# taz.de -- Kolumne Macht: Die europäische Katastrophe
       
       > Ein Ende des Euro beträfe alle. Doch bei ihren Entscheidungen schätzt die
       > Bundesregierug das Melodram mehr als das Argument.
       
       Eine "historische Chance" sei die Neuerung: "Wer das nicht begreift, dem
       ist sowieso nicht zu helfen." Sagte der Regierungschef. Der Redner der
       einen Oppositionspartei bezeichnete die Entscheidung als "unverzichtbar für
       die dauerhafte Sicherung von Frieden", der Sprecher der anderen
       Oppositionspartei erklärte: "Den Terminplan infrage zu stellen bedeutet die
       europäische Katastrophe." So hatte man sich eine kontroverse Debatte im
       Parlament schon immer vorgestellt.
       
       Nicht etwa um die unveräußerlichen Menschenrechte ging es seinerzeit,
       sondern lediglich um eine wirtschaftspolitische Entscheidung, der
       allerdings ein großer Teil der Bevölkerung skeptisch gegenüberstand. Das
       brauchte die Abgeordneten nicht zu kümmern. Sie hatten ja die Macht, ihren
       Willen durchzusetzen, und angesichts der Einigkeit über Parteigrenzen
       hinweg mussten sie diesen Willen nicht einmal sachlich begründen.
       
       So verzichteten 1997 Bundeskanzler Helmut Kohl, der SPD-Politiker Rudolf
       Scharping und Helmut Lippelt von den Grünen denn auch darauf und griffen
       stattdessen bei der "Debatte" über die Einführung des Euro beherzt in den
       Setzkasten melodramatischer Phrasen. Argumente? Ach was. Gefühle genügten.
       
       Inzwischen genügen sie nicht mehr, und verflüchtigt hat sich auch der
       Eindruck, Spitzenpolitiker verfügten über Macht. Mit immer neuen,
       hektischen Entscheidungen reagieren sie auf immer neue Hiobsbotschaften.
       Getriebene statt Handelnde.
       
       Die Atmosphäre ist eine andere als 1997. Zweierlei aber hat sich nicht
       geändert: Noch immer ist der Euro eine ungeliebte Währung. Und nach wie vor
       wird in diesem Zusammenhang nichts sachlich begründet.
       
       Dabei wäre das gar nicht so kompliziert. Selbst wenn die Entscheidung für
       das gemeinsame Geld falsch oder zumindest übereilt gewesen sein sollte -
       ein Auseinanderbrechen der Währungsunion hätte auch Folgen für jene, die
       eine Sehnsucht nach den guten alten Zeiten der D-Mark empfinden.
       
       Wenn wichtige Exportpartner eines Landes ihre Währungen abwerten und
       Zollschranken errichten können, dann brechen Gewinnerwartungen ein, dann
       sind somit Arbeitsplätze gefährdet, dann verringern sich auch die
       Steuereinnahmen und das für den Konsum verfügbare Geld der Allgemeinheit.
       Das bekommen alle zu spüren, vom Kellner bis zur Bauunternehmerin.
       
       Warum wird dieser Mechanismus allenfalls in Nebensätzen erwähnt? Weil die
       politischen Akteure offenbar ihrer eigenen Überzeugungskraft nicht
       vertrauen. Deshalb behandeln sie politische Entscheidungen, die kontrovers
       erörtert werden könnten, so, als handele es sich um die Regelung
       technischer und bürokratischer Probleme. Das beendet jede Diskussion.
       Feigheit vor dem Freund also.
       
       Sogar ihre internen Gegner setzen auf Populismus. Reden also - wie der
       ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel in seiner
       viel beachteten Kritik der Regierung - lieber über die Bürokratie in
       Brüssel als über die Eurokrise. Oder beschwören, wie der FAZ-Herausgeber
       Frank Schirrmacher, eine vermeintlich goldene Vergangenheit der Union, die
       im Rückblick wie Talmi schimmert.
       
       Am Dienstag trifft sich die Unionsfraktion des Bundestages zu einer
       Sondersitzung. Wozu? Um ernsthaft über einen Weg aus der Krise zu
       diskutieren? Ach nein. Um auf Linie gebracht zu werden. Das kennt man
       schon. Das bringt nichts.
       
       19 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bettina Gaus
       
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