# taz.de -- Rechte und linke Gewalt: Alles ist gefährlich
       
       > Das Massaker von Oslo war nicht extremistisch: Es war pure rechte Gewalt.
       > In der Bundesrepublik hat deren Verharmlosung mit Verweis auf Linke schon
       > Tradition.
       
 (IMG) Bild: Um es mit den Worten von Ernst Jandl zu sagen: manche meinen / lechts und rinks / kann man nicht velwechsern / werch ein illtum
       
       BERLIN taz | Als Journalist einfach mal Begriffe oder Wortfolgen durch die
       Suchmaschine zu jagen hat den professionell gleich niedrigen Stellenwert
       wie die berüchtigte Unterhaltung mit dem Taxifahrer. Trotzdem reden
       Journalisten natürlich mit Taxifahrern - in der heutigen Zeit meist, um
       ihnen den Weg zum gewünschten Reiseziel zu erklären; und sie benutzen
       Google: "Extremismus von links und rechts" ist zum Beispiel so eine
       Kombination, die 5.750 Ergebnisse bringt.
       
       Ach, so wenig? Trotz Oslo, brennender Autos, Geert Wilders und Athener
       Chaoten? Das Rätsel ist schnell gelöst. Die Wortkombination hat einen
       kleinen, feinen Konkurrenten, und der geht so: "Extremismus von rechts und
       links" - und bringt 266.000 Ergebnisse. Natürlich kann man hier von einem
       Zufall sprechen, sozusagen als Pendant zur Einzeltäterthese im Fall Oslo;
       man kann sagen, so sei nun mal der Sprachgebrauch; man kann sich aber auch
       ein paar Gedanken machen, Spekulationen sozusagen. Keine Sorge: Wir werden
       hier nicht orakeln, dass ziemlich sicher Islamisten an allem schuld sind.
       
       Wir vermuten Folgendes: Immer wenn in Deutschland und Europa Nazis oder
       sich anders definierende Rechtsextremisten Menschen erschießen, totprügeln
       oder verbrennen, wird im gleichen Atemzug vor einer bedrohlichen
       linksextremistischen Gewalt gewarnt und diese damit mit den Bordstein-Kicks
       der Rechten gleichgesetzt - obwohl in der Bundesrepublik der politische
       Mord von links seit der RAF aus der Mode gekommen ist. Und das ist ja nun
       schon eine Weile her.
       
       Das hinderte Bundesinnenminister Friedrich (CSU) allerdings nicht daran,
       bei der Vorstellung des jüngsten Verfassungsschutzberichtes zu äußern: "Wir
       haben zwar mehr gewaltbereite Personen in der rechten Szene. Betrachtet man
       aber die Straftaten, bei denen tatsächlich Gewalt angewandt wird, stellt
       man fest: Sie werden mehrheitlich von Linksextremisten verübt." Von 1990
       bis 2010 haben nach Recherchen der Zeit und des Tagesspiegels mindestens
       137 Menschen ihr Leben durch Angriffe rechtsextremer Täter verloren.
       
       ## Solidarisierung mit dem Mob
       
       Die Verharmlosung hat Tradition. Als im August 1992 das Pogrom von
       Rostock-Lichtenhagen im Gange war - das als Negativsymbol für das
       wiedervereinigte Deutschland um die ganz Welt ging -, kam auch der damalige
       Bundesinnenminister Rudolf Seiters (CDU) in die Gänge. Er solidarisierte
       sich mit dem Mob - indem er, was er tat, in Politikersprech brachte: "Wir
       müssen handeln gegen den Missbrauch des Asylrechts, der dazu geführt hat,
       dass wir einen unkontrollierbaren Zustrom in unser Land bekommen haben."
       Die SPD, damals unter Lafontaine, fand das so verkehrt nicht. Das Asylrecht
       wurde in einer Gemeinschaftsaktion faktisch abgeschafft.
       
       Seiters legte aber noch einen drauf, denn doppelt hält besser: Er
       fabulierte einfach mal, in Rostock sei es zum ersten Mal zu "einer
       Zusammenarbeit von Autonomen und Rechtsradikalen" gekommen: "Extremismus
       von rechts und links" eben oder, wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann
       es in seiner unnachahmlich altfränkischen Art am Montag im Deutschlandfunk
       sagte: "Wir haben in den letzten Jahren natürlich ständig
       linksextremistische Gewalt in unserem Land." Genau. Richtig.
       Selbstverständlich, führte Herrmann weiter aus, "müssen wir jede Bedrohung
       und jede Form von Extremismus scharf beobachten und so gut wie irgend
       möglich auch bekämpfen".
       
       Man stelle sich vor, Angela Merkel hätte in ihrem ersten Pressestatement
       nach Fukushima nichts Besseres zu tun gehabt, als in einem Aufwasch vor den
       durchaus vergleichbaren Gefahren zu warnen, die von Kohlekraftwerken
       ausgehen.
       
       Es ist der Rechtsextremismus - und zwar der historisch verwurzelte -, der
       die größte Gefahr für alle Europäerinnen und Europäer darstellt. Die
       deutsche Politik muss endlich aufhören, einen Popanz linker Gewalt
       aufzubauen.
       
       Oder wie es kürzlich auf einer Party zu hören war: Wenn die Autonomen die
       KZs betrieben hätten, wäre man höchstens am veganen Essen gestorben.
       
       25 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ambros Waibel
       
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