# taz.de -- Überraschungserfolg "Brautalarm": Die Braut, die auf die Straße scheißt
       
       > In "Brautalarm" widerlegen sechs talentierte Komödiantinnen - vor allem
       > Kristen Wiig - die gängige Lehrmeinung, dass Frauen schön sind, aber
       > nicht komisch.
       
 (IMG) Bild: So grob die Gags auch werden, merkt man "Brautalarm" doch immer eines an: Es ist ein Film, der Frauen mag.
       
       In künftigen Kompendien der "besten Filmszenen" darf sie nicht fehlen: Die
       Szene aus "Brautalarm", in der Kristen Wiig pantomimisch einen Penis
       imitiert, der um einen Blowjob bittet. Wer es sich nicht vorstellen kann,
       muss hingehen und selber sehen: Zwei Frauen, wie sie am Kaffeetisch sitzen
       und über das verunglückte Sexleben der einen sprechen, woraufhin diese zur
       Erklärung einiger intimer Details zu Mienen- und Gebärdenspiel übergeht und
       mit nichts anderem als Gesichtsausdruck und Schulterhaltung eine
       verblüffende Ähnlichkeit erzielt. Es ist urkomisch.
       
       Der kursorische Blick in die bislang erschienen Filmkritiken legt
       allerdings nahe, dass dieser Höhepunkt subtiler Frauenkomik von einer
       anderen Szene von etwas gröberem Humor ausgestochen wird: eine Braut im
       flauschigen Tüllornat, die aus dem Brautkleidershop auf die Straße flieht,
       zunächst verzweifelt Ausschau hält und dann resigniert in die Knie geht, im
       eigenen Tüll versinkend. Obwohl uns die Kamera die unappetitlichen Details
       erspart, weiß der Zuschauer doch, dass diese Frau da gerade etwas tut, was
       man einer Braut nie zutrauen wollte. Die Stichworte Lebensmittelvergiftung
       und Toilettenverstopfung mögen genügen, um den Kontext anzudeuten. Es ist
       eine Szene, auf die das Publikum mit dem, was man brüllendes Gelächter
       nennt, zu reagieren pflegt.
       
       Die Braut, die auf die Straße scheißt, ist zum Kennzeichen dieses Films
       geworden, dem der Ruf des Derben und Vulgären vorauseilt, begleitet von
       einem spitzen Schrei - und das in einem Frauenfilm! Denn tatsächlich: rein
       handlungstechnisch, um bewusst eine eher männliche Kategorie anzuführen,
       handelt es sich bei "Brautalarm" um einen "Chick Flick", einen Frauenfilm
       der schlimmsten Sorte. Schließlich dreht sich alles um eine Hochzeit. Im
       Mittelpunkt steht jedoch nicht die vermeintlich glückliche Braut Lillian
       (Maya Rudolph), sondern deren beste Freundin Annie (Kristen Wiig). Und
       Annie macht gerade eine raue Phase durch, sowohl im Privat- als auch im
       Berufsleben. Mit ihrem Backshop ist sie pleitegegangen, nun jobbt sie
       lustlos in einem Juwelierladen, wo sie als Beziehungsskeptikerin eine
       denkbar schlechte Figur macht. Ihre erotischen Energien konzentriert sie
       auf einen reichen Angeber (Jon Hamm), der Sex als Gymnastik versteht und
       sie nach vollzogenem Akt recht taktlos nach Hause schickt. Dabei hatte sie
       sich gerade noch ins Bad geschlichen und nachgeschminkt. "Brautalarm", das
       deutet sich in diesen ersten Szenen schon an, nimmt sein Emblem
       "Frauenfilm" auf eine ganz andere Weise ernst, als es die üblichen
       "Romantic Comedies" (Romcoms) tun.
       
       Es trifft sich also gar nicht gut, dass Annie von ihrer besten Freundin
       Lillian zur "Maid of Honor" ernannt wird und damit auch die Verantwortung
       für die entsprechenden Feierlichkeiten übernehmen soll. Wer das
       Romcom-Genre kennt, weiß, welch Hindernisparcours damit gemeint ist: Von
       der "Bridal Shower" über den Junggesellinnenabschied bis zum "Rehearsal
       Dinner", gesäumt von Unternehmungen wie dem gemeinsamen Kleider-, Speisen-
       und Blumenaussuchen. Selbst für gefestigtere Charaktere als Annie wäre das
       eine Überforderung, und vielleicht hätte sie abgesagt, wenn nicht auf der
       Verlobungsparty eine Konkurrentin auf den Plan getreten wäre: Helen (Rose
       Byrne), die als perfektionierte Weiblichkeit in jeder Hinsicht das
       Gegenteil der strauchelnden Annie verkörpert. Die beiden liefern sich noch
       am gleichen Abend ein Rededuell um den "emotionalsten" Beitrag zu Ehren
       ihrer Freundin Lillian. Es ist der Auftakt zu einer jener Frauenfehden, von
       denen man zwar weiß, dass sie im heillosen Chaos enden, denen man aber
       gebannt folgt, weil nie genau vorherzusagen ist, was und vor allem wie es
       schiefgeht.
       
