# taz.de -- Tarifverhandlungen der Fluglotsen: Schlichtung statt Streik
       
       > Es wird erstmal keine Fluglotsenstreiks in der Urlaubszeit geben. Die
       > Arbeitgeberseite rief die Schlichtung an - nun herrscht vier Wochen lang
       > Friedenspflicht.
       
 (IMG) Bild: Sie fliegen doch. Zumindest für die nächsten vier Wochen.
       
       FREIBURG taz | In letzter Minute wurde der Streik der Fluglotsen in der
       Nacht auf Dienstag [1][doch noch abgewendet]. Die Deutsche Flugsicherungs
       GmbH (DFS) - die Arbeitgeberin - rief kurz nach Mitternacht die Schlichtung
       an. Damit herrscht Friedenspflicht, Streiks sind bis zum Ende der
       Schlichtungsverfahrens unzulässig.
       
       Zuvor hatte das Landesarbeitsgericht Hessen den Streik der Fluglotsen für
       zulässig erklärt. Abgelehnt wurde damit ein Antrag der Arbeitgeber, die den
       Streik verbieten lassen wollten. Nach deren Ansicht sind manche Forderungen
       der Fluglotsen rechtswidrig.
       
       Die Fluglotsen fordern neben 6,5 Prozent mehr Lohn und Überstundenabbau
       auch Einfluss auf die Besetzung von mehreren hundert Posten der gehobeneren
       Ebene. Hierfür sollen Qualifikationsmerkmale festgeschrieben werden, zum
       Beispiel, wie viele Jahre Berufserfahrung ein Bewerber mitbringen muss. Die
       Flugsicherungs GmbH sah darin einen unzulässigen Eingriff in ihre
       unternehmerische Freiheit. Außerdem würden Bewerber ohne einschlägige
       Berufserfahrung diskriminiert.
       
       Das Landesarbeitsgericht hat die Argumentation des Unternehmens nun jedoch
       abgelehnt. "Die Forderungen der Gewerkschaft der Fluglotsen verstoßen nicht
       gegen zwingendes Gesetzesrecht", sagte der Vorsitzende Richter Rainer Bram.
       [2][Qualifikationsregeln seien ein zulässiges Streikziel].
       
       ## Arbeitsrechtsprofessor Volker Rieble als Schlichter
       
       Viele Reisende zeigten sich verärgert, dass sie bis in die Nacht nicht
       wussten, ob gestreikt wird oder nicht. Die Flugsicherung begründete die
       späte Anrufung der Schlichtung damit, dass man die Verhandlungen entlasten
       wollte. "Die Schlichtung wäre einfacher gewesen, wenn wir nicht über
       Forderungen reden müssten, die wir für unzulässig halten", sagte ein
       DFS-Sprecher.
       
       Die Schlichtung wird nach Schätzung der Beteiligten rund vier Wochen
       dauern. Als Schlichter wird der Münchener Arbeitsrechtsprofessor Volker
       Rieble die Verhandlungen leiten. Er gilt als arbeitgebernah, denn sein
       Institut und sein Lehrstuhl werden über eine Stiftung indirekt von
       Arbeitgeberverbänden finanziert. Rieble betont, dass er dennoch
       wissenschaftlich unabhängig forsche.
       
       Im Streit um sogenannte Bagatellkündigungen verteidigte Rieble die alte
       Linie des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vehement, wonach auch geringfügige
       Diebstähle und Unterschlagungen zur fristlosen Kündigung führen können.
       Besonders der Fall der Berliner Supermarktkassiererin "Emmely" hatte
       bundesweit Aufsehen erregt. Inzwischen hat das BAG die alte Rechtsprechung
       relativiert und misst der Beschäftigungsdauer größeres Gewicht zu.
       
       ## Streik nach misslungener Schlichtung immer noch möglich
       
       Zuletzt kritisierte Rieble ein BAG-Urteil, das die Tariffähigkeit kleiner
       christlicher Gewerkschaften bestritt. Die Rechtsprechung komme mit völlig
       überraschenden Argumenten und sei eine verkappte sozialpolitische
       Intervention. Hintergrund: Die schwachen christlichen Gewerkschaften hatten
       im Zeitarbeitsgewerbe besonders arbeitgeberfreundliche Tarifverträge
       ausgehandelt.
       
       Als Schlichter wurde Rieble von der Flugsicherungs GmbH vorgeschlagen. Die
       Tarifparteien haben abwechselnd das Vorschlagsrecht. Die Gewerkschaft
       kritisierte aber nur, dass Politiker als Schlichter besser geeignet seien
       als Professoren, weil sie besser verhandeln können.
       
       Inhaltlich machen sich die Fluglotsen wohl weniger Sorgen, denn Rieble ist
       auch ein Freund kleiner kampfstarker Gewerkschaften. Den Versuch, das
       eigenständige Streikrecht etwa der Lokomotivführer zu beschneiden, lehnte
       er als verfassungswidrig ab.
       
       Als Schlichter kann Rieble nur einen Vorschlag machen. Wenn sich
       Arbeitgeber und Gewerkschaften nicht einigen, ist die Schlichtung
       gescheitert. Dann kann es doch noch zum Streik kommen.
       
       9 Aug 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Schlichtung-nach-Urteil-in-der-Nacht/!75928/
 (DIR) [2] /Arbeitskampf-der-Fluglotsen/!75901/
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Lotsen planen Streik: Auf Flughäfen droht Chaos
       
       Nach dem Scheitern der Tarifverhandlungen könnte schon am Mittwoch
       gestreikt werden. Die Fluglotsen kündigen aber an, keine 24 Stunden am
       Stück streiken zu wollen.
       
 (DIR) Tarifkonflikt Deutsche Flugsicherung: Schlichterspruch abgelehnt
       
       Die Auseinandersetzung um einen neuen Tarifvertrag bei der Deutschen
       Flugsicherung geht in eine neue Runde. Bis Anfang Oktober soll es aber
       keine Streiks geben.
       
 (DIR) Schlichtung nach Urteil in der Nacht: Alle Flugzeuge können fliegen
       
       Nachdem zwei Gerichte den Streik für Rechtens erachten, lenken die
       Arbeitgeber ein und rufen die Schlichtung an. Damit gilt Friedenspflicht,
       der Streik der Fluglotsen ist abgeblasen.
       
 (DIR) Arbeitskampf der Fluglotsen: Streik hängt in der Luft
       
       Die deutschen Fluglotsen kündigen für Dienstagvormittag einen Ausstand an.
       Davon sind Hunderttausende Passagiere betroffen. Ein Streitpunkt: die
       Ausweitung der Überstunden.
       
 (DIR) Tarifstreit im Flugverkehr: Fluglotsen reden weiter von Streik
       
       Nach der vorläufigen Streikabsage läuft der deutsche Luftverkehr normal.
       Die Gewerkschaft kündigt einen neuen Anlauf an. Die Lufthansa prüft
       Schadenersatzforderungen.
       
 (DIR) Nach Streikabsage: Alle Flieger fliegen hoch
       
       Das erwartete Chaos an den Flughäfen bleibt nun doch aus. Ein
       Arbeitsgericht hatte den Streik gestoppt, die Gewerkschaft sagte den
       Arbeitskampf darauf ab - vorerst.