# taz.de -- Debatte Eurobonds: Schlagseite des Eurobonds
       
       > Auch wenn es auf den ersten Blick so erscheinen mag: Eine europäische
       > Schuldenagentur ist keine Lösung für die gegenwärtige Finanzkrise.
       
 (IMG) Bild: Sieht den Eurobonds sehr skeptisch: Wolfgang Schäuble.
       
       Unter progressiven Denkern scheint es aktuell zum guten Ton zu gehören,
       sich mit einiger Verve für Eurobonds auszusprechen. (Nicht zuletzt in
       vielen Beiträgen der taz). Aber nicht jede Art von straffer Knebelung
       verschafft allen immer Lust, manchmal tut es manchen auch einfach nur weh.
       
       Man kann Eurobonds aus drei Gründen sehr skeptisch gegenüberstehen. Der
       erste Einwand sind ungeklärte verfahrenstechnische Fragen. Wer soll
       eigentlich bestimmen wie viel ein Land an Eurobonds bekommen soll? Dazu
       liest man wenig. Bisher ist die Staatsverschuldung nationale Sache, die
       durch die bekannten zwei Grenzziehungen seitens der EU-Verträge limitiert
       wird: in der Summe nicht mehr als 60 Prozent des BIP und 3 Prozent davon
       bei der Nettoneuverschuldung.
       
       Nun sind diese Schranken in der Finanzkrise so gut wie überall gerissen
       worden. Und die EU-Kommission versucht Schadensbegrenzung, indem ein Pfad
       des langsamen Abschmelzens zu den alten Werten definiert werden soll. Wie
       müsste man sich die Verteilung der Eurobonds vorstellen, soll etwa auch
       hier die Kommission (ein bekanntlich wenig demokratisches Gremium)
       entscheiden, wie viele Kredite ein Land zukünftig aufnehmen darf? Das wäre
       eine extreme Entmachtung nationaler Politik.
       
       Eine Alternative stellt die Fixierung einer Untergrenze dar. Jean-Claude
       Juncker hat vorgeschlagen, dass durch Eurobonds maximal ein Umfang von 40
       Prozent des jeweiligen BIP abgedeckt werden sollen. Aber das würde etwa
       Griechenland gar nicht wirklich helfen. Denn wenn es für den - erheblichen
       - Rest weiter Fantasiezinsen zahlen muss, bleibt es auch mit Eurobonds ein
       Pleitekandidat. Und was passiert, wenn die griechischen (oder irischen oder
       …) Abgeordneten die Faxen der aufgezwungenen Austeritätspolitik einmal
       dicke haben und ihren Anteil bei den Eurobonds einfach nicht mehr zahlen?
       Selbst wenn die EU dann ihre sonstigen Zahlungen einstellen würde, das
       dürfte sich immer noch lohnen. Diese Gefahr erklärt, warum die
       US-Bundesstaaten, die ja auch eine Währungsunion darstellen und hohe
       Zinsdifferenzen unter sich aufweisen, für ihre Schulden eben nicht
       wechselseitig haften mögen.
       
       ## "No-Bail-out"-Klausel
       
       Dann ist da noch ein zeitliches Problem. Eurobonds sind einfach kein
       kurzfristig geeignetes Mittel, die Kreditkrise mehrerer Länder der EU in
       den Griff zu bekommen. Ihre Einführung verlangt nichts weniger als eine
       Änderung des Europavertrags.
       
       Im Moment können die Hilfen für Griechenland, Irland und Portugal noch über
       den Artikel 122 abgewickelt werden, der den finanziellen Beistand im Falle
       außergewöhnlicher Ereignisse erlaubt. Mit Eurobonds, die ja allen
       Mitgliedern der Eurogruppe auch im Nichtkrisenfall als eine Art
       Standardeinnahme zur Verfügung stehen sollen, ist eindeutig Artikel 125
       angesprochen. Und da heißt es nun wenig auslegbar klar ausgedrückt, dass
       die Union nicht für die Verbindlichkeiten der Mitgliedstaaten haftet. Das
       ist die berühmte "No-Bail-out"-Klausel aus dem Maastricht-Vertrag, ohne den
       es mit hoher Wahrscheinlichkeit den Euro nie gegeben hätte.
       
