# taz.de -- Bilanzen von Facebook: Goldrausch im Netz
       
       > Sind 650 Millionen Mitglieder weltweit eine Gewinngarantie? Manche
       > Investoren behaupten das, prüfen lässt es sich nicht: Die
       > Facebook-Bilanzen liegen bisher nicht offen.
       
 (IMG) Bild: Immer höhere Facebook-Bewertungen kommen von denjenigen, die von dem hohen Börsenkurs profitieren würden.
       
       "Facebook ist ein einmaliges Geschäftsmodell, das enorme Netzwerkeffekte
       erzeugt hat", sagt Michael Moe, Chef der Anlagefirma GSV Capital. "Mit über
       650 Millionen Mitgliedern, also zirka einem Zehntel der Weltbevölkerung,
       hat sich Facebook als Kommunikationsplattform der nächsten Generation
       etabliert." Moe ist voll des Lobes, schließlich hat er gerade 15 Prozent
       des Vermögens seiner Firma in Facebook-Anteile investiert. 225.000
       Anteilsscheine zum Preis von insgesamt 6,5 Millionen Dollar.
       
       US-Journalisten haben schnell die Rechnung aufgemacht: Würde man alle
       Facebook-Anteile zu dem gleichen Preis wie GSV Capital aufkaufen, wäre das
       Unternehmen 70 Milliarden Dollar wert. Ein Schnäppchen - schließlich hat
       ein US-Fernsehsender jüngst mit Berufung auf anonyme Insider verbreitet,
       das soziale Netzwerk werde beim für 2012 erwarteten Börsengang 100
       Milliarden Dollar erlösen.
       
       Im Januar hat die Investmentbank Goldman Sachs zusammen mit einem
       russischen Investor Facebook-Anteile für 500 Millionen Dollar übernommen
       und damit den hypothetischen Preis des Unternehmens auf 50 Milliarden
       hochgeschraubt - dafür erhielt die US-Bank das Recht, weitere Anteile an
       ausgesuchte Investoren zu verkaufen. Hat GSV Capital also ein Schnäppchen
       gemacht?
       
       Die Bilanzen von Facebook liegen bisher nicht offen - ob das Unternehmen
       auf Dauer überhaupt Gewinn machen kann, ist unklar. Zumindest der Markt
       glaubt daran: Die Aktien von GSV Capital stiegen nach der Bekanntgabe des
       Facebook-Geschäfts um über 40 Prozent. Ob die Aktionäre tatsächlich an
       Facebooks Geschäftsmodell glauben oder nur beim lange hinausgezögerten
       Facebook-Verkauf Kasse machen wollen, ist unklar.
       
       ## Strohfeuer und Monopoly
       
       Ist das Kurs-Monopoly ein Zeichen einer neuen Internetblase, die nach einem
       Strohfeuer im Silicon Valley Billionen Dollar Anlagevermögen in nichts
       verwandelt? Einige Anzeichen sprechen dafür. So sind Investoren wieder
       bereit, Millionensummen in Geschäftsideen zu stecken, die sich als nicht
       rentabel erweisen. Das US-Start-up Color konnte etwa im März 41 Millionen
       Dollar von Investoren einsammeln, um eine neue iPhone-App zum Bilderteilen
       zu veröffentlichen.
       
       Das Produkt fiel durch, das Geld scheint verloren. Doch hier haben vor
       allem Risikokapitalgeber Verluste gemacht, die sich an Dutzenden von Firmen
       beteiligen. Entpuppt sich nur eines ihrer Investments als
       Milliardengeschäft, machen diese Investoren ihren Schnitt.
       
       Gefährlich für die Wirtschaft wird es, wenn institutionelle Anleger und
       Banken sich von dem Hype anstecken lassen. So hatte zum Beispiel die WestLB
       über 400 Millionen Euro in den britischen Fernsehverleih Boxclever
       versenkt, die Kosten dieser und weiterer Fehlinvestitionen trägt nun der
       Steuerzahler.
       
       Letztlich kommt es darauf an, ob der Markt in seiner ständigen Suche nach
       lohnenden Investments noch zur Selbstkontrolle fähig ist. Die
       100-Milliarden-Bewertung von Facebook scheint kaum gerechtfertigt: Das
       Unternehmen wäre damit mehr wert als die Deutsche Bank oder BMW.
       
       ## MySpace als Warnung
       
       Würden beim Marktführer Facebook wie beim vormaligen Konkurrenten MySpace -
       im Jahr 2005 für aufsehenerregende 580 Millionen Dollar gekauft, nun für 35
       Millionen Dollar wieder verkauft - plötzlich die Kunden ausbleiben, bliebe
       wenig mehr übrig als einige Rechenzentren, hoch bezahlte Angestellte und
       die Daten von hunderten Millionen Nutzern. Nicht zufällig werden die immer
       höheren Facebook-Bewertungen von den Kreisen gestreut, die von einem hohen
       Börsenkurs profitieren würden.
       
       Zudem schläft der Wettbewerb nicht. Google ist in der Vergangenheit damit
       gescheitert, einen Facebook-Konkurrenten zu schaffen; ob der neue Versuch
       mit dem Netzwerk Google+ Erfolg haben wird, lässt sich noch nicht sagen. In
       den gewinnversprechenden Märkten wie der lokalisierten Werbung auf
       Mobiltelefonen haben sich Apple und Google jedoch mit ihren
       Smartphone-Plattformen bereits gut positioniert. Ob der lange erwartete
       Einstieg von Facebook ins Musikgeschäft relevante Gewinne einbringen
       könnte, ist ebenfalls fraglich.
       
       Gedämpft werden die Erwartungen nun von den Börsengängen anderer
       Unternehmen. So hat der bis heute defizitäre US-Streaming-Dienst Pandora
       bei seinem Börsendebüt Mitte Juni den Ausgabekurs von 16 Dollar am ersten
       Tag um 10 Dollar steigern können, heute wird das Papier jedoch wieder mit
       16 Dollar gehandelt.
       
       Das Geschäftsnetzwerk LinkedIn hingegen, das im Mai an die Börse ging, ist
       nach einem anfänglichen Kursfeuerwerk, das den Preis der Aktie auf über 120
       Dollar ansteigen ließ, wieder auf unter 80 Dollar abgestürzt. Gegenüber dem
       Ausgabekurs von 45 Dollar ist dies jedoch immer noch ein satter Gewinn.
       Setzen die Aktien jedoch ihren Sinkflug fort, sollten Anleger auch bei
       Facebook misstrauisch werden.
       
       11 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Torsten Kleinz
       
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