# taz.de -- Vormarsch der Gesichtserkennung: Ein Werkzeug der Herrschenden
       
       > Der Hamburger Datenschutzbeauftragte verlangt von Facebook biometrische
       > Daten zu löschen. Doch die Technik lässt sich kaum aufhalten. Sie
       > ermöglicht eine ganz neue Kontrolle.
       
 (IMG) Bild: Wie lange kann man noch in der Menge verschwinden?
       
       "Wir haben Facebook wiederholt aufgefordert, die Funktion der
       Gesichtserkennung abzuschalten", erklärt der Hamburger
       Datenschutzbeauftragte. Außerdem solle Facebook "die bereits gespeicherten
       Daten löschen". Die Ansage ist klar, doch Facebook gibt sich unbeeindruckt.
       
       Der Streit um die biometrischen Daten auf Facebooks Server kommt daher, wie
       nur ein weiteres Kapitel im Streit um Datenschutz beim größten Sozialen
       Netz. Doch inzwischen geht es nicht mehr nur um die Privatsphäre. Mit der
       Gesichtserkennung entwickelte sich eine Technik zur umfassenden Kontrolle
       des Einzelnen.
       
       Der neuerliche Streit hatte im Juni begonnen: Das Unternehmen hatte für
       deutsche Nutzer eine Funktion aktiviert, die es Nutzern ermöglicht die
       eigenen Freunde auf Fotos automatisch zu erkennen und zu markieren.
       
       ## Biometrische Daten auf dem Facebook-Server
       
       Da das Unternehmen dazu biometrische Daten von Millionen Mitgliedern
       abspeichert, ist Caspar die Grenze des Zulässigen überschritten. Er sieht
       die informationelle Selbstbestimmung gefährdet. "Sollte Facebook diese
       Funktion weiterhin aufrechterhalten, muss sichergestellt werden, dass nur
       Daten von Personen in die Datenbank eingehen", erklärt Caspar, "die zuvor
       wirksam ihre Einwilligung zur Speicherung ihrer biometrischen
       Gesichtsprofile erklärt haben".
       
       Ein Facebook-Sprecher weist die Vorwürfe zurück: "Wir werden die Aussagen
       des Hamburger Datenschutzbeauftragten zu den Markierungsvorschlägen von
       Fotos prüfen, jedoch weisen wir ausdrücklich jegliche Vorwürfe von uns, die
       besagen, dass wir unseren Verpflichtungen gegenüber den Datenschutzgesetzen
       der Europäischen Union nicht nachkommen."
       
       Facebook hat ein großes Argument auf seiner Seite: Die
       Identifizierungsfunktion sei bei den Nutzern sehr beliebt, um ihre
       Online-Identitäten zu verwalten, erklärt Facebook nicht zu unrecht. Pro Tag
       werden eine Million Fotos getaggt, das heißt: die abgebildeten Nutzer
       werden markiert und ihrem Facebook-Profil zugeordnet. Noch müssen dazu die
       Nutzer selbst tätig werden, Facebook macht lediglich Vorschläge.
       
       ## Die Technik kommt aus dem Sicherheitsbereich
       
       Gesichtserkennung ist seit über einem Jahrzehnt im Einsatz, zum Beispiel im
       Sicherheitsbereich. Mit biometrischen Merkmalen können Schließanlagen
       erkennen, ob ein bekannter Angestellter vor der Tür steht oder ein
       Unbekannter. Doch auch mit biometrischen Fotos, die die Erfassung der von
       Daten wie Augenabstand, Nasenlänge und Kinnform erleichtern, war die
       Technik nur beschränkt zuverlässig.
       
       So versprach die Firma Cobion schon im Jahr 2001 im Web nach Bildern
       vermissten Kindern zu scannen. Mit dem damaligen Stand der Technik ein
       aussichtsloses Unterfangen. Damals war das Erkennen von simplen Symbolen
       wie Hakenkreuzen zwar mit einiger Zuverlässigkeit möglich, die
       Unterscheidung von Gesichtern hingegen noch völlig am Anfang.
       
       ## In Echtzeit gelingt es – noch – nicht
       
       Königsdisziplin der Gesichter-Fahndung ist es, gesuchte Personen auf
       Überwachungsvideos in Echtzeit zu erkennen – Hollywood-Filme wie "Die
       Bourne Identität" lassen grüßen. So versuchte das Bundeskriminalamt 2007 in
       einem aufwändigen Feldversuch mit Videokameras im Mainzer Hauptbahnhof
       bestimmte Personen im ständigen Strom von 20.000 Reisenden täglich zu
       identifizieren. Mit ernüchterndem Ergebnis – gerade bei schlechten
       Lichtverhältnissen entgingen selbst den fortgeschrittensten Systemen viele
       Personen, die sie hätten erkennen sollen.
       
       Mit dem Aufkommen von sozialen Netzwerken und Smartphone-Kameras, hat sich
       die Gesichtserkennung jedoch revolutioniert. War man früher bemüht, ein
       möglichst perfektes Bild als Vergleichsmaßstab anzulegen, stehen nun von
       vielen Nutzern Dutzende Bilder zur Verfügung, die mit speziellen
       Algorithmen vermessen und markiert werden können.
       
       Hinzu kommen neue Verfahren zur Beschreibung von Gesichtern. Statt sich nur
       an einem zweidimensionalen Foto zu orientieren, können Programme nach
       Erfahrungswerten dreidimensionale Gesichtsmodelle berechnen, die sie
       wiederum mit anderen Fotos abgleichen.
       
       Dass man dazu nicht unbedingt die interne Datenbank von Facebook braucht,
       bewiesen Forscher der Carnegie Mellon Universität in Pittsburgh. Ihnen
       gelang es, aus einer Dating-Seite immerhin über 600 Bilder den passenden
       Facebook-Profilen zuzuweisen.
       
       Noch entstehen bei solchen Versuchen viele falsche Treffer, doch mit der
       zunehmenden Bilderflut im Netz und immer billigerer Rechenzeit, ist es nur
       eine Frage der Zeit bis die Technik das Potenzial hat, auch beliebige
       Personen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erkennen.
       
       ## Durchsetzung der Herrschaftsmacht
       
       "Niemand wird daran gehindert, seine Zustimmung zur Speicherung seiner
       biometrischen Merkmale zu erteilen", sagt Caspar im Gespräch mit taz.de.
       Das Missbrauchspotenzial sei aber einfach zu hoch. So versuchten schon
       tunesische Sicherheitskräfte mit Hilfe von Facebook-Profilen die
       Demonstranten gegen das Regime des Diktators Ben Ali zu identifizieren.
       
       "Gesichtserkennung ist eine noch nicht eingesetzte aber sehr wirkungsvolle
       Methode zur Kontrolle und um Herrschaftsmacht durchzusetzen", sagt Caspar.
       Unter anderem deshalb werde seine Behörde alle Mittel ausschöpfen, um die
       informationelle Selbstbestimmung der Nutzer wieder herzustellen.
       
       5 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Torsten Kleinz
       
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