# taz.de -- Kommentar Wahlrechtsreform: Ungelöstes Luxusproblem
       
       > Die Wahlrechtsreform kommt zu spät. Schuld daran ist auch das
       > Bundesverfassungsgericht, das ohne Not das bestehende Wahlrecht
       > beanstandet hat.
       
       Es klingt nach einem Skandal: Drei Jahre nach dem Karlsruher Urteil hat die
       Politik immer noch kein Wahlrecht ohne negatives Stimmgewicht zu Stande
       gebracht. Wenn die Koalition nun zusammenbräche, müsste nach einem
       verfassungswidrigen Wahlrecht gewählt werden. Wähler könnten mit der
       Stimmabgabe ihrer Partei schaden statt zu nützen. Die Wahl wäre anfechtbar.
       Es ist zumindest ein Problem.
       
       Verursacher des Problems ist aber zunächst das Bundesverfassungsgericht. Es
       hat ohne Not eine hochkomplexe Reform des Wahlrechts gefordert. Es geht um
       ein Luxusproblem, das nur wenige Mathematiker wirklich verstehen. Betroffen
       sind allenfalls eine Handvoll Mandate, wieviele konnten auch die
       Verfassungsrichter nicht sagen. Bei früheren Wahlbeschwerden hatte auch
       Karlsruhe keine Einwände gegen das negative Stimmgewicht - zu marginal
       schien es den Richtern.
       
       Auch diesmal konnten die Richter nichts Dramatisches entdecken und ließen
       den Bundestag 2009 nochmal nach dem angeblich inakzeptablen Wahlrecht
       wählen. Hat jemand was vom negativen Stimmgewicht gemerkt?
       
       Dass die Reform kompliziert wird, hat Karlsruhe gewusst und deshalb drei
       Jahre Zeit gelassen. Aber dass sie so kompliziert wird, hat wohl alle
       Beteiligten überrascht. Jeder Vorschlag hat gravierende Nachteile, mal
       werden die kleinen Parteien benachteiligt, mal gibt es regionale
       Ungerechtigkeiten, mal wird das negative Stimmgewicht nicht vollständig
       beseitigt.
       
       Belastet wird die Diskussion auch dadurch, dass die Opposition gleich noch
       die Überhangmandate abschaffen oder wenigstens gerecht ausgleichen will. Es
       wäre zwar schön, bei einer eh komplizierten Reform nebenbei noch alle
       politischen Streitpunkte zu beseitigen. So aber wird die Aufgabe immer
       unlösbarer und ein Konsens der Parteien - der beim Wahlrecht ja
       wünschenswert ist - scheint kaum möglich. Ist das also ein Skandal? Nein,
       eher ein Trauerspiel.
       
       14 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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