# taz.de -- Nach Anschlägen in Norwegen: "Freiheit ist stärker als Angst"
       
       > Norwegen erwägt Strafverfolgung wegen Verbrechen gegen die
       > Menschlichkeit. Kronprinz Haakon ruft zu Nähe und Liebe auf. Die
       > Britische Polizei prüft Kontakte des Attentäters nach UK.
       
 (IMG) Bild: Oslo am Montag: "Heute Abend sind die Straßen mit Liebe gefüllt."
       
       OSLO/LONDON dpa/afp | Die norwegischen Ermittler erwägen offenbar eine
       Strafverfolgung des mutmaßlichen Attentäters der Anschläge vom Freitag
       wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Bislang sei dies aber nur "eine
       Möglichkeit", berichtete die Zeitung Aftensposten am Dienstag unter
       Berufung auf Staatsanwalt Christian Hatlo. Eine Verurteilung wegen
       Verbrechen gegen die Menschlichkeit zieht in Norwegen eine Maximalstrafe
       von 30 Jahren Haft nach sich. Die Verfügung war erst 2008 ins
       Strafgesetzbuch aufgenommen worden.
       
       Bislang hatte die Polizei die Anschläge in Oslo und auf der Insel Utöya mit
       mindestens 76 Toten bei ihren Ermittlungen gegen den mutmaßlichen
       Attentäter Anders Behring Breivik als Terroranschlag gewertet, wonach der
       32-Jährige zu maximal 21 Jahren Gefängnis verurteilt werden könnte. Vielen
       Norwegern erschien das zu kurz. Ein Polizeisprecher sagte der
       Nachrichtenagentur AFP, es sei nicht ausgeschlossen, dass sich die Polizei
       auf weitere Tatbestände berufen werde.
       
       ## Kronprinz Haakon Liebe als Antwort auf Gewalt
       
       Unterdessen hat Norwegens Kronprinz Haakon beim Osloer "Rosenzug" mit
       200.000 Menschen zu Zusammenhalt, Nähe und Liebe als Reaktion auf die
       Terroranschläge eines Rechtsradikalen mit 76 Toten aufgerufen. Der
       38-jährige Thronfolger sagte am Montag Abend unter anderem:
       
       "Heute abend sind die Straßen mit Liebe gefüllt. Wir wollen Grausamkeit mit
       Nähe beantworten. Wir wollen Hass mit Zusammenhalt beantworten. Wir wollen
       zeigen, wozu wir stehen. Norwegen ist ein Land in Trauer. Wir denken an
       alle, die Verluste erlitten haben. Die vermissen. (...)
       
       Diejenigen, die sich auf Utøya und im Regierungsviertel aufgehalten haben,
       waren Ziel des Terrors. Aber er hat uns alle getroffen. (...) Nach dem 22.
       Juli können wir uns nie wieder die Annahme erlauben, dass unsere Meinungen
       und Haltungen ohne Bedeutung sind. Wir müssen einander jeden Tag begegnen,
       gerüstet sein für den Kampf um die freie und offene Gesellschaft, die wir
       so mögen. (...)
       
       Heute abend sind die Straßen mit Liebe gefüllt. Wir stehen vor einer Wahl.
       Wir können das Geschehene nicht ungeschehen machen. Aber wir können uns
       entscheiden, was es mit uns als Gesellschaft und als Einzelne macht. Wir
       können uns dafür entscheiden, dass niemand allein stehen muss. Wir können
       uns dafür entscheiden, zusammenzustehen.
       
       Jeder Einzelne hat diese Entscheidung. Du hast sie, und ich habe sie.
       Zusammen haben wir eine Aufgabe zu erledigen. Diese Aufgabe steht an, wenn
       wir beim Abendessen zusammensitzen, in der Kantine, beim Vereinsleben, als
       Freiwillige, Männer und Frauen, auf dem Land und in der Stadt.
       
       Wir wollen ein Norwegen: In dem wir zusammenleben in einer Gemeinschaft mit
       der Freiheit, Meinungen zu haben und uns zu äußern. In der wir Unterschiede
       als Möglichkeiten sehen. In der Freiheit stärker ist als Angst. Heute abend
       sind die Straßen mit Liebe gefüllt."
       
       ## 
       
       Die britische Polizei geht Berichten nach, dass der Attentäter von Norwegen
       Verbindungen zu rechtsextremen britischen Gruppen hatte. Bislang gebe es
       keine Hinweise darauf, dass Anders Behring Breivik (32) die Taten in
       Großbritannien geplant habe, berichteten mehrere Medien am Dienstag.
       Offiziell hatte es am Montag aus London lediglich geheißen, ein Vertreter
       von Scotland Yard sei nach Norwegen geschickt worden.
       
       Mehrere Zeitungen nannten am Dienstag Details, denen zufolge Breivik im
       vergangenen Jahr unter anderem eine Demonstration der ultrarechten English
       Defence League (EDL) besucht haben und mit Mitgliedern der Gruppe über das
       Internet in Kontakt gewesen sein soll. Laut Independent und Daily Telegraph
       hatten rund 150 EDL-Mitglieder über das Internetnetzwerk Facebook
       Verbindungen zu Breivik. Der Norweger soll einen "hypnotischen Effekt"
       ausgeübt haben, wird ein EDL-Mann zitiert. Breivik hatte in einer im
       Internet verbreiteten Hassschrift über Kontakte nach England gesprochen.
       
       Der Vorsitzende der EDL, Stephen Lennon, verurteilte die Taten des
       Norwegers erneut und wies Verbindungen zu ihm zurück. In mehreren
       Statements auf ihrer Internetseite distanzierte sich die Gruppe von den
       Taten. In einem Interview mit dem Sender BBC warnte Lennon jedoch, dass ein
       ähnliches Attentat "in den nächsten fünf bis zehn Jahren" auch in
       Großbritannien passieren könne.
       
       In der Zeitung The Guardian hieß es, die europäische Polizeibehörde Europol
       habe weitere Mitarbeiter von Scotland Yard angefordert, um den Verbindungen
       des Attentäters ins Vereinigte Königreich nachzugehen. Bei der Behörde in
       Den Haag arbeiteten bereits britische Beamte an den Untersuchungen mit,
       hieß es.
       
       Premierminister David Cameron hatte am Montag angekündigt, Großbritannien
       überprüfe nach den Attentaten die Sicherheitslage im eigenen Land. Unter
       anderem sollten gewaltbereite Rechtsextreme noch stärker in den Fokus
       rücken.
       
       26 Jul 2011
       
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