach wie vor setzt die herrschende Politik Entwicklung
       mit Wachstum gleich. In Südamerika haben linke Regierungen durch
       Lohnerhöhungen und Sozialprogramme Millionen zum sozialen Aufstieg
       verholfen. Wie sollen da Mehrheiten für eine ökologische Wende her? 
       
       Alberto Acosta: Unser Lebensstil ist nicht haltbar, das wird immer mehr
       Menschen klar. Süßwasserquellen gehen verloren, die Artenvielfalt auf den
       Feldern und in den Wäldern geht zurück, ebenso der Lebensraum für indigene
       Gemeinschaften. Aber sicher, die Sichtweise, die Natur müsse gezähmt,
       ausgebeutet und vermarktet werden, herrscht immer noch in vielen Teilen
       unserer Gesellschaften vor, auch auf Regierungsebene.
       
       Warum setzt Lateinamerika weiterhin so vehement auf Rohstoffexporte? 
       
       Es ist die Fortschreibung unserer Geschichte, auch nach der Unabhängigkeit
       von Spanien und Portugal vor 200 Jahren. Man hängt weiterhin dem naiven
       Glauben an, der Extraktivismus werde sich schon in Entwicklung verwandeln.
       Dabei wissen wir doch, dass wir zwar Boomphasen erlebt haben, aber die
       ersehnte Entwicklung letztlich ausgeblieben ist.
       
       Sie propagieren den Übergang zu einem postfossilen Wirtschaftssystem. Wie
       soll denn dabei die Armut abgebaut werden? 
       
       Den Königsweg gibt es nicht. Die Grundbedürfnisse müssen immer garantiert
       werden, also nicht nur in Zeiten finanzieller Überschüsse. Neben einer
       Steuerreform sind dafür weitere Umverteilungsprozesse erforderlich, vor
       allem beim Landbesitz und der Kontrolle über das Wasser.
       
       Wie hilfreich sind für Sie Konzepte wie "nachhaltige Entwicklung" oder
       "Green New Deal"? 
       
       Das westliche Entwicklungsparadigma ist höchst gefährlich: Es garantiert
       den allgemeinen Wohlstand nicht, bringt das ökologische Gleichgewicht aus
       dem Lot und stellt dadurch das Überleben der Menschheit in Frage. Der
       "grüne Kapitalismus" ist eine Falle, denn er stellt die kapitalistische
       Logik nicht in Frage. In den letzten Jahrzehnten hat auch der
       Umweltmerkantilismus die Lage nicht verbessert, er ist nur Schminke.
       
       Nun gibt es aber nicht einmal in Südamerika eine gesellschaftliche Mehrheit
       für eine "sozialistische" Wirtschaftsordnung. Wäre aus dieser Perspektive
       ein "grüner" Kapitalismus nicht schon ein großer Fortschritt? 
       
       Bestenfalls als Übergangsphase zu einem nicht-kapitalistischen Paradigma,
       das sich an Gleichheit, Freiheit und natürlich an Umweltverträglichkeit
       ausrichtet. Wir müssen weg vom Anthropozentrismus, hin zu einem
       "Soziobiozentrismus".
       
       Im Attac-Umfeld wird diese Debatte, die vor allem in Ecuador und Bolivien
       unter dem Stichwort "Gutes Leben" [1][geführt wird], aufmerksam verfolgt.
       Was bringt dieses Konzept, auf das ja auch die ecuadorianische Verfassung
       ausgerichtet ist, für Europa? 
       
       Das "Gute Leben" ist eine weitere Plattform, um über dringend notwendige
       Antworten auf die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels nachzudenken.
       
       Was kann denn die europäische Linke vom südamerikanischen "Linksruck"
       lernen? 
       
       Vor allem, wie wichtig es ist, eigene Lösungen zu suchen. Doch sie sollte
       sich nicht mit den Anführern der progressiven Regierungen solidarisieren,
       sondern mit den Prozessen und seinen sozialen Akteuren. Die oft blinde
       Unterstützung von Präsidenten trägt dazu bei, individuelle, autoritäre
       Führerfiguren zu stärken. Und die drohen jene revolutionären Prozesse zu
       ersticken, die ja gerade viel Demokratie brauchen.
       
       Was ist den zunehmend autoritären Tendenzen in Venezuela, Ecuador und
       Bolivien entgegenzusetzen? 
       
       Diese Prozesse können nicht über einen Kamm geschert werden. Um ihren
       Anfangsimpetus zurückzugewinnen, müssen jene Linkskräfte innerhalb oder
       außerhalb der Regierungen gestärkt werden, die fähig sind, den wirklichen
       Wandel voranzutreiben. In Ecuador könnte eine feste und kohärente linke
       Opposition zur Rückkehr zu den Wurzeln beitragen, denn Präsident Rafael
       Correa bewegt sich immer weiter nach rechts, auch wenn er noch links
       blinkt.
       
       Nächste Woche werden Vertreter der ecuadorianischen Regierung in Berlin
       [2][für die Yasuní-ITT-Initiative werben], durch die die Erdölförderung im
       östlichen Teil des Landes verhindert werden soll. Was ist der Stand der
       Dinge in Ecuador? 
       
       Der Präsident hat seine Volksbefragung am 7. Mai [3][zwar knapp gewonnen],
       politisch aber verloren. Das gibt den Verteidigern der Initiative Auftrieb,
       denn sollte Correa vom Parlament kein grünes Licht für die Erdölförderung
       bekommen, wird er kaum eine weitere Volksbefragung riskieren.
       
       2008 sorgte Alberto Acosta dafür, dass die Rechte der Natur in der neuen
       Verfassung Ecuadors verankert wurden – eine Weltpremiere. Am Freitag hält
       der linke Ökonom eine Auftaktrede zum dreitägigen attac-Kongress, der in
       Berlin stattfinden wird.
       
       18 May 2011
       
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