# taz.de -- Akw-Neubau zusammen mit Hitachi: Litauen steigt ein
       
       > Litauens Regierung beschließt den Neubau eines Atomkraftwerks. Der
       > 1.300-Megawatt-Reaktor soll 2020 ans Netz gehen – doch die Finanzierung
       > ist ungeklärt.
       
 (IMG) Bild: Auch in Litauen sind die Bürger mehrheitlich für einen Ausstieg aus der Atomkraft.
       
       STOCKHOLM taz | Andere Länder steigen aus der Atomkraft aus, Litauen steigt
       ein. Ministerpräsident Andris Kubilius kündigte am Donnerstag den Bau eines
       neuen Atomreaktors an. Die japanisch-US-amerikanische "Hitachi-GE Nuclear
       Energy" werde den Zuschlag erhalten. Aus dem Rennen ist damit der
       Mitbewerber "Westinghouse Electric".
       
       Die schlechten Erfahrungen, die derzeit mit AKW-Neubauten in Europa gemacht
       werden – Stichwort: die Areva-Neubauten Olkiluoto 3 in Finnland und im
       französischen Flamanville – scheinen Litauen nicht zu schrecken. Hitachi-GE
       verspreche eine erprobte und ausgereifte Technik zu liefern, sagte
       Kubilius.
       
       Der Konzern soll Litauen einen ABWR (Advanced Boiling Water Reactor), einen
       Siedewasserreaktor der dritten Generation mit einer Leistung von 1.300
       Megawatt bauen, der 2020 ans Netz gehen soll. Angesichts der Erfahrungen,
       die bislang mit diesem Typ gemacht wurden, wundert der Optimismus der
       litauischen Regierung. Zwei dieser Reaktoren sind bereits seit 1999 in
       Taiwan im Bau und sollen nach zahlreichen Verzögerungen in diesem,
       spätestens im kommendem Jahr fertig werden.
       
       ## Derselbe Typ war auch für Fukushima geplant
       
       Weitere vier Reaktoren sind in Japan in Betrieb und offenbar recht
       störanfällig. Laut offiziellen Zahlen der Internationalen
       Atomenergieagentur IAEA für die 2004 bzw. 2006 ans Netz gegangenen
       Reaktoren Hamooka-5 und Shika-2 liegt für deren bisherige Betriebsdauer der
       Auslastungsgrad bei lediglich 46.6 für den einen und 47,1 Prozent für den
       anderen Reaktor. Das erste Exemplar dieses Modells ging 1996 beim
       japanischen AKW Kashiwazaki-Kariwa ans Netz. Vor Tsunami und Kernschmelze
       waren vom Energieversorger Tepco zwei ABWR-Neubauten auch für den Standort
       Fukushima I als dortige Reaktoren sieben und acht vorgesehen gewesen.
       
       Laut Litauens Regierung hat Hitachi GE den Zuschlag erhalten, weil die
       Firma auch selbst als Investor auftreten will. Einzelheiten hierzu, ebenso
       wie zu den Baukosten wurden noch nicht genannt. Die entsprechenden Verträge
       sollen bis Ende des Jahres geschlossen werden. Litauens ursprünglicher
       Versuch, Reaktorlieferanten zu finden, die gleichzeitig die Rolle des
       Betreibers spielen würden, war im vergangenen Jahr mit einer Nullnummer
       gescheitert. Mit der südkoreanischen KEPCO hatte es nur einen einzigen
       Bewerber gegeben, der sein Angebot dann aber wieder zurückzog.
       
       Was Litauen für die Nuklearindustrie attraktiv macht, erklärte Westinghouse
       Europa- Direktor Anders Jackson vor einigen Wochen der litauischen
       Wirtschaftszeitung Verslo Zinios: Billige Arbeitskraft, um die Baukosten
       niedrig zu halten, willige Politiker und eine ausreichende
       Leitungskapazität, um Strom nach Mitteleuropa und Skandinavien exportieren
       zu können.
       
       ## Polen plant nun eigene Atomkraftwerke
       
       Fehlen noch die weiteren risikofreudigen Investoren, die ausreichend sicher
       sind, ihre Investitionen in Atomstrom würden sich ab 2020 und für die
       danach folgenden drei bis vier Jahrzehnte rechnen. In den Nachbarländern
       ist man zurückhaltend. Von einer gründlichen Kostenanalyse machte Lettlands
       Regierungschef Valdis Dombrowskis eine mögliche Beteiligung seines Landes
       abhängig.
       
       Polen, ursprünglich ebenfalls an einer Zusammenarbeit interessiert,
       verfolgt nun eigene AKW-Pläne. Wie überhaupt die mögliche Konkurrenz
       russischer, polnischer und weissrussischer AKW-Neubauprojekte, die auf den
       gleichen Exportmarkt wie ein litauischer Neubau zielen würden, ein grosser
       Unsicherheitsfaktor für Investoren wäre.
       
       Fukushima scheint bei den litauischen Politikern keine bleibenden Spuren
       hinterlassen zu haben. "Unterschiedliche Länder gehen unterschiedliche
       Wege" verteidigt Energieminister Arvydas Sekmokas den Nuklear-Kurs der
       Regierung und verweist auf das Beispiel Frankreich und Finnland. In der
       Bevölkerung gab es nach der Katastrophe in Japan allerdings einen Schwenk
       und eine deutliche Mehrheit sprach sich zuletzt gegen einen AKW-Neubau aus.
       
       Litauen hatte 2004 und Ende 2009 die beiden Blöcke des AKW Ignalina
       abgeschaltet. Die Stillegung dieser aus Sowjetzeiten geerbten und als
       besonders unsicher eingeschätzten graphitmoderierten Siedewasserreaktoren
       war eine Voraussetzung für den EU-Beitritt des Landes gewesen. Der
       AKW-Neubau soll bei Visaginas in der Nähe der alten Ignalina-Reaktoren
       erfolgen. Der Standort gilt als erdbebengefährdet.
       
       15 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
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 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
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