# taz.de -- Protest gegen soziale Ungleichheit: Zehntausende Israelis auf der Straße
       
       > In zehn Städten demonstrierten am Samstag die Menschen gegen soziale
       > Ungleichheit und steigende Lebenshaltungskosten. Auch die arabische
       > Minderheit beteiligte sich. Netanjahu gerät unter Druck.
       
 (IMG) Bild: Junge DemonstrantInnen beim Samstagabend-Protest in Jerusalem.
       
       TEL AVIV afp | Zehntausende Israelis haben am Samstagabend in zehn Städten
       des Landes gegen steigende Lebenshaltungskosten und soziale Ungleichheit
       protestiert. Nach Polizeiangaben und Schätzungen in den Medien gingen
       landesweit zwischen 80.000 und 120.000 Menschen auf die Straße. Allein in
       Tel Aviv versammelten sich rund 50.000 Menschen zu einem Marsch ins
       Stadtzentrum.
       
       Die Demonstranten hielten israelische Flaggen sowie rote Fahnen in die
       Höhe. In Jerusalem versammelten sich 15.000 Menschen vor der Residenz von
       Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und hielten Spruchbänder hoch, auf
       denen zu lesen war: "Eine ganze Generation will eine Zukunft." "Das Volk
       will soziale Gerechtigkeit", riefen sie in Sprechchören. "Bibi, du bist
       gefeuert!", hieß es auf einem Schild an die Adresse des Regierungschefs.
       "Bewegt Euren Hintern, der Geist wird folgen", forderten die Demonstranten,
       offenbar im Hinblick auf die jahrelange politische Passivität vieler
       Israelis. Auch in der nordisraelischen Stadt Haifa protestierten nach
       Angaben der Polizei mehr als zehntausend Menschen.
       
       Unter dem Slogan "Das Volk will Gerechtigkeit, keine Barmherzigkeit" gehen
       seit einem Monat zehntausende Israelis auf die Straßen, um gegen die
       Sozialpolitik der Regierung zu protestieren. Neben den steigenden Mieten
       richtet sich ihr Protest auch gegen die Verschlechterung der
       Gesundheitsversorgung und des Bildungssystems.
       
       Vor allem die Wohnkosten, die sich seit zwei Jahren auf einem Höhenflug
       befinden, hatten die Proteste ausgelöst. Besonders in Tel Aviv sind die
       Mieten derart angestiegen, dass sich junge Paare kaum eine eigene Wohnung
       leisten können. Die Kluft zwischen Arm und Reich in Israel zählt zu den
       größten in der westlichen Welt.
       
       Die einflussreiche Gewerkschaft Histadrut hatte den Demonstranten zuvor
       ihre Unterstützung zugesichert und Netanjahu ein Ultimatum bis Samstagabend
       gestellt, sich mit dem Generalsekretär der Gewerkschaft zu treffen, um über
       eine Lösung der sozialen Krise zu diskutieren. Andernfalls wollte die
       Gewerkschaft "alles tun", um die Forderung der Demonstranten zu
       unterstützen. Am Montag soll es einen Generalstreik geben, zu dem die
       Gewerkschaft lokaler Behörden aufgerufen hat.
       
       Die Proteste sind die größte soziale Bewegung in Israel seit vier
       Jahrzehnten. Erstmals seit Beginn des Protests im Juni schloss sich auch
       die arabische Minderheit in Israel den Demonstrationen an. Diese leidet
       besonders unter Diskriminierung. Einer Umfrage der Zeitung Haaretz zufolge
       unterstützen 87 Prozent der israelischen Bevölkerung die Proteste, 54
       Prozent zeigten sich unzufrieden mit Netanjahus Umgang mit der Krise.
       
       ## 
       
       Unterdessen hat Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Sonntag
       Veränderungen angekündigt. "Wir sind uns alle der echten Schwierigkeiten
       mit den hohen Lebenshaltungskosten in Israel bewusst", sagte der
       Regierungschef. "Wir müssen zweifellos unsere Prioritäten verändern." Er
       werde ein Team von Ministern und Experten damit beauftragen, einen
       "vertretbaren und realistischen Plan zur Erleichterung der wirtschaftlichen
       Bürde der israelischen Bürger" zu entwerfen.
       
       Zuvor hatte der Kanzleichef des israelischen Finanzministeriums, Chaim
       Schani am Sonntag seinen Rücktritt eingereicht. Israelische Medien
       berichteten, Hintergrund der Entscheidung seien offenbar die wachsenden
       sozialen Proteste gewesen. Dafür gab es jedoch keine offizielle
       Bestätigung.
       
       31 Jul 2011
       
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