# taz.de -- Ein Besuch im Testfeld "Alpha Ventus": Viel Lehrgeld für Windkraft in rauer See
       
       > Vor der norddeutschen Küste soll die Energiewende jetzt richtig losgehen.
       > Aber dafür müssen die Firmen zuerst einmal mit den Wellen klarkommen.
       
 (IMG) Bild: In der Nordsee vor der Insel Borkum: der Offshore-Windpark "alpha ventus".
       
       NORDSEE taz | Rrumms! Ein starker Schlag lässt die "Wind Force I"
       erzittern. Die Besucher an Deck des Schiffs gehen in die Knie und halten
       sich an der Reeling fest. Rrumms! Das Schiff rollt und bockt. Und wieder
       Rrumms. Erst dann hat der Katamaran sicher am Turm "Alpha Ventus 12"
       festgemacht. Ein Techniker in rot-gelbem Überlebensanzug wechselt auf den
       Mast und beginnt die 90 Meter Aufstieg bis zur Spitze der Windkraftanlage.
       Oben hängen die Rotoren für die Wartung still im Wind.
       
       Die Nordsee ist hier, 45 Kilometer vor Borkum, nicht einmal rau, sondern
       nur ein bisschen bewegt. "Die Wellen eineinhalb Meter, ich schätze knapp
       Windstärke fünf", sagt Wilfried Hube vom Stromkonzern EWE. "Bei diesem Wind
       beginnen die Windkraftanlagen, mit voller Leistung Strom zu produzieren."
       Bis Windstärke zehn und drei Meter Wellengang geht das gut. Danach wird es
       zu ungemütlich für den Betrieb.
       
       Solche Erfahrungen sind sehr wertvoll für Unternehmen, die
       Offshore-Windkraftwerke in der Nordsee errichten wollen, um damit bis 2050
       ein Drittel des deutschen Stroms zu gewinnen. Die Firmen EWE, Eon und
       Vattenfall haben sie in den letzten zwei Jahren mit diesem ersten deutschen
       Offshore-Park "Alpha Ventus" gesammelt.
       
       Zwölf Windanlagen mit verschiedenen Konstruktionen und Getrieben hat das
       Konsortium in den Boden gerammt; sie können Strom für 50.000 Haushalte
       erzeugen. Aber das Wichtigste ist die Erfahrung, sagt Sven Utermühlen, beim
       Stromkonzern Eon verantwortlich für Windkraft: "Wir haben gelernt, dass wir
       eigene Schiffe brauchen, die erst gebaut werden mussten. Wir haben
       Erfahrung gesammelt, welche Fundamente am besten passen und welche Getriebe
       am effektivsten sind."
       
       Vor allem haben sie gelernt, dass Windkraftanlagen weit draußen im Meer
       eine ganz andere Sache sind als an Land oder nah am Strand. Die Wege sind
       weit, das Wetter unberechenbar. "Alpha Ventus" ist keine Gegend, um in Ruhe
       ein industrielles Großprojekt aufzubauen.
       
       ## Hohe Ausbeute
       
       Genau das ist aber der Plan. Hier sieht die Masten keiner, hier hört sie
       keiner außer ein paar Schweinswalen, hier produzieren sie an knapp 200
       Tagen im Jahr Strom, 40 Prozent mehr als an Land.
       
       Darum soll Offshore-Windkraft das "Rückgrat einer hundertprozentig
       erneuerbaren Stromversorgung" werden. So sagt es Jochen Flasbarth, der
       Präsident des Umweltbundesamtes (UBA), so hat es die Regierung beschlossen.
       45.000 Megawatt sollen 2050 vor den deutschen Küsten stehen und ein Drittel
       des deutschen Stroms liefern. In neun Jahren sollen es bereits 10.000
       Megawatt sein. Bisher sind es knapp 200.
       
       Diese Pläne nennt selbst der Bundesverband Windenergie "ehrgeizig". Die
       Experten an Bord der "Wind Force I" wären auch schon mit 7.000 Megawatt
       zufrieden. Sie begleiten Flasbarth bei seiner Inspektionsreise zur
       vordersten Front der Energiewende. Hier draußen wird klar, was für eine
       Herausforderung an Material, Technik und Logistik die dürren Zahlen
       bedeuten.
       
       Das Ziel der Bundesregierung bedeutet immerhin, dass man 10.000 dieser
       Windspargel wie "Alpha Ventus 12" aufstellen muss, die hier fast so hoch
       wie der Kölner Dom aus dem grauen 30 Meter tiefen Wasser ragen. Und dass
       man viele Milliarden ausgeben muss für diese neue Industrie.
       
       ## Teurer als geplant
       
       "Alpha Ventus" war mit 250 Millionen Euro - geplant waren 190 - besonders
       teuer, sagt Eon-Manager Utermühlen: Wegen des Wetters und der Verzögerungen
       habe man viel Lehrgeld gezahlt.
       
       Aber der Atomausstieg kommt und der Kohleausstieg auch. Da hätten auch die
       großen Stromkonzerne verstanden, was die Stunde geschlagen hat, meinen die
       Experten rund um Flasbarth. Insgesamt etwa 30 Gebiete sind vor der
       deutschen Küste für Windkraftanlagen ausgewiesen, es soll jetzt richtig
       losgehen mit der Offshore-Energie: In den nächsten Monaten sollen
       Riesenprojekte unterschrieben werden, VW hat angekündigt, 1 Milliarde Euro
       zu investieren, und die bundeseigene Bank KfW stellt 5 Milliarden bereit,
       um Kredite zu ermöglichen.
       
       "Wir müssen richtig loslegen", sagt Flasbarth. Er sieht auch kein Problem
       darin, dass sich die vier großen deutschen Stromkonzerne bei den
       Offshore-Anlagen engagieren und damit ihre Marktmacht zementieren, wie
       Kritiker meinen.
       
       "Ich glaube, hier wird es eher Synergien als Widersprüche geben", sagt
       Flasbarth. Schließlich seien auch Stadtwerke, kleinere Unternehmen und
       Finanzinvestoren dabei. Auch Utermühlen meint, zusammen bauten die großen
       vier vielleicht 4.000 Megawatt bis 2020. "Da bleibt noch mal so viel übrig
       für die anderen".
       
       An "Alpha Ventus 12" haben die Konzerne zumindest schon mal gezeigt, dass
       sie auch umweltfreundlich agieren können: Am Fuß des Windturms wird der
       gelbe Anstrich von Algen bedeckt. Ein gutes Zeichen, meinen die
       UBA-Experten: Der Rostschutz kommt ohne Gift aus.
       
       29 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Pötter
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Windkraft
       
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