# taz.de -- "News of the world"-Affäre: Schlammschlacht um Scotland Yard
       
       > Beim Murdoch-Abhörskandal geht es nicht mehr nur um illegale Praktiken.
       > Es geht um Korruption auf allerhöchster Ebene. Und darin verwickelt sind
       > sie alle irgendwie.
       
 (IMG) Bild: Will aufklären und steht ebenso unter Verdacht: Premierminister David Cameron.
       
       Es ist längst nicht mehr nur ein Skandal um illegale Recherchepraktiken bei
       der mittlerweile eingestellten Sonntagszeitung News of the World (NoW). Es
       ist auch nicht mehr nur ein Skandal um die parteiübergreifende Nähe des
       britischen politischen Establishments zum Medientycoon Rupert Murdoch und
       seinem Zeitungs- und TV-Imperium. Es wird zu einem Imagekrieg und zu einer
       Affäre über mögliche Korruption auf höchster Ebene bei der Polizei.
       
       Der Rücktritt des Londoner Polizeichefs Paul Stephenson am Sonntag war
       zeitlich kalkuliert, um Premierminister David Cameron in maximale Nöte zu
       bringen. In seiner Rücktrittserklärung verglich er sich und seine
       Beschäftigung des ehemaligen NoW-Vizechefredakteurs Neill Wallis mit
       Cameron und dessen Beschäftigung des ehemaligen NoW-Chefredakteurs Andy
       Coulson.
       
       Kommentatoren witterten darin eine implizite Rücktrittsforderung an
       Cameron. Dieser war gerade im Aufbruch zu einer lange geplanten fünftägigen
       Afrikareise. Am Montag dann kündigte Cameron auf seiner ersten Station
       Südafrika den Abbruch seiner Reise an, um am Mittwoch im Parlament Rede und
       Antwort zu stehen. Das Unterhaus wäre eigentlich nach dem Dienstag in die
       Sommerferien entschwunden.
       
       Wieder einmal, wie schon mehrfach in dieser Affäre, sieht das zunächst nach
       einem Triumph für Labour-Führer Ed Miliband aus, der eine Sondersitzung für
       Mittwoch gefordert hatte, kurz bevor Cameron sie ankündigte. Und wieder
       einmal fragt man sich beim zweiten Hinsehen, was genau es bringen soll. Die
       Labour-Opposition versucht, aus der Affäre politisches Kapital zu schlagen,
       aber sie kommt bei der Sache selbst nicht gut weg.
       
       ## Beratervertrag für beteiligte Firma
       
       Bei Stephensons Rücktritt geht es darum, ob die Polizei die im Jahr 2006
       aufgenommenen Ermittlungen gegen das Blatt bewusst im Sande verlaufen ließ.
       Der damalige stellvertretende Polizeichef Andy Hayman stellte die
       Ermittlungen ein und sagte, die Terrorbekämpfung sei wichtiger. Dann
       verließ er Scotland Yard und wurde Kolumnist bei der Times, ebenfalls in
       Murdochs Besitz.
       
       Sein Nachfolger John Yates reagierte zunächst nicht, als der linke Guardian
       2009 aufdeckte, dass der Hackingskandal größere Dimensionen hatte als
       bekannt. Stattdessen gab die Londoner Polizei der PR-Firma Chamy Media des
       am Hacking beteiligten ehemaligen Vizechefredakteurs der NoW, Neill Wallis,
       einen Beratervertrag. John Yates reichte Montagnachmittag seinen Rücktritt
       ein. Zuvor hatte Londons Polizeibehörde ihn suspendiert und ihm mitgeteilt,
       die Vorwürfe gegen ihn müssten unabhängig untersucht werden.
       
       Alle Ereignisse, um die es jetzt geht, geschahen unter einer
       Labour-Regierung, die bis Mai 2010 im Amt war. So hätte eigentlich auch die
       damalige Labour-Regierungsmannschaft Fragen zu beantworten, Parteichef Ed
       Miliband inklusive, ab 2007 Kabinettsdirektor und ab 2008 Umweltminister.
       Er selbst verdankt seinen Posten den Stimmen der Gewerkschaften, deren
       finanzielle Macht in der Labour-Partei Blair einst erfolglos zu brechen
       versucht hatte, und Milibands Familie ist persönlich mit der
       Guardian-Chefetage befreundet.
       
       Aber den aktuellen Skandal muss jetzt David Cameron ausbaden, obwohl er
       erst im Mai 2010 Premierminister wurde.
       
       ## Cameron weiter unter Druck
       
       Der Konservative will sich jetzt als Aufräumer präsentieren. "Ich habe ganz
       klar gesagt, dass das Verhältnis zwischen Politikern und Medien nicht
       richtig gewesen ist", sagte er gestern in Johannesburg vor der Presse.
       "Unter meiner Führung hat das aufgehört, und ich bin entschlossen, dem auf
       den Grund zu gehen." Cameron steht allerdings selbst unter Beschuss, weil
       er von 2007 bis Anfang dieses Jahres den einstigen NoW-Chefredakteur Andy
       Coulson, unter dessen Leitung der Telefonskandal stattfand, als seinen
       Chefsprecher engagiert hatte und bis heute mit ihm befreundet ist.
       
       Der rechte Parteiflügel der Konservativen hat diese Berufung immer
       kritisiert und als Beleg dafür gewertet, dass Cameron sich allzu sehr an
       Tony Blair und New Labours Bemühungen um gute PR orientiere. Allerdings
       steht die Tory-Rechte jetzt eher noch schlechter da als Cameron, denn sie
       steht dem wichtigsten parteiinternen Rivalen Camerons nahe, Londons
       Oberbürgermeister Boris Johnson, der für die Londoner Polizei die direkte
       Verantwortung trägt und der den ganzen Skandal noch im September 2010 als
       "Blödsinn" qualifizierte.
       
       Montagnachmittag sagte Johnson auf einer Pressekonferenz, er habe den Ernst
       der Vorwürfe "missverstanden"; diejenigen, die die Sache weiterverfolgten,
       hätten "völlig recht" gehabt. Ob er sich entschuldige, wurde er gefragt.
       "Nein", antwortete er. "Man geht nach der Beratung, die man bekommt."
       
       Dennoch stellte sich der Oberbürgermeister hinter seine beiden
       zurückgetretenen Polizeichefs Stephenson und Yates: "Nichts ist gegen die
       Sauberkeit oder den Professionalismus des einen oder des anderen bewiesen
       worden." Und gefragt, ob Cameron als Premierminister zurücktreten sollte,
       gab Johnson die erstaunliche Antwort, das müsse der Premierminister
       beantworten.
       
       18 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
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