# taz.de -- Anwältin über DSK-Prozess: "Der Täter profitiert"
       
       > Die Anklage gegen Strauss-Kahn wurde zu Recht fallengelassen, sagt
       > Anwältin Theda Giencke. Auch wenn die eigentliche Tat damit keineswegs
       > bestritten ist.
       
 (IMG) Bild: Wann sagte sie die Wahrheit und wann nicht? Nafissatou Diallo.
       
       taz: Frau Giencke, das New Yorker Gericht hat das Verfahren gegen Dominique
       Strauss-Kahn eingestellt. Ist das für Sie plausibel? 
       
       Theda Giencke: Ja, es gibt wohl gute Gründe, warum die Anklage fallen
       gelassen wird.
       
       Kann man wirklich mit dem Hinweis, Diallo habe unter anderem bei der
       Einwanderung gelogen, ihre Glaubwürdigkeit insgesamt infrage stellen? 
       
       Das nicht, aber das hat die Staatsanwaltschaft auch nicht getan. Es ging
       vor allem um die Art und Weise, wie Diallo mit diesen Aussagen umgegangen
       ist. Die Fähigkeit, etwas sehr emotional und stringent darzustellen, was
       sich dann als Unwahrheit erweist, zeugt von einer hohen
       Konfabulationsfähigkeit, wie man das nennt: der Fähigkeit, Geschichten zu
       erfinden. Man konnte nicht erkennen, wann sie die Wahrheit sagt, weil sie
       so gut schauspielern konnte.
       
       Das beweist doch nicht, dass ihre Aussage zur Tat falsch ist. 
       
       Aber auch in der Aussage zur Tat gibt es Inkonsistenzen: Hat sie nach der
       Tat noch ein Zimmer geputzt oder dort Putzzeug geholt oder im Flur
       gestanden? Da gibt es drei Versionen.
       
       Vielleicht dachte sie zuerst, man glaubt ihr nicht, und hat deshalb
       dramatisiert? Wohin sie gelaufen ist, ist doch Randgeschehen. Der Kern der
       Aussage über die Tat blieb dagegen unverändert. 
       
       Nein, wie man aus einer solchen Situation herauskommt, gehört mit in den
       Kernbereich der Tat. Das ist kein Randgeschehen.
       
       Das heißt, Sie glauben Frau Diallo nun auch nicht mehr? 
       
       Das nicht. Vor allem finde ich bei Diallo kein Motiv dafür, so etwas zu
       erfinden. Die Situation ist so zufällig entstanden, dass Diallo sie nicht
       geplant haben kann. Tatsache ist auch, dass sie unglaublich oft vernommen
       wurde. Sie kann auch psychisch am Ende gewesen sein und deshalb keine
       stabile Aussage mehr gemacht haben. Aber es lässt sich so eben nicht mehr
       klären, ob Zwang im Spiel war oder nicht.
       
       Strauss-Kahn hat den sexuellen Kontakt zunächst geleugnet. Da ist er auch
       nicht so glaubwürdig, oder? 
       
       Der Angeklagte darf lügen, um sich zu schützen. Da ist in unserem
       Rechtssystem so geregelt.
       
       Sitzt der Beschuldigte letztendlich am längeren Hebel? 
       
       Na ja, gerade Prominente erfahren eine extreme Rufschädigung durch
       Anschuldigungen. Sie haben aber die finanziellen Mittel, um immer noch neue
       Gegengutachten erstellen zu lassen. Generell ist aber der Nachweis einer
       Vergewaltigung einfach schwierig. Da profitiert ein Täter von der
       Unschuldsvermutung.
       
       Ist Diallo auch unglaubwürdig, weil sie sich mehr hätte wehren müssen?
       "Zubeißen beim Oralverkehr" hat zum Beispiel Peter Scholl-Latour gefordert. 
       
       Ich hatte gerade einen Fall, in dem das Opfer zugebissen hat. Das machte
       den Beschuldigten noch aggressiver.
       
       Also lieber gar nicht wehren? 
       
       Das ist leider nicht eindeutig zu beantworten. Wenn Frau Diallo nicht laut
       genug Nein gebrüllt hat, dann kann das schon bedeuten, dass die Tat nicht
       mehr als Vergewaltigung gilt. Andererseits rät die Kripo, sehr, sehr
       vorsichtig zu sein, um den Täter nicht noch zu provozieren. Man verschiebt
       aber mit dem Vorwurf der Untätigkeit die Verantwortung vom Täter auf das
       Opfer. Das wird der Situation nicht gerecht, es verschlimmert sie: In 95
       Prozent der Fälle werfen die Frauen sich selbst vor, dass sie nicht mehr
       unternommen haben. Dabei sind viele schlicht wie gelähmt und stellen sich
       quasi tot. Herr Scholl-Latour verharmlost die Not des Opfers.
       
       Welches Signal sendet das Verfahren an die Gesellschaft? 
       
       Ein widersprüchliches: Zum einen zeigt es, wie frustrierend es sein kann,
       eine Anklage wegen Vergewaltigung zu erheben. Der Druck auf die Zeugin war
       immens. Zum anderen aber auch, dass auch Prominente Vergewaltiger sein
       können und dass man auch die anzeigen darf.
       
       24 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heide Oestreich
       
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