# taz.de -- Suizid aus Angst vor Abschiebung: Minister erntet Widerspruch
       
       > Wohl aus Verzweiflung über seine drohende Abschiebung nahm sich ein
       > Asylbewerber im Kreis Gifhorn das Leben. Seine frühere Lebensgefährtin
       > bezichtigt das Innenministerium nun erneut der Lüge
       
 (IMG) Bild: Kennt bei Abschiebungen keine Milde: Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU)
       
       BREMEN taz | Die Chancen, dass noch geklärt wird, was in den letzten Tagen
       des Lebens von Shambhu Lama geschah, stehen schlecht. In diesen Tagen hat
       das niedersächsische Innenministerium die zweite Anfrage der Linkspartei
       zum Freitod des nepalesischen Asylbewerbers aus dem Landkreis Gifhorn
       beantwortet. Der 40-jährige Vater eines deutschen Kindes hatte sich im März
       offenbar aus Verzweiflung über seine angekündigte Abschiebung von einem Zug
       überrollen lassen. Und wie schon nach der ersten Stellungnahme von
       Innenminister Uwe Schünemann im April widerspricht die Ex-Freundin des
       Toten, Nadine Tannenberg, erneut der offiziellen Darstellung.
       
       Dabei geht es vor allem um Lamas Vaterschaft. In einem "ausführlichen
       Telefongespräch" zwischen der in Bad Harzburg lebenden Tannenberg und der
       Ausländerbehörde habe die "Kindesmutter am 14. Februar 2011 zu erkennen
       gegeben, dass sie nicht explizit an einem Besuchsumgang des Kindesvaters
       mit ihrem Kind interessiert sei", schreibt das Innenministerium. Für
       Tannenberg ist das eine glatte Lüge: "Ich habe sehr wohl und ausdrücklich
       klar gemacht, dass ich es für sehr wichtig hielt, dass Joshua Chris seinen
       Vater sieht."
       
       ## Regelmäßige Besuche
       
       Lama habe den Sohn regelmäßig besucht. Dem seit 15 Jahren in Deutschland
       nur Geduldeten hätte dadurch ein Bleiberecht zugestanden, obwohl das
       Sorgerecht bei der Mutter lag. So entschied es nach Lamas Tod das
       Verwaltungsgericht Braunschweig. Die Ausländerbehörde streitet ab, dass es
       eine "aktiv gelebte Vater-Kind-Beziehung gab, die einen weiteren Aufenthalt
       des Ausländers hätte begründen können".
       
       Tannenberg hat nach dem Telefonat der Osnabrücker Anwältin Lamas, Daniela
       Öndül, eine Mail geschrieben, damit die Tannenbergs Position bei der
       Ausländerbehörde noch mal klarstellt: "Herr Lama hat jeden Umgangstermin
       wahrgenommen, er bemüht sich sehr um Joshua und gibt sich große Mühe",
       stand darin. "Sein Sohn bedeutet ihm viel. Für Joshua halte ich es für sehr
       wichtig, dass er die Möglichkeit hat, seinen leiblichen Vater zu sehen."
       
       Der Landkreis Gifhorn hielt gleichwohl an den Abschiebeplänen fest - nur
       das Sorgerecht würde einen Aufenthalt begründen. "Wenn ich gewusst hätte,
       dass es gar nicht anders geht, hätte ich auch das Sorgerecht mit ihm
       geteilt", sagt Tannenberg. Doch die Ausländerbehörde habe sie nicht über
       den für den 3. März festgesetzten Abschiebetermin informiert. Und in noch
       einem Punkt wirft sie der Behörde Falschangaben vor: der Frage, wann Lama
       zuletzt auf der Ausländerbehörde war. Der Suizid geschah am Dienstag, dem
       1. März. Am Vortag hat Lama Tannenberg und sein Kind in Bad Harzburg
       besucht. "Er war sehr verzweifelt und hat geweint", sagt Tanneberg. Und:
       "Er war noch am selben Morgen in der Ausländerbehörde und hatte darum
       betteln müssen, eine Besuchserlaubnis für den Landkreis Goslar zu
       bekommen." Die am Montagvormittag ausgestellte Besuchserlaubnis habe er ihr
       gezeigt, sagt Tannenberg.
       
       ## Panik vor Abschiebung
       
       Das Innenministerium sagt, dass Lama die Erlaubnis bereits am Freitag, dem
       25. Februar, persönlich auf der Ausländerbehörde des Landkreises Gifhorn
       entgegengenommen habe. Das sei der letzte Kontakt zwischen Lama und der
       Behörde gewesen.
       
       Das ist insoweit von Bedeutung, als dass Freunde Lamas glauben, Lama sei
       bei einem Behördentermin am Montagvormittag gesagt worden, dass seine
       Abschiebung unmittelbar bevorstehe, er daraufhin in Panik geraten sei und
       sich am nächsten Tag getötet habe.
       
       Die Linkspartei wollte von Schünemann wissen, ob er nun die
       Ausländerbehörden in der Pflicht sieht, vor Abschiebungen von Eltern
       deutscher Kinder "regelmäßig zu prüfen, ob Abschiebungshindernisse
       bestehen". Seine Antwort: Es gebe "keine Veranlassung", in solchen Fällen
       "die niedersächsischen Ausländerbehörden auf die ihnen obliegenden Aufgaben
       hinzuweisen".
       
       Für die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Pia Zimmermann, ist
       diese Antwort "zynisch und menschenverachtend". Es sei "bezeichnend", dass
       das Innenministerium keine Maßnahmen einleiten wolle, um solche Vorfälle
       künftig auszuschließen, sagte Zimmermann. "Schünemanns Leitmotiv in der
       Flüchtlingspolitik ist und bleibt: Hauptsache raus!"
       
       22 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Jakob
       
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