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       ## Sex-and-the-City-Rekord gebrochen
       
       Mit diesem kuriosen Mix aus derbem Humor, realistischem Frauenbild und
       bewährten Chick-Flick-Elementen stieg "Brautalarm" in den USA zum
       meistdiskutierten Phänomen der Kinosaison auf. Obwohl ein Mann Regie führt
       (Paul Feig) und ein weiterer, nämlich Judd Apatow, als Produzent
       verantwortlich zeichnet, firmiert "Brautalarm" als Frauenprojekt. Und das
       weniger, weil Hauptdarstellerin Kristen Wiig (mit Annie Mumolo) selbst das
       Drehbuch schrieb, als vielmehr aufgrund der Umdrehung des
       Geschlechterproporzes: Im Vordergrund stehen gleich sechs Frauen mit ganz
       unterschiedlichem komischen Profil, von denen neben den bereits erwähnten
       Kristen Wiig, Maya Rudolph und Rose Byrne vor allem die kräftige, jedes
       Klischee der dicken Frau selbstbewusst sprengende Melissa McCarthy als
       Megan herausragt. Männer dagegen finden sich ganz auf Nebenrollen mit wenig
       Text reduziert. Und es kommt noch schlimmer: Es wird auch kaum über sie
       geredet. Die zentralen Konflikte drehen sich nicht um die Verhältnisse der
       Frauen zu den Männern, sondern um ihre Beziehungen untereinander. Wobei
       Annies Verunsicherung darüber, was durch Lillians Hochzeit mit ihrer
       Frauenfreundschaft passiert, die melancholische Grundierung der Komödie
       bildet.
       
       Das Erstaunliche ist nun, dass "Brautalarm" trotz dieser
       Frauenzentriertheit, die selbst im Romcom-Genre eine Seltenheit ist,
       mittlerweile mehr als 150 Millionen Dollar einspielte und damit den bisher
       von "Sex And The City" gehaltenen Rekord für einen Film seiner Art
       gebrochen hat. Ein Erfolg dieser Größe hinterlässt in Hollywood stets seine
       Spuren. Wo bislang die Devise galt, dass es leichter sei, den
       Disney-Studios einen nichtjugendfreien Film zu verkaufen als eine
       Produktion mit anspruchsvollerem Frauenbild auf die große Leinwand zu
       bringen, hört man nun von einer ganzen Reihe weiblich ausgerichteter
       Projekte, die endlich grünes Licht bekommen. Und natürlich laufen auch
       schon die Gespräche zu "Brautalarm II".
       
       Dabei herrscht eine gewisse Unsicherheit darüber, worin nun genau das
       Erfolgsgeheimnis von "Brautalarm" besteht. Sind es die talentierten
       Komikerinnen, allen voran die geniale Kristen Wiig, die hier endlich einmal
       zeigen dürfen, was sie drauf haben, und die gängige Lehrmeinung von wegen
       Frauen seien schön, aber nicht komisch, widerlegen? Ist es der
       "Jungsfilmhumor", der mit Gags zu Körperausscheidungen und misslichen
       Sexsituationen Filmen wie "Hangover" oder "Jungfrau (40), männlich, sucht
       …" ein feminines Paroli bietet? Oder ist es der Schock über den
       unanständigen Humor, der Frauen auf eine Weise zeigt, wie man bislang
       dachte, dass sie niemand sehen will, weder das männliche noch das weibliche
       Publikum?
       
       Bevor die Nachfolgeprojekte in dieser Hinsicht mehr Klarheit verschaffen,
       muss man sich auf eine erste Zahlenanalyse verlassen. Während eine
       "Männerkomödie" wie "Hangover" unter seinen Zuschauern gute 40 Prozent
       Frauen verzeichnet, sind es bei "Frauenkomödien" wie "Sex And The City"
       kaum 20 Prozent Männer, die mit ins Kino gehen. "Brautalarm" aber brachte
       es in den ersten Tagen auf hoffnungsvolle 35 Prozent männliches Publikum.
       Wer den Film gesehen hat, mag diesen Erfolg nicht allein dem derben Humor
       der Marke Judd Apatow zuschreiben, der "Brautalarm" auf mal mehr und mal
       weniger effektvolle Weise durchzieht. Es kann nämlich auch gut daran
       liegen, dass die hier so wunderbar verhalten komisch von Kristen Wiig
       ausagierten Konflikte gleichzeitig sehr spezifisch weiblich als auch
       universell sind. Das eigene Ungeschick und die eigenen Selbstzweifel im
       Clinch mit der vermeintlichen körperlichen und geistigen Perfektion der
       anderen - das ist ein Kampf, den auch Männer ausfechten. Und noch etwas, so
       grob die Gags auch werden, merkt man "Brautalarm" doch immer eines an: Es
       ist ein Film, der Frauen mag.
       
       21 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Schweizerhof
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Psychiatrie
       
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