# taz.de -- Interview Domscheit-Berg zu Openleaks: "Wikileaks ist zu zentralistisch"
       
       > Mit Openleaks startet Daniel Domscheit-Berg eine Plattform, mit der sich
       > Informanten an verschiedene Medien wenden können. Damit nicht eine Macht
       > entscheidet, welcher Tipp verfolgt wird.
       
 (IMG) Bild: "Jedes hochgeladene Dokument wird sofort mit einem Code verschlüsselt, den nicht einmal Geheimdienste knacken können": Daniel Domscheit-Berg.
       
       Herr Domscheit-Berg, warum sollten wir Openleaks vertrauen? 
       
       Daniel Domscheit-Berg: Aus den gleichen Gründen, weswegen Sie manchen
       Menschen in ihrer Umgebung vertrauen – wenn Sie gute Erfahrungen mit ihnen
       machen, wenn die auf kritische Fragen offen reagieren und wenn Sie sich
       über deren Hintergrund informieren können. Das ist es jedenfalls, worauf
       wir mit Openleaks hinarbeiten. Wir wollen nicht nur Transparenz schaffen,
       sondern auch transparent arbeiten.
       
       Heißt das, Sie verlangen gar nicht, dass jemand Openleaks vertraut, sondern
       dass die Menschen das Projekt kontrollieren? 
       
       Ja. Das Vertrauen von Whistleblowern ist natürlich die Grundlage unserer
       Arbeit, aber wir können es nicht einfordern. Im Gegenteil: Wir müssen etwas
       dafür tun, damit die Leute uns vertrauen. Ich vermute, dass bei manchen
       dennoch eine Restskepsis bleiben wird. Aber auch das ist in Ordnung. Wir
       wollen ja nicht die Lösung für alle sein, sondern auch anderen Portalen
       helfen, die ähnliche Ziele verfolgen wie wir. Umso mehr
       Whistleblower-Plattformen es gibt, desto besser.
       
       Jetzt stellen Sie die Einreich-Plattform von Openleaks zum ersten Mal für
       ein paar Tage online. Was bezwecken Sie damit? 
       
       Wir rufen Hacker und Benutzer allgemein – aber vor allem im Rahmen des
       Chaos Communication Camps – zu einem Test unseres Systems auf, natürlich
       auch in Punkto Sicherheit. Jeder der will, kann sich Openleaks fünf Tage
       lang ansehen und soll versuchen, die Plattform zu hacken, sie kaputt zu
       machen oder was auch immer. Wir hoffen, dass wir durch diesen Stresstest
       ein paar Einsichten gewinnen, wie wir das System noch sicherer machen
       können – oder im Idealfall die Rückmeldung bekommen: Openleaks ist so
       sicher, dass es selbst nach fünf Tagen Dauerbeschuss noch seine Dokumente
       bewahrt.
       
       Sie wissen noch gar nicht, ob ihr System sicher ist? 
       
       Es können immer wieder Fehler im Detail auftauchen. Da darf man sich keine
       Illusionen machen.
       
       Und trotzdem rechnen Sie damit, dass Whistleblower schon während der
       Testphase brisante Dokumente auf Openleaks hochladen? 
       
       Ja.
       
       Würden Sie eine geheime Datei in einen elektronischen Briefkasten stecken,
       der gerade von Hackern angegriffen wird? 
       
       In unseren Briefkasten würde ich jedenfalls etwas hineinlegen. Praktisch
       betrachtet sehe ich für Whistleblower nämlich kein Problem.
       
       Erklären Sie das bitte. 
       
       Jedes hochgeladene Dokument wird sofort mit einem Code verschlüsselt, den
       nicht einmal Geheimdienste knacken können. Der digitale Schlüssel, der zum
       Lesen der Dateien benötigt wird, liegt wiederum gar nicht auf den
       Openleaks-Servern. Das bedeutet: Selbst wenn ein Hacker an eines der
       hochgeladenen Dokumente herankommen würde, könnte er sie nicht öffnen.
       
       Was geschieht mit Dokumenten, die während des Tests eingereicht werden? 
       