       Ein zur Einführung von Eurobonds nötiges Vertragsänderungsverfahren zur
       Änderung oder Aufhebung dieses Artikels, das von allen Mitgliedstaaten mit
       positivem Ergebnis durchgeführt werden muss, dauert aber Jahre. Und das
       Ergebnis für ein solches Vorhaben wäre bei mittlerweile 27 Staaten noch
       dazu durchaus ungewiss. Denn man kann drittens auch politisch ein großes
       Fragezeichen hinter dieses Projekt setzen. Eurobonds bedeuten, dass die
       Länder der Eurozone kollektiv Anleihen zu einem dann gemeinsamen Marktzins
       ausgeben.
       
       Da unter den Staaten aber solche mit sehr guter wie mit sehr schlechter
       Bonität sind, wird es für manche Länder eine signifikante Zinssenkung, für
       andere aber eine Zinssteigerung bedeuten. Für Deutschland lautet eine
       Schätzung, dass hier jährlich um 17 Milliarden Euro höhere Zinslasten
       anfielen. Der aktuelle Versuch der schwarz-gelben Regierung, eine
       Steuersenkung durchzusetzen ist auf breite Ablehnung gestoßen. Die
       berechtigte Kritik: Das Staatswesen in Deutschland ist magersüchtig
       geworden, und einen weiteren Abfall im Umfang und in der Qualität
       öffentlicher Daseinsvorsorge wollen viele Bürgerinnen und Bürger nicht mehr
       sehen.
       
       ## Wo bleibt die Demokratie?
       
       Wer also 17 Milliarden jährlich mehr ausgeben möchte, sollte durchaus auch
       eine Idee haben, wie dies zu finanzieren wäre. Und sollte auch Argumente
       gegenüber dem Einwand bereit haben, ob wir mit diesen dann generierten
       zusätzlichen Einnahmen nicht besser hier etwas unternehmen sollten wie:
       bessere Bildungsangebote, höhere Hartz-IV-Sätze, eine noch stärkere
       Förderung erneuerbarer Energie.
       
       Dieser Betrag wäre also eine weitere Transferleistung von Ländern bester
       Bonität wie Deutschland, Frankreich, die Niederlande an andere Eurostaaten,
       von Irland bis Italien. Das kann man natürlich durchaus auch befürworten.
       Schließlich sind die großen europäischen Programme wie der Kohäsionsfonds
       oder der Sozialfonds ebenfalls Transferzahlungen, bei denen die
       wohlhabenderen Länder bewusst netto draufzahlen. Aber es wäre bei den
       Eurobonds eine Leistung, die weder demokratisch unter Mitwirkung des
       Europäischen Parlaments gestaltet wird, noch für die eine Gegenleistung
       vorgesehen ist.
       
       Wenn schon Transferausweitung und wenn schon Änderung der Verträge, dann
       bitte künftig auch Mitwirkung etwa der Art, dass die Steuersysteme in den
       begünstigten Ländern in Ordnung gebracht werden. Dass nicht mehr Irland für
       Kapitalgesellschaften eine Steueroase bleibt und in Griechenland gut
       verdienende Selbstständige sich der Besteuerung entziehen können. Solche
       Gegenleistungen wird man aber nicht bekommen, wenn über Eurobonds der
       Transfer nur indirekt statt direkt über ein Budget stattfindet. Da die
       demokratische Gestaltung außen vor bleibt, sind Eurobonds eigentlich gar
       kein progressives Projekt. Es wäre wirklich ein wenig zu viel des
       Masochismus, wenn man von Deutschland aus etwa die Regierung Berlusconi
       mitsubventionieren würde, ohne sich wenigstens eine politische Mitsprache
       über die Gestaltung der Verhältnisse in Italien dafür einzukaufen.
       
       17 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gerd Grözinger
       
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