# taz.de -- "Alternsgerechtes" Arbeiten: Zwischendurch mal abhängen
> Unterschiede in der Jobwelt: Bei BMW gibt es neuerdings eine
> "alternsgerechte" Werkhalle mit Leselupen und Turnringen. Unter
> KrankenpflegerInnen geht es härter zu.
(IMG) Bild: Physiotherapie in der Mittagspause: im BMW-Werk Dingolfing.
Die neue Werkhalle von BMW ist zukunftsträchtig: Die Facharbeiter stehen
auf elastischen Böden, sie müssen die Getriebe nicht mehr eigenhändig
herumwuchten, das machen Minikräne. An Turnringen können sich die
Beschäftigten zwischendurch mal aushängen. "Fest installierte Leselupen
helfen, die Aufdrucke auf Teilen zu entziffern", schildert BMW-Sprecher
Jochen Frey.
In der neuen Produktionslinie für Hinterachsgetriebe in Dingolfing ist die
Fertigung jetzt angelaufen. Die Halle mit Physiotherapeutin vor Ort ist das
neueste Projekt zum Thema alternde Gesellschaft – BMW nennt es
"alternsgerechtes Arbeiten".
Bei BMW wie in anderen Betrieben steigt das Alter der Belegschaften – und
immer mehr über 50-Jährige müssen in der Produktion mithalten können. In
der Fertigungslinie arbeiten altersgemischte Teams, keinesfalls wolle man
Gruppen mit ausschließlich älteren Beschäftigen bilden, erklärt Frey. Das
Durchschnittsalter in der Halle in Dingolfing liegt bei 47 Jahren, im
gesamten BMW-Werk bei 41 Jahren.
Der Trend zur Humanisierung am Arbeitsplatz in vielen Betrieben entspringt
rationalem Kalkül: Lange Krankenausfallzeiten sind teuer, der
Kündigungsschutz ist hoch, und eine frühe Verrentung der älteren
Beschäftigten wurde vom Gesetzgeber eingeschränkt.
"Wir müssen die Fertigungsbedingungen an die Menschen anpassen, nicht
umgekehrt", sagt Armin Zimny, Sprecher bei Audi in Ingolstadt. Auch Audi
hat die Fertigung erleichtert. Facharbeiter mussten früher in die
Karosserien springen, sich dann bücken oder strecken, um die Teile zu
montieren. Heute fahren sie mit ergonomischen Sitzen in die Karosserien
hinein, berichtet Zimny. So lassen sich die Teile müheloser zusammensetzen.
Langjährige Schichtarbeiter können bei BMW und Audi im 60. Lebensjahr aus
dem Betrieb ausscheiden, über eine Altersteilzeitregelung, die von den
Unternehmen finanziell abgefedert wird und die Zeit bis zur Rente
überbrückt.
Von solchen Bedingungen für "alternsgerechte" Arbeitsplätze können
Beschäftigte in anderen Firmen und Branchen nur träumen. Es gebe Bereiche,
wo technische Verbesserungen zur Arbeitserleichterung nicht ohne Weiteres
möglich seien, sagt Michael Kastner, Arbeitsmediziner und
Organisationspsychologe an der TU Dortmund. In der Krankenpflege etwa
müssen die Beschäftigten die Patienten weiterhin selbst umdrehen oder
heben, "das lässt sich schwer automatisieren".
In vielen Arbeitsbereichen hätten sich die Belastungen von der körperlichen
Beanspruchung auf psychischen Stress verlagert, betont Kastner. Nach den
Zahlen der Deutschen Rentenversicherung sind die Erwerbsminderungsrenten
wegen Muskel- und Skeletterkrankungen sowie Herz- und Kreislaufproblemen
rückläufig, die Verrentungen wegen psychischer Erkrankungen legen deutlich
zu.
Kastners Forschungen ergaben, dass es bestimmte "Gesunderhalter" gibt, die
dazu führen, dass Beschäftigte auf ihrem Job bis in die späten Jahre
durchhalten können. Dazu gehören persönlicher Spielraum bei der Regulation
der Arbeitsbelastung, Transparenz sowie Wertschätzung durch die Umwelt.
Wissenschaftler im öffentlichen Dienst etwa können lange berufstätig sein,
während Krankenschwestern schon früh aus ihrem Job herauswollen. Von den
KrankenpflegerInnen, die jedes Jahr in Rente gehen, ist über ein Drittel
vorzeitig ausgestiegen und erhält Erwerbsminderungsrente; unter den
verrenteten Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlern sind es nur 12 Prozent,
zeigt die Statistik der Deutschen Rentenversicherung.
Doch auch in den Pflegeberufen steigt das Durchschnittsalter. Im Iga-Report
17 der Initiative Gesundheit und Arbeit der Sozialkassen nennen die
Autorinnen positive Beispiele, um "alternsgerechtes Arbeiten" auch in der
Pflege zu ermöglichen. Auf manchen Stationen waschen die Schwestern die
Patienten zu zweit. Die Pausenzeiten werden grundsätzlich außerhalb der
Station verbracht. Die Schwestern werden bei Krankmeldungen nicht aus der
Freizeit spontan in den Dienst geholt, dafür gibt es "Springerpools". Doch
die meisten Schwestern und Pfleger können von solchen Bedingungen bislang
nur träumen.
31 Jul 2011
## AUTOREN
(DIR) Barbara Dribbusch
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