# taz.de -- Interessenvertretung als Kollektiv: Özkan streicht Integrationsbeauftragte
> Nach dem Ausscheiden der bisherigen Amtsinhaberin wird die Stelle in
> Niedersachsen nicht neu besetzt. Stattdessen wird ein Integrationsbeirat
> eingerichtet, Vorsitzende wird die Ministerin selbst.
(IMG) Bild: Will künftig Beschwerden der Migranten selbst entgegennehmen: die niedersächsische Sozialministerin Aygül Özkan (CDU).
HANNOVER taz | Niedersachsens Sozial- und Integrationsministerin Aygül
Özkan (CDU) streicht das Amt der Integrationsbeauftragten. Am Montag
wechselte die bisherige Amtsinhaberin Honey Deihimi ins Bundeskanzleramt in
Berlin. Am Dienstag verkündete Özkan, sie wolle die Stelle nicht neu
besetzen und stattdessen einen Integrationsbeirat einrichten.
Rund 40 Vertreter von Migrantenverbänden und -selbstorganisationen, aus
Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbänden will Özkan für den Beirat gewinnen.
Zwei Mal im Jahr sollen sie tagen - unter dem Vorsitz der Ministerin
selbst. Welche Befugnisse der Beirat haben wird, blieb am Dienstag
weitgehend unklar. "Impulse" soll er geben, heißt es in Özkans
Pressemitteilung. "Politische Handlungsfelder benennen und tägliche
Probleme von Migranten äußern", ergänzt ihr Sprecher Thomas Spieker.
Özkan verstehe das als Weiterentwicklung ihrer Integrationspolitik, sagt
Spieker. Man wolle künftig auf "direkte Kommunikation" setzen. MigrantInnen
sollten ihre Meinung über den Beirat direkt an die schwarz-gelbe
Landesregierung weitergeben statt wie bislang "gefiltert" durch die Person
der Integrationsbeauftragten.
Für Ombudsfragen bei Einbürgerungs- oder Abschiebefällen verweist Spieker
an die niedersächsische Härtefallkommission und den Petitionsausschuss des
Landtags. "Zynisch" findet das die SPD-Integrationspolitikerin Silke
Lesemann. Petitionen gegen Regierungsentscheidungen seien in der Regel
chancenlos. Die Härtefallkommission stehe seit Jahren in der Kritik, im
Zweifel gegen die Antragssteller zu entscheiden.
Ein Beirat mit der Ministerin als Vorsitzende sei eine
"Placebo-Veranstaltung", so Lesemann. Die Linksfraktion kritisiert, das
Gremium habe "keinerlei Entscheidungsbefugnisse". Die Landtagsgrünen
fordern statt der Stellenstreichung eine unabhängig agierende
Integrationsbeauftragte. Die solle die Interessen Zugewanderter
formulieren, "anstatt wie bisher den MigrantInnen die Position der
Landesregierung näherzubringen", sagt die Grünen-Integrationspolitikerin
Filiz Polat.
Deihimi, die künftig bei der Bundesintegrationsbeauftragten Maria Böhmer
(CDU) an der Organisation des Nationalen Integrationsgipfels mitarbeiten
soll, werde von Özkan "das denkbar schlechteste Zeugnis ausgestellt", sagte
Polat.
2007 hatte der frühere Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) Deihimi für
das Amt berufen. Damals war das ein kleiner Coup: Die in Wien als Tochter
iranischer Eltern geborene Deihimi war bundesweit die erste
Integrationsbeauftragte mit eigener Migrationsgeschichte. In der
Öffentlichkeit jedoch wurde ihre Arbeit kaum wahrgenommen. Stets sei die
CDU-Frau auf Parteilinie gewesen, werfen ihr Kritiker vor. Nie stellte sie
sich gegen die Landesregierung, auch nicht gegen den Kurs von Innenminister
und CDU-Hardliner Uwe Schünemann, in dessen Ministerium die Stelle zunächst
angesiedelt war.
Ähnlich still ist es um Özkan geworden, dabei war ihre Ernennung ebenfalls
ein Coup: 2010 machte Wulff sie zu Deutschlands erster türkischstämmigen
Ministerin. Sie übernahm die Ressorts Soziales, Frauen und Gesundheit, der
Bereich Integration wanderte samt Deihimi vom Innenministerium zu ihr.
Anderthalb Jahre später sieht sich ihr Sprecher genötigt zu betonen, dass
Özkan auch Integrationsministerin sei.
Nachdem sie vor ihrem Amtsantritt mit der Bemerkung, Kruzifixe gehörten
nicht in Klassenzimmer, in der CDU heftige Proteste ausgelöst hatte, ist
Özkan als Ministerin bislang einzig mit ihrer umstrittenen "Mediencharta"
aufgefallen, an der auch Deihimi mitgearbeitet haben soll: Kurz nach
Amtsantritt hatte Özkan Journalisten aufgefordert, sich selbst zu
verpflichten, "eine kultursensible Sprache zu verwenden" und über
"Herausforderungen der Integration zu berichten". Medienvertreter wiesen
das Papier als Angriff auf ihre Unabhängigkeit zurück.
Auf wenig Gegenliebe trifft auch die Abschaffung der
Integrationsbeauftragten. Von einem "Rückschlag für die
Integrationspolitik" spricht die Arbeitsgemeinschaft MigrantInnen und
Flüchtlinge Niedersachsens. Eine "feste Institution" sei die Beauftragte
gewesen, sagt Geschäftsführer Habib Eslami. Ein Beirat könne das nicht
ersetzen: "Integrationsprobleme lassen sich bei zwei Treffen im Jahr nicht
lösen."
Der Flüchtlingsrat Niedersachsen warnt, das Gremium könne zum "stumpfen
Schwert" werden, weil stets ein Konsens gefunden werde müsse. Doch man
begrüße das Gesprächsangebot.
23 Aug 2011
## AUTOREN
(DIR) Teresa Havlicek
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