       Alles, was jetzt reinkommt, wird an die Partner verteilt, die gerade
       mitmachen.
       
       Sie sind ja bei Wikileaks im Streit ausgestiegen. Haben Sie damals
       unveröffentlichte Dokumente mitgenommen, von denen Openleaks jetzt
       profitieren kann? 
       
       Nein, ich habe keine Dokumente von Wikileaks mitgenommen. Und wir haben
       auch sonst keine Schatzkiste, aus der wir uns jetzt bedienen könnten. Das
       würde auch unserem Test verfälschen: Wir wollen ja einen realistischen
       Eindruck bekommen, wieviel Material da so hereinkommt.
       
       Wie unterscheidet sich Openleaks von Wikileaks? 
       
       Es unterscheidet sich darin, dass ein Informant nicht mehr auf eine
       zentrale Webseite angewiesen ist, auf der er sein Dokument hochlädt und
       dann darauf warten muss, wie Wikileaks es bewertet, ob die Leute dort Zeit
       dafür haben, es weltpolitisch interessant genug finden und so weiter.
       Wikileaks ist zu zentralistisch. Wenn es erfolgreich funktioniert – und das
       hat es ja – hat es zu wenig Ressourcen, damit es bei der Annahme, als auch
       bei der Veröffentlichung von Dokumenten nicht zu massiven Staus kommt.
       
       Wie wollen Sie dieses Problem vermeiden? 
       
       Bei uns hat ein Informant mehr Möglichkeiten, um zu bestimmen, was mit
       seinem Material passiert: Er kann es zum Beispiel gezielt an einen Partner
       seiner Wahl geben, also zum Beispiel einer Zeitung, der er vertraut und von
       der er weiß, dass sie die Ressourcen hat und sich auch mit Material
       beschäftigt, das andere links liegen lassen. Anders als Wikileaks wird
       Openleaks gar keine Dokumente selbst veröffentlichen. Wir werden die
       Materialien nicht einmal selbst lesen können – weil alles sofort
       automatisch mit Codes der Partner verschlüsselt wird. Wie Dokumente am
       besten veröffentlicht werden, wie sie aufgearbeitet werden, ob Teile davon
       zum Schutz von Unbeteiligten geschwärzt werden müssen – all die
       inhaltlichen und redaktionellen Fragen wollen wir jenen überlassen, die
       sich professionell damit beschäftigen. Journalisten zum Beispiel.
       
       Und was, wenn die Journalisten einer Zeitung sagen: Dieses Dokument darf
       auf keinen Fall weiter veröffentlicht werden, sonst sind Menschenleben in
       Gefahr. Bietet Openleaks eine Möglichkeit, ein Dokument gegen den Willen
       der Quelle unter Verschluss zu halten? 
       
       Auf diese Frage haben wir zwar verschiedene Antworten, aber noch keine
       abschließende. Wir müssen während der Testphase noch ein internes
       Bewertungsverfahren ausarbeiten, um mit solchen Fällen verantwortungsvoll
       umgehen zu können.
       
       Sie sagen, Openleaks will transparent arbeiten. Was tun Sie dafür? 
       
       Es beginnt damit, dass wir unsere Organisation juristisch einwandfrei
       aufbauen. Wir möchten nicht nur unsere Rechnungen bezahlen können, sondern
       auch Einnahmen und Ausgaben bilanzieren. Schon in einem der ersten Beiträge
       unseres Blogs haben wir aufgeschlüsselt, wie viele Spenden wir bekommen
       haben und für was die verwendet werden. Das ist ein Punkt, der uns sehr
       wichtig ist: Wenn alles richtig anläuft, wollen wir monatlich über unsere
       Aktivitäten und Spenden berichten – sofern wir etwas nennenswertes bekommen
       haben. Bisher sind es übrigens etwa 2.000 Euro.
       
       Damit können Sie aber keine Mitarbeiter bezahlen. Woher kommt aber das Geld
       dann? 
       
       Bisher müssen sich alle bei Openleaks noch selbst darum kümmern, wie sie
       das Geld verdienen, das sie zum Leben brauchen. Da haben wir quasi das alte
       Wikileaks-Modell wieder eingeführt.
       
