# taz.de -- In Celle werden Bewerbungen anonymisiert: Leistung soll sich wieder lohnen
       
       > Die Stadt Celle hat gute Erfahrungen mit anonymisierten
       > Bewerbungsverfahren gemacht. Die Kommune will sie auch über ein laufendes
       > Pilotprojekt hinaus erhalten.
       
 (IMG) Bild: Durch Qualifikation überzeugen: In Celle müssen Bewerber ein anonymisiertes Verfahren durchlaufen.
       
       HAMBURG taz | Was denkt der Personaler, wenn er liest, dass ich gern Bungee
       springe? Und Opern höre? Was hält er von meinem ausländischen Nachnamen?
       Und davon, dass in meinem Lebenslauf eine Lücke von einem Jahr klafft?
       Sollte ich auf meinem Foto aussehen wie jeden Tag oder doch lieber seriös?
       
       Diese Fragen muss sich ein Bewerber nicht mehr stellen - zumindest, wenn er
       sich auf einen Job bei der Stadtverwaltung Celle bewirbt. Die Stadt ist die
       einzige, die - gemeinsam mit sieben anderen Arbeitgebern - an dem
       bundesweiten Pilotprojekt "Anonymisierte Bewerbungsverfahren" seit etwas
       mehr als einem halben Jahr teilnimmt. Jetzt zieht sie eine durchweg
       positive Zwischenbilanz.
       
       Fünf Stellen im Rathaus seien in den vergangenen Monaten durch das
       anonymisierte Bewerbungsverfahren besetzt worden, heißt es aus der
       Stadtverwaltung. Darunter gebe es einen Bewerber, der aufgrund einer
       sichtbaren Augenbehinderung von Personalern immer wieder abgelehnt worden
       war.
       
       "Ich bin froh, dass wir an diesem Modellprojekt teilnehmen dürfen", sagt
       Celles Oberbürgermeister Dirk-Ulrich Mende (SPD) der taz. Er will das
       anonymisierte Bewerbungsverfahren auch nach Projektende "in seinem
       Portfolio behalten", wie er sagt. Es soll in Celle also beides geben:
       anonymisierte Bewerbungen und solche mit vollständigen Angaben.
       
       Initiiert hat das Projekt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS).
       30 Unternehmen wurden angeschrieben, fünf davon beteiligen sich an dem
       Modellprojekt, das im November 2010 begonnen hat: die Konzerne Deutsche
       Post, Telekom, LOréal, Procter & Gamble und MyDays. Hinzu kamen das
       Bundesfamilienministerium, die Arbeitsagentur Nordrhein-Westfalen und die
       Stadt Celle.
       
       Das Verfahren besteht keineswegs aus "Bewerbungen ohne Gesicht", wie
       Kritiker behaupten. Nur die schriftliche Bewerbung wird anonymisiert. Name,
       Geschlecht, Alter, Adresse, Hobbys, Familienstand und Jahreszahlen im
       Lebenslauf werden genauso unterschlagen wie das Foto. Haben die Personaler
       eine erste Auswahl getroffen, bekommen sie die vollständigen Unterlagen, um
       sich auf die Bewerbungsgespräche vorzubereiten. Im Gespräch selbst muss
       jeder Bewerber überzeugen wie vorher auch.
       
       "Statistiken zeigen, dass gerade beim Aussortieren von Bewerbungsunterlagen
       die Diskriminierungsrate besonders hoch ist", sagt die ADS-Leiterin
       Christine Lüders. "Auch wenn die Diskriminierung oft gar nicht bewusst
       erfolgt." So werden beispielsweise türkische Bewerber, alleinerziehende
       Frauen und ältere Menschen öfter aussortiert als andere - trotz gleicher
       Qualifikation.
       
       Das soll das anonymisierte Bewerbungsverfahren verhindern. Die Arbeitgeber
       haben verschiedene Möglichkeiten, es durchzuführen: entsprechende Daten
       durch ein Onlinesystem blindschalten, Qualifikationen in eine Tabelle
       eintragen, Bewerbungsschreiben per Hand schwärzen oder ein standardisiertes
       Online-Bewerbungsverfahren anwenden.
       
       Letzteres tut die Stadt Celle. "Dadurch wird uns sehr schnell klar, welcher
       Bewerber passt und welcher nicht", sagt Oberbürgermeister Mende. Auch wenn
       die zweite Runde länger dauere als beim herkömmlichen Verfahren, weil mehr
       Bewerber zu einem Gespräch eingeladen würden: Unterm Strich sei der Aufwand
       vergleichbar.
       
       Erst kürzlich hätten sich auf den Posten des Baudirektors Bewerber gerade
       deshalb gemeldet, weil das Verfahren anonymisiert ablief. "Ich hatte schon
       immer den Anspruch an mich selbst, anders als in anderen Kommunen, keine
       Stellen politisch zu besetzen", sagt Mende. Deshalb hatte er sich an die
       ADS gewandt.
       
       Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet, valide Daten sollen im
       Frühjahr 2012 vorliegen. ADS-Leiterin Lüders setzt auf Freiwilligkeit, sie
       will keine gesetzliche Regelung. "Im Grunde wünscht sich doch jeder
       Bewerber, wegen seiner Qualifikation eingestellt zu werden."
       
       19 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Emilia Smechowski
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Pilotprojekt
       
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