# taz.de -- Wahlrecht: Zuwanderer werden wählerisch
       
       > BerlinerInnen ohne deutschen Pass dürfen am 18. September nicht über das
       > Abgeordnetenhaus mitentscheiden. Wählen können sie aber trotzdem -
       > symbolisch in 15 Wahllokalen.
       
 (IMG) Bild: Viele müssen draußen bleiben: Wegweiser zur Wahlkabine im Neuen Rathaus von Hannover
       
       Israel Dehesa siedelte vor zwei Jahren aus Mexiko nach Berlin über. Dort
       war der Student Mitglied einer Partei. In Berlin darf er als
       Drittstaatenangehöriger nicht einmal wählen. Für ihn eine frustrierende
       Erfahrung: "Auf einmal habe ich keine Stimme mehr."
       
       Auch Aki Kachi ist mit der deutschen Wahlordnung unzufrieden. Als
       EU-Staatsbürger hat er kommunales Wahlrecht. Doch dem Umweltberater, der
       seit Jahren in Berlin lebt, reicht es nicht, im September einen
       Bezirksverordneten zu wählen. "Ich möchte selbst in die Landespolitik
       gehen", sagt er.
       
       So wie Dehesa und Kachi geht es Tausenden Einwohnern Berlins. Rund 15
       Prozent sind hier von der Abgeordnetenhauswahl ausgeschlossen, weil sie
       keinen deutschen Pass besitzen. Die Initiative "Jede Stimme 2011" will das
       ändern: Sie organisiert Ende dieses Monats eine symbolische Wahl für
       nichtdeutsche Einwohner. Mehr als 50 Vereine betreiben dann in Neukölln,
       Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte und Schöneberg 15 symbolische Wahllokale,
       zwei davon fahren mobil durch die Stadt.
       
       Gewählt wird unter anderem im Haus der Demokratie und Menschenrechte nahe
       des Volksparks Friedrichshain und dem Diakonie Werk in Nordneukölln. Das
       Projekt lebt aber vor allem von kleinen Institutionen wie dem Schöneberger
       Kiezladen PallasT, dem Nachbarschaftshaus Sonnenblick an der Sonnenallee
       und den weiteren Vereinen, die wiederum von privaten Akteuren wie Dehesa
       und Kachi unterstützt werden. Damit möglichst viele zum Nichtwählen
       gezwungene BerlinerInnen erreicht werden, werben sie etwa in Deutschkursen
       von Volkshochschulen sowie mit einer mehrsprachigen Anzeigenaktion im
       Berliner Fenster der BVG.
       
       ## Wahlwerbung für die SPD
       
       Der Verein "Jede Stimme" wird geleitet von Robert Schaddach, Raed Saleh und
       Jan Stöß - allesamt Mitglieder verschiedener SPD-Vorstände auf Bezirks-,
       Kreis- und Landesebene. Dass die migrantenfreundliche Initiative sich als
       Wahlwerbung für die SPD eignet, ist offensichtlich.
       
       Neben dem SPD-nahen Verein gehören auch vier parteilose Uni-Absolventen vom
       Verein "Citizens for Europe" zu den Initiatoren der Kampagne. Einer davon
       ist Christian Mieß. Der Politikwissenschaftler betont die Bedeutung des
       Wahlrechts: "Wenn sich ein Mensch keinen politischen Ausdruck verschaffen
       kann, findet er andere Wege." Politische Beteiligung sei nicht die
       problemferne "Spitze des Eisbergs", sondern wichtig, damit der Staat
       regierbar bleibe, findet Mieß.
       
       Umgekehrt sei ein Wahlrecht für Ausländer aber auch wichtig, damit
       Politiker die Interessen von Nicht-Deutschen überhaupt wahrnehmen und sich
       für sie einsetzen könnten, sagt Uwe Bröckl, vom Verein Spandau Neustadt,
       der dort eins der zahlreichen Wahllokale einrichten wird. Ein weiteres wird
       beispielsweise der Migrationsbeirat Berlin-Brandeburg in seinem Büro an der
       Oranienstraße in Kreuzberg öffnen.
       
       Über das Wahlrecht für ausländische Bürger muss das
       Bundesverfassungsgericht entscheiden. SPD-Bezirksstadtrat Stöß, ehemaliger
       Verwaltungsrichter, will nach der Wahlaktion dort eine Klage einreichen.
       "Es ist an der Zeit, den Begriff ,Staatsvolk' neu zu definieren", sagt er.
       
       Über das Wahlkreuz hinaus werden die Testwähler bei der Aktion freiwillig
       angeben können, woher sie stammen und seit wann sie in Berlin leben -
       Wahlforschung von einer Einwohnergruppe, die bei künftigen Wahlen rund 15
       Prozent ausmachen könnte.
       
       Übersicht der Wahllokale: [1][jedestimme2011.de]
       
       5 Aug 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://jedestimme2011.de
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dena Kelishadi
       
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