       Es gibt keine Finanziers im Hintergrund? 
       
       Nein, wir haben uns das für diese Phase des Projekts auch bewusst so
       vorgenommen. Wir wollen unabhängig bleiben, so dass niemand inhaltlich
       Einfluss nehmen oder drängeln kann, dass wir irgendwelche Fristen
       einhalten, anstatt bestmögliche Arbeit zu machen.
       
       Sollen die Medienpartner etwas bezahlen? 
       
       Nein. Das Ziel ist, dass uns auch in Zukunft niemand bezahlt. Wir möchten,
       dass sich die Partner später an den Fixkosten beteiligen, zum Beispiel für
       den Unterhalt der Server. Aber Openleaks wird niemals auf irgendeine Weise
       kostenpflichtig werden.
       
       Woher soll dann aber das Geld für Sie und Ihre Mitstreiter kommen? 
       
       Wir haben verschiedene Ideen. Zum einen hoffen wir, dass die Spenden
       zunehmen, sobald Openleaks dauerhaft online geht, zum zweiten werden wir in
       absehbarer Zeit Schulungen für Journalisten und Medienbetriebe anbieten,
       die ihren Umgang mit elektronischen Kommunikationsmitteln sicherer
       gestalten wollen. Und dann wollen wir mittelfristig eine Stiftung gründen,
       die uns unterstützen kann.
       
       Welche Organisationen dürfen Ihre Partner werden? Nach welchen Kriterien
       wählen Sie aus? 
       
       Wir haben noch keinen finalen Spruch dazu, wie wir die Partner auswählen.
       Aber wir möchten etwa 50 der 100 Partnerschaften über ein öffentliches
       Vorschlagsverfahren vergeben, so dass die Leute über das Internet
       mitbestimmen können, wer mitmachen darf.
       
       Und die anderen 50 Plätze? 
       
       Die bekommen jene Organisationen, die schon an uns herangetreten sind.
       
       Darf denn jeder bei Openleaks mitmachen? 
       
       Wir verstehen uns als politisch neutrale Organisation. Wir sind keine
       Journalisten, sondern ein technischer Dienstleister, der für die sichere
       Datenübermittlung sorgt.
       
       Rechtspopulisten sind Ihnen als Partner auch willkommen? 
       
       Parteien können grundsätzlich nicht Partner von Openleaks werden. Ich kann
       Sie beruhigen: Wir haben bisher keine Anfragen aus irgendeinem extremen
       Umfeld.
       
       Und was, wenn einmal welche kommen? 
       
       Das ist schwer zu sagen, einfach deshalb weil wir darauf noch keine
       definitive Antwort haben. Im Moment haben wir erst einmal andere Sorgen.
       
       Welche Rechtsform wird Openleaks haben? 
       
       Unsere Anwälte sind gerade dabei herauszufinden, welche Form die beste ist.
       Es könnte auf eine gemeinnützige GmbH nach deutschem Recht hinauslaufen.
       
       Wann wird das feststehen? 
       
       Ich habe keine Ahnung, wie lange Anwälte für so etwas brauchen. Wenn Sie in
       Deutschland aber offiziell als „gemeinnützig“ gelten wollen, müssen Sie das
       ja vom Finanzamt anerkennen lassen. Das ist ein etwas langwierigerer
       Prozess.
       
       Wird „Openleaks“ eine Rechtsform haben, wenn es nach den Tests in den
       Normalbetrieb startet? 
       
       Davon gehe ich aus. Bis dahin ist das bestimmt erledigt.
       
       Wann wird das sein? 
       
       Das kommt auch auf die Ergebnisse des Tests an, den wir begonnen haben. Er
       wird zeigen welche Schwachstellen unser System hat – und hoffentlich zum
       Vertrauen in Openleaks beitragen.
       
       Das Gespräch führte Steffen Kraft, Redakteur der Wochenzeitung "[1][Der
       Freitag]"
       
       10 Aug 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://freitag.de
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Steffen Kraft
       
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