# taz.de -- Deutschland scheidet aus: Gespenstisch still
       
       > Die Deutschen scheiden im WM-Viertelfinale gegen Japan aus. Gerechnet
       > hatte damit niemand – weder das Publikum noch die Spielerinnen.
       
 (IMG) Bild: „Ein Traum – ein Team – Millionen Fans – Danke“: der Trauerzug, mit dem keiner gerechnet hatte
       
       WOLFSBURG taz | Fassungslos waren sie alle. Manche stierten nur in den
       Nachthimmel, andere saßen wie ein Häuflein Elend auf dem Rasen, wiederum
       andere lagen völlig niedergestreckt auf dem Rasen. Simone Laudehr etwa, die
       wie vom Blitz erschlagen wirkte. Was sie gedacht hat? „Natürlich nur
       Enttäuschung. Welche Mannschaft hat schon eine Chance auf den dritten
       WM-Titel? Wenn dann so etwas verpufft“, sagte sie etwas später. Der Traum
       war aus.
       
       Karina Maruana war es, die aus spitzem Winkel mit dem einzigen Treffer des
       Tages in der 108. Minute das deutsche Team in einen Schockzustand versetzte
       und dafür sorgte, dass im ausverkauften Wolfsburger Stadion eine
       gespenstische Stille Einzug hielt.
       
       Direkt nach dem Tor, versicherte Torfrau Nadine Angerer, sei sie noch davon
       überzeugt gewesen, dass ihre Teamkolleginnen den Ausgleich erzielen würden.
       Nach dem wochenlangen Hype um die Titelverteidigung konnten sich
       offensichtlich nicht nur die Zuschauer, sondern auch die Spielerinnen nicht
       vorstellen, dass Deutschland im Viertelfinale aus dem Turnier ausscheidet.
       
       Umso ratloser und trauriger wirkten die Spielerinnen danach: „Wir fallen
       jetzt alle in ein tiefes Loch. Wir müssen das irgendwie verdauen“, gab Inka
       Grings zu Protokoll. „Wir können das im Moment alle gar nicht realisieren.
       Ich weiß ehrlich gesagt gerade nicht, wie es jetzt weitergeht“, ergänzte
       Célia Okoyino da Mbabi. Und Birgit Prinz, die mit dem WM-Aus ihre lange und
       und erfolgreiche Karriere in der Nationalmannschaft auf der Bank beendete,
       bekundete: „Ich bin total frustriert.“
       
       ## Kreuzbandriss bei Kulig
       
       Die Partie hatte für die Gastgeber schon früh mit einem Schreck begonnen.
       Es waren noch keine vier Minuten gespielt, da stieg Kim Kulig nach einer
       Ecke zum Kopfball hoch und knickte beim Aufkommen auf dem Rasen so
       unglücklich um, dass sie mit einem Verdacht auf einen Kreuzbandriss – der
       sich später nach einer Kernspintomographie bestätigte – ausgetauscht werden
       musste. Linda Bresonik rückte auf ihre Position im defensiven Mittelfeld
       vor und wurde ihrerseits von der eingewechselten Bianca Schmidt auf der
       rechten Abwehrseite vertreten.
       
       „Jetzt geht’s los!“, hatten die 26.067 Zuschauer noch skandiert, als das
       Spiel nach torlosen 90 Minuten in die Verlängerung ging. Das vorangegangene
       Spiel, so konnte man die aufmunternden Rufe des Publikums deuten, sollte
       schnellstens vergessen werden. Japan hatte sich als der erwartet schwere
       Gegner erwiesen. Neid sagte hernach, ihr habe es sehr imponiert, wie
       ballsicher sich die Japanerinnen aus engstem Raum befreien konnten und
       immer den Blick für die freie Mitspielerin hatten.
       
       Das deutsche Team hingegen spielte viel zu umständlich. Oft wurde die
       naheliegende Option außer Acht gelassen. Überrascht hat das allerdings nur
       bedingt. Abgesehen vom Spiel gegen Frankreich hatte die deutsche Frauschaft
       grundsätzliche Probleme damit, gut in der Abwehr organisierte Gegnerinnen
       zu überraschen. Die Bundestrainerin Silvia Neid analysierte: „Wenn wir den
       Ball hatten, haben wir viel zu lange gebraucht, den Ball nach vorne zu
       spielen.“ Man fand über die gesamte Spielzeit kein Rezept gegen diese
       cleveren Japanerinnen.
       
       ## Neid: „Japan hat nicht verdient gewonnen“
       
       Alles Vorwissen um die Spielstärke der Japanerinnen schien den Deutschen
       wenig zu nützen. Den Vorsatz, die Japanerinnen erst gar nicht in Spiel
       kommen zu lassen, beherzigten sie nur in der Anfangsphase mit einem
       aggressiven Forechecking. Im weiteren Verlauf befreiten sich die
       Japanerinnen immer besser von diesem Druck und ihre Ballstafetten wurden
       immer ansehnlicher. Die Ballzirkulation klappte allerdings nur fernab des
       deutschen Tores gut.
       
       Im Spiel nach hinten überzeugten die Deutschen. Chancen ließen sie kaum zu.
       Die beste bot sich der freistehende Yuki Nagasato, die das Leder jedoch
       recht weit neben den Pfosten setzte. Umgekehrt hätte jedoch auch das Team
       von Silvia Neid in Führung gehen können. Insbesondere in der zweiten Hälfte
       drängten sie mächtig auf das Führungstor. In der Verlängerung boten sich
       beide Teams einen offenen Schlagabtausch, bei dem Japan das Glück für sich
       hatte. Neid kam deshalb zu dem Schluss kam: „Ich finde nicht, dass Japan
       verdient gewonnen hat.“ Sie sah beide Teams nicht zu Unrecht auf Augenhöhe.
       „Beim Spiel zwischen dem Weltranglistenzweiten und – vierten haben Nuancen
       entschieden“, ergänzte sie. Etwa 15 ungenutzte Standardsituationen zählte
       die Bundestrainerin. „Dabei sind wir da doch eigentlich gut.“ Die
       niedergeschlagene Inka Grings meinte gar: „Wir hätten auch vor dem leeren
       Tor stehen können und hätten das Ding nicht rein gemacht.“
       
       Enttäuscht trugen die deutschen Nationalspielerinnen ein paar Minuten nach
       dem Schlusspfiff ein Transparent über den Rasen: „Ein Team – ein Traum –
       Millionen Fans – Danke“. Ein Trauerzug, den man sich so nicht hatte
       vorstellen können.
       
       9 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Kopp
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